laut.de-Kritik
Kreative Vielfalt im Sozialistencamp.
Review von Matthias Manthe1956: Mao Tse-Tung initiiert in einer Rede eine neue Diskussionskultur in der chinesischen Gesellschaft. An die Stelle fester Dogmen soll in Wissenschaft und Kunst der Wettbewerb unterschiedlicher Ideen treten. Die Forderung des KP-Vorsitzenden: "Lasst hundert Blumen blühen, lasst hundert Schulen miteinander wetteifern."
2005: From Monument To Masses aus San Francisco zitieren den berühmten Ausspruch Maos im Titel einer Remixplatte. Das nimmt nicht Wunder, immerhin hat sich die Postrock-Formation nichts Geringerem als der sozialistischen Revolution verschrieben. "Schools Of Thought Contend" vereinigt 13 Interpretationen ihres letzten instrumentalen Studioalbums "The Impossible Leap In One Hundred Simple Steps" und zwei taufrische Tracks.
Wo 2003 bei Songlänge und Improvisationsanteilen ein wenig über die Stränge geschlagen wurde, filtern die Nachbildungen die Dynamik heraus und schaffen neue Hörreize. Der um über vier Minuten reduzierte "From The Mountains To The Prairies"-Mix verwandelt schrammelige Gitarren und scheppernde Drums in eine Glockenspiel-Collage, bevor mit bedrohlichen Soundscapes unterlegte Sprachsamples den Umsturz beschwören. Atemberaubend schön dagegen die Pop-Lesart von "Comrades & Friends": Loquats weiblicher Gesang besitzt diese fordernde Sehnsucht in der Stimme, die einfach berühren muss.
Nicht weniger durchgreifend modifizieren die beiden "The Spice Must Flow"-Versionen. Dereinst machten sirenenartige Riffs Front, jetzt bringen das Hip Hop-Kollektiv Automato und Turbotito (Ima Robot) eine Rede von Malcolm X auf den IDM-Tanzflur. Erster wirkt wie ein chilliger Squarepusher, der sich ausnahmsweise zum Geradeausdenken zwingt, während Turbotitos Inszenierung auch den letzten Grobmotoriker zu spackigen Moves motiviert. Die drei Variationen von "The Quiet Before" changieren zwischen der Melancholie von The Notwist, verspieltem Minotaur Shock und verdrogten Hardcore-Raps, die an "Water" aus The Roots' "Phrenology"-Zeit erinnern.
"Old Robes" werden heuer durch Drum'n'Bass-Gewänder bzw. einen Electro-Zweiteiler aus der Boards Of Canada-Kollektion ersetzt, der allerdings nicht ganz maßgeschneidert daher kommt. Neben den eigenen überragenden ("Defeaning") bis gefälligen ("The Noise Thereafter") Beigaben entspricht vor allem der 65 Days Of Static-Remix der typischen Tonfarbe der Band: Ein stotternder Drummachine-Motor steuert auf den Electro-Postrock-Noise-Klimax zu – als regnete Heavy Metal auf Industriebaracken herab.
Die Enttäuschung darüber, statt eines regulären Drittwerks 'nur' eine Neuauflage in den Händen zu halten, hält sich also in äußerst überschaubaren Grenzen. Die Interpretationen weichen teils bis zur Unkenntlichkeit von den Originalen ab, brechen so den bisherigen Kosmos des Trios in kleine Stücke und erzeugen etwas radikal Anderes. Oft klingt das interessanter als die Urversionen, weshalb sowohl From Monument To Masses-Kenner als auch Neueinsteiger zugreifen sollten.