laut.de-Biographie
Franz Josef Degenhardt
Mit den Textzeilen "Spiel nicht mit den Schmuddelkindern/ sing nicht ihre Lieder/ geh doch in die Oberstadt/ mach's wie deine Brüder" verschafft sich im Jahr 1965 ein Liedermacher Gehör und spricht damit aus den Herzen vieler gleichgesinnter gesellschaftskritischer Bürger.
Noch in den 80er Jahren findet "Spiel Nicht mit den Schmuddelkindern" - das den mit der Abwertung von Arbeiterkindern verbundenen Aufstieg zu einem privilegierten Leben kritisiert - vereinzelt den Weg in den Musikunterricht ambitionierter und politisch ähnlich denkender Lehrerinnen und Lehrer.
Bei diesem unangepasst Aufbegehrendem handelt es sich um Franz Josef Degenhardt, der am 3. Dezember 1931 in Schwelm in Westfalen das Licht der Welt erblickt. Seit den späten Sechziger Jahren avanciert er mit seinen deutschsprachigen Texten zum poetischen Sprachrohr der westdeutschen Linken und gilt als Begründer des Liedermacher-Genres in Deutschland.
Autoren wie Brecht, Wedekind, Tucholsky, Villon und Ringelnatz prägen den Protestsänger; musikalische Vorbilder findet er in Woody Guthrie und Georges Brassens. Seine Diskografie nimmt 1963 mit seiner ersten Platte "Zwischen Null Uhr Null Und Mitternacht" ihren Anfang und zieht sich mit der Veröffentlichung "Dreizehnbogen" bis ins Jahr 2008.
Bis dato umfasst der musikalische Output des dienstältesten deutschen Liedermachers über 40 Tonträger, deren Lieder einen kritischen Blick auf die Historie und Verfasstheit nicht nur der Bundesrepublik werfen. Die Cover-Gestaltung vertraute er meist seiner als Lithographin und Zeichnerin arbeitenden Schwägerin Gertrude Degenhardt an.
Hauptberuflich ist der leidenschaftliche Schriftsteller und Musiker promovierter Rechtsanwalt. Nach seinem Studium der Rechtswissenschaften in Freiburg und Köln 1952-56, dem ersten Staatsexamen 1956 und dem Zweiten Staatsexamen arbeitet er ab 1961 für das Institut Für Europäisches Recht der Universität Saarbrücken. Seine Doktorwürde erlangt er 1966 mit dem Thema "Die Auslegung und Berichtigung von Urteilen des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften".
Ab 1968 beginnt Degenhardt in dieser politisch unruhigen Zeit, sich verstärkt mit Prozessen gegen Mitglieder der Außerparlamentarischen Opposition zu beschäftigen, 1969 gründet er in Hamburg gemeinsam mit K. Groenewold und W. D. Reinhardt eine Anwaltskanzlei. Seit Ende der 60er-Jahre setzt er sich nach der Neukonstituierung der Kommunistischen Partei für eine Zusammenarbeit von Sozialdemokraten und Kommunisten ein.
Als Folge des Unvereinbarkeitsbeschlusses der Parteioberen der SPD, der jede Aktionsgemeinschaft mit Kommunisten mit Parteiordnungsverfahren bedroht, wird Degenhardt 1971 schließlich aus der SPD ausgeschlossen, weil er im Schleswig-Holsteinischen Landtagswahlkampf die DKP unterstützt hat. Nach weiteren parteilosen Jahren wird er 1978 Mitglied der DKP.
Seine politische Weltanschauung gewährt ihm außerdem die korrespondierende Mitgliedschaft in der Akademie der Künste der DDR von 1985 bis zu deren Ende, seit 1971 ist Degenhardt zudem Mitglied der internationalen Schriftstellervereinigung PEN-Zentrum der Bundesrepublik Deutschland.
Breits 1967 drängen seine Lieder aufgrund prägender Ereignisse wie die Studentenbewegung, die Notstandgesetze und Gespräche mit Rudi Dutschke, Wolf Biermann oder Wolfgang Neuss auf Veränderung und konkrete politische Stellungnahme. Lieder mit klaren politischen Handlungsanweisen und der Aufarbeitung politisch-historischer Erfahrungen stehen neben solchen Songs, die die kapitalistische Gesellschaftsstruktur der Bundesrepublik anprangern.
Dass Degenhardts Leben eng an die Geschichte der Arbeiterbewegung gebunden ist, offenbaren auch sein literarischen Veröffentlichungen. 1973 erscheint sein erster Roman "Zündschnüre", dem sich 1975 "Brandstellen" anschließt, beide Werke werden verfilmt.
Mit Petrolium Und Robbenöl Oder Wie Mayak Der Eskimo Kam Und Meinen Verrückten Vater Wieder Gesund Machte" (1976), "Die Misshandlung Oder Der Freiwillige Gang Über Das Gelände Der S-Bahn-Brücke" (1979), "Der Liedermacher"(1982), "Die Abholzung"(1985), "August Heinrich Hoffmann, Genannt Von Fallersleben"(1991) und "Für Ewig Und Drei Tage" (1998) komplettiert sich sein literarisches Schaffen.
Dass Franz Josef Degenhardt mit seiner Kunst und seinem Engagement Gehör findet und auf Resonanz stößt, beweisen nicht zuletzt diverse Auszeichnungen. Gewürdigt wird er mit dem Deutschen Schallplattenpreis (1970), dem Preis Der Deutschen Schallplattenkritik (1980), dem Deutschen Kleinkunstpreis (1983) und dem SWF-Liederpreis (1986 und 1988).
Seine immense Produktivität gipfelt in dem Album "Dreizehnbogen", das der in Quickborn in Kreis Pinneberg lebende Vater zweier Söhne, die ebenfalls als Liedermacher aktiv sind, 77-jährig 2008 veröffentlicht.
Bis 2004 steht er selbst noch live auf der Bühne. Am 14. November 2011 stirbt der "dienstälteste Liedermacher Deutschlands", so einer seiner zahlreichen Spitznamen, kurz vor seinem 80. Geburtstag friedlich zuhause.
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