laut.de-Kritik

Rückständiger Rummelbums.

Review von

"Dorfdisko" klingt ganz genauso, wie ich es mir vorgestellt habe. Auf abgedrehten Rummelbums-Beats rappt oder singt Finch Asozial über Saufen, Titten, Drogen, Autos, Ficken und Kumpels. Willkommen im Osten!

Zugegeben, das Album zeichnet ein unheimlich genaues Bild einer durchschnittlichen ostdeutschen Dorfjugend. Pubertärer Jungshumor trifft auf übermäßig viel Alkohol und Eskalation am Wochenende, gepaart mit Behinderten-, Schwulen- und Frauenwitzen, die für den echten Mann natürlich alle auf einer Stufe stehen. Wer nicht aufpasst, kriegt vom Hingucken AIDS. Haha.

Schon klar, "Dorfdisko" ist lustig gemeint. Saufen wir halt ein bisschen "Goldi & Korn" und hören dazu "Heckspoilermucke", zwinker, zwinker. Nicht umsonst bestehen die Beats des Albums aus Techno-Schranz-Geschrammel und Schlager-Melodien, abgesehen von "Ossi California", dem Plusmacher-Feature, "601", der Ode auf den Trabi, die eins zu eins nach einem Marteria-Song klingt, und dem Achtziger Synth-Pop "Der Letzte Echte Macho" mit Big Mike.

Natürlich spielt Finch, der sich gerne auch mal in sein Alleinunterhalter-Alter Ego "DJ Heiko" wirft, mit Übertreibungen und ganz bewusster Provokation, wenn er Zeilen rappt, wie: "Fotze, halt dein Maul, endlich kommen wieder harte Texte / spritz dir meinen Samen jetze mitten auf die Arschvignette."

Trotzdem, oder vielleicht auch gerade deswegen, bereitet mir "Dorfdisko" Unbehagen. Ich fühle mich gefangen in einem weirden Trip aus 257ers, Scooter und SDP, die gemeinsam Fettbemmen essen und Sachsengold in der Garage gluckern. Dem Album haftet eine Rückständigkeit an, die glorifiziert wird, vielleicht aber einmal überdacht werden sollte.

So sehr Finch auch versucht, dem Album einen ironischen Unterton zu geben, er spiegelt doch eine ziemlich unironische Realität wider, in der immer noch erschreckend viele Menschen glauben, jeder Homosexuelle habe AIDS, jeder Behinderte sei nicht normal und jede Frau im Grunde nur zum Kochen und gefickt werden da.

Dabei zeigt Finch sein Talent als Rapper. Er erzählt Geschichten und entwirft fast filmreife Szenarien, er beherrscht die Kunst des Wortejonglierens. Die Feature-Songs des Albums machen deutlich, dass der Kerl unterschiedlichste Atmosphären erzeugen kann. Mal klassischen Boombap-Gangster-Rap, mal Achtziger-Pop, mal astreinen Schlager.

Er könnte größer, kreativer, intelligenter. Aber er zieht es vor, in der engstirnigen Rückständigkeit zwischen Fliesentisch und Heckaufkleber zu verweilen. Was seine Fans vermutlich genau deswegen feiern. Ich finde es einfach nur schade.

Trackliste

  1. 1. Intro
  2. 2. Goldi & Korn
  3. 3. Heckspoilermucke
  4. 4. Richtiger Saufen
  5. 5. Kurzurlaub
  6. 6. 601
  7. 7. Eskalation
  8. 8. Ossi California (Feat. Plusmacher)
  9. 9. Diskoaids
  10. 10. Abfahrt
  11. 11. Der Letzte Echte Macho (Feat. Big Mike)
  12. 12. DJ Heiko
  13. 13. Landleben
  14. 14. Wir Sind Hier (Feat. Achim Petry)
  15. 15. Wenn Ich Geh

Videos

Video Video wird geladen ...

Weiterlesen

LAUT.DE-PORTRÄT Finch

Finch, der Rapper, tilgte zwar 2021 den Zusatz "Asozial" aus seinem Künstlernamen, bei uns findet ihr ihn aber nach wie vor da: unter Finch Asozial. Falls …

LAUT.DE-PORTRÄT Finch Asozial

"Punchline-Rap, Auf-die-Fresse-Rap, Beleidigungen in alle Richtungen, schön frauenfeindlich - genau mein Ding. Nein, gemeint ist nicht MC Bomber, aber …

10 Kommentare mit 13 Antworten