laut.de-Kritik

Eingängige, verschnörkelte Hipster-Hymnen mit Potenzial.

Review von

Erinnert ihr euch noch an "Pumped Up Kicks"? Aus dem Nichts beherrschte dieser eine Track den Sommer des Jahres 2010. Leute, mit denen ihr auf schlechten Partys kurz über Musik geredet habt, erzählten euch ständig, der Text sei ja viel düsterer, als es die Musik vermuten ließe. Obwohl der Song bis heute noch in den Sommer-Playlists einiger Radiomoderatoren zu finden (und er eigentlich auch erst vor ein paar Jahren erschienen) ist, fühlt es sich an, als läge er auf der Skala der obskuren One-Hit-Wonders irgendwo zwischen "Barbie Girl" und dem Macarena.

Dabei sah das Trio um Songwriter Mark Foster (nicht Forster!) eigentlich kurz wie die ideale Besetzung für die Hipster-Nische einer Post-Club-Ära der Popmusik aus, die sich mit dem rabiaten Aufstieg von Adele, Bruno Mars und Konsorten zum Anfang der 2010er andeutete. Zum Release ihres dritten Studioalbums "Sacred Hearts Club" ist von diesem Enthusiasmus wenig übrig geblieben.

Scheinbar weiß nicht einmal mehr ihr Label so genau, wer Foster The People eigentlich sind und was sie machen. Die Marketingkampagne fühlte sich jedenfalls einigermaßen resigniert und lieblos an: Keine der Singles bekam ein Musikvideo spendiert, Interviews gab es gerade einmal eines (das sich um "Pumped Up Kicks" drehte), und daraufhin geriet auch das Roll-Out des Albums sehr enttäuschend.

Das ist schade, denn die Platte an sich klingt ziemlich gut. Musikalisch fühlt sich "Sacred Hearts Club" ungezwungen zeitgemäß, dennoch traditionsbewusst und sehr vielfältig an: trotz kleinerer Schwächen ein spannendes Gesamtprodukt. Dennoch: Sucht man heute auf YouTube nach Foster The People, schlägt die Vervollständigung vier Remix-Versionen von "Pumped Up Kicks" und andere Singles aus dem Debütalbum vor.

Was verpasst die Öffentlichkeit hier gerade? "Sacred Hearts Club" wäre das Ergebnis, kippte man "Pet Sounds" von den Beach Boys, "Congratulations" von MGMT und "808s and Heartbreaks" von Kanye in einen kleinen Topf und rührte nicht lange genug um. Was verwirrend klingt, machen Unmengen kleiner Zusatzreferenzen noch verwirrender. Als fühlten sich Foster The People von der Vorstellung persönlich angegriffen, jemand könnte ihrem dritten Album einen roten Faden unterstellen, finden wir Referenzen auf die Sex Pistols, auf Funk, Psychedelic Rock und eine ganze Palette an Klängen, die sich dem modernen Atlanta-Trap zusprechen lassen.

Das Ergebnis entpuppt sich als spannend und frustrierend zugleich: Zwar geht fast jeder Einzeltrack für sich gesehen auf, manche besser als andere. Dennoch fällt es schwer, eine Gesamtdramaturgie auszumachen. Es fühlt sich ein wenig an, als träten Foster The People nach jedem Track zurück, um sich ihrer Soundidee noch einmal von vorne, aus einem etwas anderen Winkel zu nähern. Das führt vermutlich dazu, dass der durchschnittliche Fan ein paar Songs sehr mögen und in die eigene Playlist kopieren, das Album insgesamt dann aber doch recht schnell links liegen lassen wird.

Auch kein Beinbruch, immerhin erscheint das Single-Potenzial gigantisch: Die als "III-EP" veröffentlichten Tracks "Pay The Man", "Doing It For The Money" und "SHC" dürften in Sachen Struktur und Produktion jedem Popfan Freude bereiten. Auf "I Love My Friends" begegnet dem Hörer einer der eingängigsten Grooves des Albums und "Lotus Eater" baut einen antisozialen Banger um die Tumblr-Catchphrase "I'm sorry I'm late, I didn't want to come" auf. Auch hier noch einmal die Frage: Warum wurde keiner dieser Titel gesondert beworben? Möglichkeiten gab es hier definitiv en masse.

"Sacred Hearts Club" nimmt dementsprechend einen seltsamen Platz in der Diskographie einer Gruppe ein, die ohnehin schon mit der entschwundenen Relevanz zu kämpfen scheint. Foster The People umschiffen viele offensichtliche Fehlerquellen. Keiner der Titel versucht, "Pumped Up Kicks 2" zu sein. Auch Produktion und Ausführung bleiben experimentierfreudig, frisch und spannend anzuhören.

Es verdient Respekt, deutliche Trap-Anleihen derart stilsicher und ästhetisch in den eigenen Sound einzuweben. Zwar lässt die Dramaturgie als Gesamtwerk etwas zu wünschen übrig, dafür stechen genug Titel als eingängige, verschnörkelte Hispter-Anthems heraus, die auch in einer regulären Playlist gut aufgehoben wären.

Auch wenn der große Wurf, der das Trio zurück an den Puls des Mainstream bringt, ausgeblieben ist oder ausgespart wurde, bietet dieses Projekt doch deutlich mehr, als ein One-Hit-Wonder am Rande der Obskurität es vermuten lässt. Vielleicht liefert das dann ja auch schon genug Kredibilität, um in der Blase der Untergrund-Pop-Nerds wieder ein friedliches Dasein führen zu können.

Sollte es also inzwischen zu mainstream sein, nur Bands aus dem Untergrund zu konsumieren, könnte man ja stattdessen Bands hören, die der Mainstream einst verschlungen und mittlerweile vergessen hat. Mit diesem Album macht man da auf jeden Fall fürs Erste nichts falsch.

Trackliste

  1. 1. Pay The Man
  2. 2. Doing It For The Money
  3. 3. Sit Next To Me
  4. 4. SHC
  5. 5. I Love My Friends
  6. 6. Orange Dream
  7. 7. Static Space Lover
  8. 8. Lotus Eater
  9. 9. Time To Get Closer
  10. 10. Loyal Like Sid & Nancy
  11. 11. Harden The Paint
  12. 12. III

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