laut.de-Kritik
Eros erhebt die Stimme gegen Fremdenfeindlichkeit.
Review von Stefan MertlikWer zu einer Platte von Eros Ramazzotti greift, weiß, was er bekommt: Schnulzen über die Liebe in einer Sprache, die nur für Schnulzen über die Liebe erschaffen wurde. Auch auf seinem 16. Studioalbum "Vita Ce N'è" erfüllt der Römer diese Erwartungen. Wobei nicht alles nach alten Mustern abläuft. Der Albumtitel lautet frei übersetzt "Es gibt noch Leben", der gleichnamige Titelsong soll dementsprechend Hoffnung in politisch so unsicheren Zeiten geben.
Das italienische Volk wählte Anfang des Jahres ein neues Parlament. Der europaweite Rechtsruck brachte dem Mitte-Rechts-Bündnis der rechtspopulistischen Partei Lega und der europaskeptischen Fünf-Sterne-Bewegung rund 37 Prozent. Eros Ramazzotti nutzt seine Reichweite und erhebt – ähnlich wie Helene Fischer auf einem Berlin-Konzert im September – die Stimme gegen Fremdenfeindlichkeit.
Dass Ramazzotti und Fischer auf dem Stück "Per Il Resto Tutto Bene" gemeinsam singen, passt da gut zusammen. Zu einem antifaschistischen Schulterschluss zwischen Deutschland und Italien kommt es trotzdem nicht. Stattdessen wird geschmust und geliebkost wie es zu erwarten war. "Vita Ce N'è" ist ein sauber produziertes Pop-Album, das wenige Überraschungen bereithält – für Hörer_innen ohne Italienischkenntnisse schon gar nicht.
"In Primo Piano" ist eine dramatische Ballade mit Streichern und Chor, "Una Vita Nuova" Radio-Pop mit David-Guetta-Drums und "Avanti Così" mediterrane Wohlfühlmusik mit italienischer Gitarre und Trompeten. Doch spätestens wenn Hintergrundchöre zum fünften Mal alle Vokale des Alphabets gesungen haben, stellt sich Langeweile ein. "Vita Ce N'è" besitzt nicht den Anspruch, mehr als nur nette Hintergrundmusik zu sein.
Der Presse erklärte Ramazzotti einmal, dass er den größten Scheiß singen könnte, die Musik dank seiner Stimme dennoch funktionieren würde. Auf "Vita Ce N'è" bleiben trotzdem die Gastbeiträge hängen. Statt alte Duettpartner_innen wie Cher, Tina Turner und Ricky Martin gibt's Luis Fonsi ("Despacito"), Alessia Cara und eben Helene Fischer.
Seinen 146 Platinauszeichnungen wird Ramazzotti auch mit "Vita Ce N'è" weitere hinzufügen. Hierfür kommt die eingangs erwähnte Formel ins Spiel: Fans wissen schon vorher, was sie bekommen. Auch wenn sich der Sänger angesichts schwieriger Zeiten zumindest mit dem kleinen Zeh aus der Wohlfühlzone herauswagt.
1 Kommentar
Ich gebe ihm recht: Immer noch tolle Stimme, leider sehr dance-pop-mäßig aufbereitet (inkl. "o-e-o"-s)
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