laut.de-Kritik

Für bestuhlte Krabben-Cocktailabende mit Bryan Ferry.

Review von

Es ist schon ein wenig Zeit ins Land gegangen, seitdem der 'Whispering Minimal Funk' von Fujiya & Miyagi aus Brighton als zumindest kleines 'Next Big Thing' gehandelt wurde. Seitdem hat sich in der Welt einiges getan. Im Hause F&M jedoch leider wenig. Stattdessen pressen sie den eingeschlagenen künstlerischen Weg bis zur Neige aus wie eine Zitrone.

Die Gruppe ist mittlerweile zu viert, "Ventriloquizzing" ist ihr viertes Album. Die Grundzutaten bleiben an der Bandbasis unverändert. Krautige Elektronika – gern mal im angedeuteten Motorik-Beat – treffen auf analog klingende 80er Soundspielereien und zurück genommenen minimalistischen Funk. Mit "Sixteen Shades Of Black & Blue" wartet das Album sogar mit einem veritablen Hit auf. Egal, ob man ihn nun als S&M-Song für den gehoben britischen Upper Class Dark Room samt stylisch nippender Martinischalen-Meute nimmt oder als angechilltes Club-Monster.

Die weiche Eleganz, mit der sie den Text konterkarieren, nötigt Respekt ab und verleiht den Engländern sicherlich hohe Credibility auf bestuhlten Krabben-Cocktailabenden mit Bryan Ferry. Schade nur, dass sie diesen nicht mehr ganz so neuen Jokus flächendeckend als smooth-klebrigen Bombenentschärfer auf LP-Länge auswalzen. Dabei böten sich so viele spannende Möglichkeiten.

Sexy Liedchen wie "Minestrone" und die Dylan-Hommage "Taiwanese Roots" (remember "Boots Of Spanish Leather") gieren geradezu nach etwas Schweiß, nach ein wenig Eros. Problem: Das stetige Genuschel von Oberflüstertüte David Best langweilt mittlerweile gewaltig. Die seinerzeit aus der Not gesanglichen Unvermögens geborene Pointe hat mittlerweile etwas unangenehm Gezwungenes und Inszeniertes und levelt die Songs ein wie ein grauer Mao-Kittel. Ein erklärtes Vorbild wie Sly Stone wäre hier zur Orientierung hilfreich gewesen.

Das ist schade, pulsiert in vielen Tracks doch ein leicht subversives Herz mit interessanten Brüchen und intelligenten Gimmicks. Nummern wie "Split Milk" oder "Tinsel & Glitter" hätte man mit ein wenig gleißender Industrial-Kälte oder glühender Funk-Hitze zum Vereisen oder Kochen gebracht.

Nun verfügen die sympathischen Alternative-Jungs in etwa über so viel natürliche Dekadenz wie ein Albino Pigmente hat. Was diesbezüglich als Charaktereigenschaft liebenswert anmutet, tötet die Mehrheit der Lieder leider schon im Ansatz.

Denn: So man sich auf den selten heilbringenden Pfad der Lounge und des Muzak begibt, braucht man schon ein gerüttelt Maß an sich selbst genügender Einzigartigkeit. Dieter Meier hat mit Yellos "Desire" bereits anno 1985 gezeigt, wie man so etwas anständig macht, ohne Flickschusterei zu betreiben. Die Fujiyas hingegen erreichen mit der gezwungen schnöseligen Kompatibilitätsproduktion nicht im Ansatz den Weisheitsgrad eines Miyagi.

Das ist umso erstaunlicher, als sie mit Indie-Folk-König Thom Monahan (u.a. Devendra Banhart und Pernice Brothers) einen Producer an ihrer Seite wussten, der normalerweise ganz genau spürt, wo die rote Linie zwischen roh und gefällig verläuft.

Man kann nur hoffen, dass diese bemerkenswerte Band endlich den nächsten Schritt über die künstlerische Klippe geht, ohne dauernd auf Netz und doppelten Boden zu schielen.

Trackliste

  1. 1. Ventriloquizzing
  2. 2. Sixteen Shades Of Black & Blue
  3. 3. Cat Got Your Tongue
  4. 4. Taiwanese Boots
  5. 5. Yoyo
  6. 6. Pills
  7. 7. OK
  8. 8. Minestrone
  9. 9. Spilt Milk
  10. 10. Tinsel & Glitter
  11. 11. Universe

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