laut.de-Kritik
Intensives Comeback mit Synthiepop und kitschgetränkten Balladen.
Review von Michael SchuhSucht man im Bandsektor nach Parade-Beispielen für den Aufbruch zu neuen musikalischen Ufern, kommt einem nicht unbedingt Erasure in den Sinn. Seit mittlerweile 15 Jahren produziert das Duo Clarke/Bell eine kommerziell einträgliche Mischung aus fröhlich vor sich hin hüpfenden Synthiepop-Nummern und kitschgetränkten Balladen, die um Innovationen einen Bogen machen. Umso erstaunlicher, dass "Loveboat" nun mit der Tradition bricht.
Bedanken dürfen wir uns hierfür wohl hauptsächlich beim Allround-Producer Flood, der schon die ersten Gehversuche der Band vom Mischpult aus mitverfolgte (remember: "uu-huu-huu sometimes"), und seither seinen Lebenslauf vorrangig mit Kollegen aus dem Rocklager anreichert (U2, Smashing Pumpkins, PJ Harvey).
Und obwohl das Plattencover gekonnt das Gegenteil suggeriert, ist die Beschallung des Liebesbootes von der überbordenden Schwülstigkeit der letzten Jahre befreit. "Crying In The Rain" ist eine mit Hip Hop-Beats (!) angereicherte, smart groovende Synthienummer, die den Erasure-Stempel dennoch ebenso deutlich zur Schau trägt, wie die offenkundige Single "Freedom" mit Akustikgitarren-Hookline.
Regelrecht progressiv für Erasure-Verhältnisse rumpelt dagegen das bedächtige "Perchance To Dream" dem nächsten HiFi-Bass-Boxen-Test entgegen, derweil Sänger Bell, scheinbar unbeeindruckt, zwei Oktaven über Jimmy Somerville herum turnt.
Selten klang das Organ des Sängers so ausgereift, untergrub seine berüchtigte Tonleiterakrobatik so effizient den Drang, den Volume-Regler nach links zu drehen. Auch wenn ich nach wie vor mit Bells tieferen Vokalausflügen besser klar komme ("Where In The World"). Man merkt dem Gros der Songs einfach an, dass die Band sich in ihrem Kontext weiter entwickeln wollte und das Ergebnis ist stimmig und angenehm.
Einzige Schwachpunkte der liebesgetränkten Bestandsaufnahme sind "Here In My Heart" und "Moon & The Sky", die in ihrer fast schon eindimensionalen Tanzboden-Anbiederung nicht unbedingt zu Glanzlichtern zeitgenössischer Popmusik zählen.
Dennoch präsentieren Erasure mit "Loveboat" ihr intensivstes Werk seit "Chorus" und liefern mit "Mad As We Are" die goldene Schnulze ihrer Karriere gleich mit.
1 Kommentar
das wohl schlechteste Album von ihnen. Dabei war der Vorgänger COWBOY echt stark. Hiermit war die Karriere endgültig aus