laut.de-Kritik
Singer/Songwriter-Pop mit Balkan-Beats und Spaß am Rollenspiel.
Review von Joachim GaugerAuf dem Cover von Fabers erstem Album "Sei Ein Faber Im Wind" sieht man eine St. Sebastianus-Schützenbruderschaft, zu ihren Füßen liegt der Schweizer Musiker in abgelatschten Stiefeln und zerrissener Hose. Die Inszenierung zeigt den 24-Jährigen als einen, der sich gerne quer legt, der nicht in den Kontext passt. Aber auch als einen, der wenig Berührungsängste hat - nicht mal vor westfälischen Traditionsvereinen.
Nach einer leicht schrägen Ouvertüre singt Faber in "Wem du's heute kannst besorgen" auch gleich aus der Perspektive eines wahrscheinlich betuchten älteren Herren, der eine 16-Jährige zum Sex nötigt: "Gib mir nur ein Küsschen / Lass mich dich etwas kitzeln / Etwas Nähe ist nicht schlimm / Sei doch kein Kind". Schon im abgewandelten Sprichwort des Titels zeigt sich Neigung und Talent, die Sprache gegen den Strich zu bürsten, im Text selbst die Freude am Rollenspiel und der Einnahme von ungewohnten, ja mitunter unsympathischen Perspektiven.
Für die Rolle des geilen Alten hat Faber natürlich genau die richtige tiefe Stimme, deren verlebte Rauhheit er im Verlauf des Albums vielleicht manchmal zu sehr in den Vordergrund stellt. Glaubhaft macht schon dieser erste Track aber auch Fabers Aussage, die Band habe "Sei ein Faber Im Wind" in wenigen Tagen quasi live eingespielt. Live wie auf Platte hat der Enthusiasmus, mit dem die Beteiligten mit allem was gerade verfügbar ist, auf dem Offbeat herum klopfen, etwas ungemein Ansteckendes.
Der Spaß am Rollenspiel hat Faber auch schon Nazi-Vorwürfe eingebracht, weil er im Lied "Wer Nicht Schwimmen Kann Der Taucht" Vorurteile gegen Flüchtlinge aus der Perspektive eines AfD-Wählers wiedergibt, Flüchtlinge, die "uns täglich bestehlen" und "im Park dealen". Dies sei tatsächlich eher ein deutsches als ein schweizer Lied, sagt Faber im Interview und dass er wirklich glaubt, dass manche so denken. Mit zynischen Zeilen wie "Ich schau euren Schlauchbooten beim Kentern zu" gelingt dem Schweizer jedenfalls ein Kommentar zur Flüchtlingskrise in Deutschland, der mit genauer Beobachtungsgabe zum Nachdenken anregt, ohne die moralische Keule zu schwingen oder an die Menschlichkeit zu appellieren.
Immer wieder baut Faber Erwartungshaltungen auf, um diese dann schonungslos zu enttäuschen. So auch in "Alles Gute": "Wenn du dann am Boden liegst", stehst du nämlich keineswegs wieder auf, vielmehr weißt du endlich "wo du hingehörst". Eine selbstironische Ode an Masturbation und Einsamkeit nennt der Spiegel dieses Lied und resümiert, der "unwiderstehliche Schmerzensmann (sei) ein Klassiker der dunklen Verführungskunst."
Starke Worte, mit denen der Spiegel nicht alleine steht: glaubt man dem deutschen Feuilleton, ist Faber bereits jetzt der Hoffnungsträger, wenn nicht der Erlöser des deutschen Pop, mindestens aber das starke Gegenstück zur zuletzt viel gescholtenen Bourani-Fraktion.
Gegen solch überschwängliches Lob und Vergleiche mit Jim Morrison oder Bob Dylan möchte man den 24-Jährigen dann doch noch in Schutz nehmen. Zwar reichert die Band den Singer/Songwriter-Pop von "Sei Ein Faber Im Wind" virtuos mit Stilelementen von Polka, Blues oder Indie-Folk an. Die Bandbreite reicht vom Chanson bis zu Balkandisco mit schmetternden Bläsersätzen, eine wirklich eigene Handschrift ist da aber noch nicht zu erkennen.
Die Texte wiederum sind an manchen Stellen überaus poetisch geraten, dann aber wieder auch mal nur schlampig zusammengefügt, etwa wenn Faber "sich es lohnt" auf "dafür belohnt" reimt. Manche Bilder finden auch mehrfache Verwendung: "In Paris brennen Autos, und in Zürich mein Kamin" ähnelt schon sehr dem "Zürich brennt nicht mehr, Zürich kauft jetzt ein".
Da merkt man dann doch, dass zuletzt nicht viel Zeit für's Songwriting geblieben und vieles bei Faber irre schnell gegangen ist. Vor gut zwei Jahren war der ja selbst fast noch ein Kind!
8 Kommentare mit 7 Antworten
24 ist der erst? Dafür aber echt schon ne fies abgefuckte Stimme, Respekt!
Alles Gute finde ich ganz naise.
Der ist ja auch Schweizer.
Kräuterschnäppsli und Hüttenchäs.
Und das Sperma vom Huriyamafag.
Praktisch alle Schweizer kiffen und haben dann entsprechende Stimmen (>88%). Allerdings einer der wenigen, bei dem man den Akzent kaum oder gar nicht hört (
Chefi spricht wahr.
Na ja, er wird momentan sehr gehypt. Wirkt für mich manchmal angestrengt cool, die Texte sollen wohl provozieren, wirken aber oft nur platt. Er ist ja auch noch jung.
aber was das mit platten Texten provozieren angeht, ist er nicht allein. Und das er jung ist macht das ganze deswegen auch nicht besser. Ich glaube nicht, das er in 10 Jahren andere Texte machen wird. Da wird die Plattenfirma schon dafür sorgen, das das Erfolgsrezept beibehalten wird.
Wicki spricht wahr.
Dieser Kommentar wurde vor 7 Jahren durch den Autor entfernt.
Ich finde das Faber Debüt ziemlich gelungen. Stimme, Text, Sound - irgendwas ist immer Besonders. http://bit.ly/2wOde8l
Dieser Kommentar wurde vor 5 Jahren durch den Autor entfernt.
Es handelt sich nicht um einen westfälischen Verein, sondern um die Sankt Sebastianus Schützenbruderschaft Ensen-Westhoven 1926 e.V. aus Köln. Aufnahmezeitraum zirka 2015-2016. Ansonsten: Gutes Album, schöne Rezi!