laut.de-Kritik
Die Stimme hört man zwei Städte weiter.
Review von Franz MauererFuture Static sind nicht etwa die Kinder von Wayne Static, sondern kommen aus Melbourne. Sie haben mit dem guten Wayne, der sich die Haare im Himmel gelt, aber mindestens eines gemeinsam: Sie machen harte Musik, die Spaß macht und melodisch ist, ohne in den Pop abzurutschen. "Liminality" heißt das Debüt des Quintetts und schon auf der Single "The Hourglass" wird klar, dass Sängerin Amariah Cook so schlecht nicht ist, um nicht zu sagen: Die singt dem Bayern die Lederhosen weg mit ihren ansatzlosen, gutturalen Growls zu Songbeginn. Auf dem Track hilft Bassistin Kira Neil übrigens am Mikrofon fleißig aus, was sie sonst songentscheidend nur auf "Chemical Lobotomy" tut, und es entwickelt sich eine löbliche Dynamik zwischen den beiden.
Den Druck kriegt Cook aber auch allein ganz gut hin und es ist ebenfalls "The Hourglass" bereits anzuhören, dass der Rest der Truppe im Wesentlichen den Boden bereiten soll für Cooks druckvolles Organ. Das ist aber völlig in Ordnung, wenn es so kompetent und mit Verve umgesetzt wird. Das gilt im Übrigen auch für die weitere Single "Roach Queen", in der Cook in der ersten Strophe eine dermaßen starke Leistung abliefert, dass es eine Freude ist. Der Song verflacht danach etwas, ohne schlecht zu werden und zeigt, dass Cooks brachiale Dynamik in hochtrabenden, dramatischen Refrains teils fast schon verschwendet ist. Der Song brilliert genau dann, wenn Neils Bass und Cooks Stimme gemeinsam angreifen dürfen.
Das konnte man schon beim im Sommer veröffentlichten Cover von Yankees "Gasolina" erahnen, wo Cook beim Aufbau zum Refrain gefühlt ihre Stimmbänder auskotzt und eine bemerkenswerte Leistung zeigt. Seltsam, dass das Ding nicht erfolgreicher wurde, auf "Liminality" fehlt es jedenfalls. Der Albumtitel beschreibt ethnologisch den Zustand, nachdem Teile von Gruppen sich von diesen Gruppen nach ritualisierten Mustern gelöst haben. Gerade als Debütname eine ganz nette Idee und wieder was gelernt. Klarer, weniger übersteuerter Gesang passt, wie die dritte Single "Waves" zeigt, ganz gut zur insgesamt von den Gitarristen Jack Smith und Ryan Qualizza geprägten, leicht unterkühlten Sound-Ästhetik der Band. Cook hätte ohne Probleme auch bei Lebanon Hanover einsteigen können, das zeigen die recht technischen Songs "Venenosa" und "...And The Walls That Were Built" ebenfalls, auf denen Cook mit klaren, nicht schrillen Passagen positiv auffällt.
Die Scheibe beginnt mit dem bereits genannten "Chemical Lobotomy", das deutlich poppiger ausfällt als alle folgenden Songs, wobei der Metalpop der Australier offensichtlich mehr von moderneren Vertretern des Metalcore inspiriert ist und nie etwa nach Good Charlotte klingt. Auch hier ist der stärkste Part nach circa einem Drittel, wenn Cook freidrehen darf, nur: Der Refrain dominiert den Rest des Songs und da fehlt dann schnell mal der Kontrast odre ein Drop. Das Songwriting bemüht sich wie auf dem zunächst freundlichen, sich dann ins Hässliche schälenden "Will I?" um Abwechslung vom Metalcore-Einmaleins. Auch diesen Song hebt vor allem Cook über den Durchschnitt mit einer geschrienen Passage, die sie in schwierigem Mid-Tempo beeindruckend durchzieht.
"Liminality" ist ein Schaulaufen für die junge Australierin, die "Icarus" zum Schluss gemeinsam mit Drummer Jackson Trudel zerfetzt, bis sich wirklich gar nichts mehr bewegt. Albumhighlight "Iliad" holt Luke Taylor von Heartline ans Mikrofon, der hervorragend abliefert. Beide harmonieren gut nebeneinander, sie versuchen erst gar nicht, sich zusammenzutun, sondern wechseln sich ab, was dem nur zweiminütigen Vorschlaghammer an Song noch einen zusätzlichen Schuss Dringlichkeit gibt. "Halfway Across The World" ist nur eine Athmo-Demo für "Plated Gold" mit Sean Harmanis von Make Them Suffer, der herausragend dynamisch auftritt. Leider zwingt der Song Cook meist wieder in die Rolle der Sirene, weil dem Songwriting außer Refraingewichse nicht viel einfällt. Der Abschluss "Embers" macht es auch nicht viel besser. Das macht "Liminality" aber trotzdem zu einem der spaßigsten Metalcore-Alben des Jahres. Insbesondere schmälert es nicht im Geringsten die Freude über diese Urgewalt am Mikrofon, von der man noch viel hören möchte.
1 Kommentar
Meine einzigen 5* in diesem Jahr, gehen an dieses Album. Wow. Was für eine Stimme, was für ein Sound. Wenn ich zwischendurch kurz an Paramore dachte, wurde ich sofort wieder eines Besseren belehrt. Das klingt nämlich besser! Und das ist ja erst das Debut. Da kommt noch einiges. Kanns kaum erwarten!