3. November 2023

"Es gibt schon viele Songs über die Liebe, aber ..."

Interview geführt von

Ich verfolge Futurebae schon eine Weile, ehrlicherweise vor allem, weil sie einen ziemlich coolen Rappernamen hat und ich in einer Welt leben will, in der unsere Rapstars Futurebae und nicht Elias heißen.

Als sich dann aber hinter ihrem Durchbruchs-Hit "Coca Cabana" abgezeichnet hat, dass da einiges mehr an musikalischer Facette in diesem Projekt stecken könnte, war ich erst recht mit der Aufmerksamkeit am Start: In ihrem neuen Album "Berlin Love Affair" zeigt sie erstmals, was wirklich in ihr steckt. In einem Cafe in der Nähe des Oranienplatzes lenkt sich unsere Aufmerksamkeit allerdings erst einmal nicht auf Musik, sondern auf ... Crocs?

Futurebae: Nein, die Crocs habe ich schon getragen, da war das noch nicht einmal ein Ding! Das hatte so total praktische Gründe: Ich war irgendwo, wo es schlammig war und ich brauchte irgendwas, das man leicht trocken kriegt. Crocs sind dafür ja prädestiniert - die kannst du einfach abwaschen und gut ist. Am Anfang wurde ich auch dafür ausgelacht und irgendwann sind die dann Trend geworden und ich dachte mir nur so (gestikuliert gewinnend) I did it first!

Meine Mutter, die alte Trendsetterin, trägt auch immer Crocs im Garten. Wann ist das eigentlich gekommen, dass die so ein Hype-Objekt geworden sind? Wegen der Balenciaga-Crocs-Kollaboration? Oder haben Leute einfach einen Trends aus diesem "was wenn wir's ironisch tragen" gemacht?

Gute Frage. Ist ja oft so mit Sachen, die so als ugly geltend staren. Birkenstock find ich ja krass, das ist ja eigentlich aus dem Norden und hatten ihren Firmensitz irgendwo grob in der Region, wo ich aufgewachsen bin. Deswegen hatten wir immer schon Birkenstocks. Immer!

Das heißt, du hast so den Birkenstock-Lokalpatriotismus?

Auf jeden Fall! Hausschuhe, alles, Birkenstocks-Forever. Das ist aber so: Vor ein paar Jahren wurde Birkenstock aufgekauft vom zweitreichsten Mann der Welt, dem auch Fendi gehört. Der will das jetzt auf so eine Designer-Ebene heben, deswegen ist das auch teurer geworden. Es ist nicht mehr das, was es mal war!

Irgendwie absurd, wenn man so drüber nachdenkt.

Aber deswegen sieht man die jetzt halt so oft überall. Vorher waren es ja ein bisschen upcoming Streetstyle, aber der hat es jetzt geschafft. Und seitdem produzieren die auch nicht mehr hier. Oder zumindest gibt es das Outlet nicht mehr, wo ich immer die Schnäppchen gemacht habe (lacht).

Aber irgendwie witzig, weil das gut an eine Frage andockt, die ich dir eh stellen wollte: Deine Musik arbeitet ja doch viel mit Nostalgie-Zyklen. Gerade die Achtziger, aber auch die 2000er sind wichtig für deine Ästhetik. Was reizt dich an diesen Vergangenheitsbezügen?

Ich find immer wieder spannend, wenn Vorhandenes neu interpretiert wird. Das man quasi aus dem Gefühl von "ach, damals" und "die Musik war so toll", das zum Verherrlichen einlädt und dazu, nur die schönen Dinge zu sehen, etwas macht. Und ich mag diesen Punkt von: Was ist, wenn wir das, was es gab, nochmal machen und auf unsere Zeit interpretieren. Das finde ich irgendwie schön. Es muss immer so eine Generation überspringen; es darf nicht das sein, was die Eltern cool finden, aber bestenfalls ist es das, was die Großeltern cool finden. Das ist irgendwie lustig!

Hast du ein Beispiel dafür, wie du auf deinem neuen Album so ein altes Material genommen und in die neue Zeit gebracht hast?

Ich glaube das wäre ein bisschen zu konstruiert. Wenn ich Musik mache, dann mache ich sie intuitiv. Ich glaube alles, wo man dann Vergleiche drinne sieht, ist eigentlich nie beabsichtigt. Das ist wahrscheinlich geprägt von dem, was ich höre und womit ich mich gerade befasse - aber es ist nie so, dass ich bewusst sage: Da gab es den und den Sound und die und die Drums, die möchte ich jetzt. Es ist klar gewesen, zum Beispiel bei dem "LMMA"-Track, da haben wir uns lang gefragt, was für Drums wir nehmen, ob wir die einspielen oder nicht. Am Ende ist es eine Kombi geworden, wir haben sowohl die elektronischen drauf und die eingespielten obendrüber.

Witzig, genau über den Song wollte ich eh reden! Das ist der Song, der sich mit seinem fiesen Pop-Punk-Refrain am meisten wie eine Referenz anfühlt, von der Attitüde auch ein bisschen an Tic Tac Toe erinnert; aber da war keine geplante Referenz im Spiel?

Bei dem Song ist das Spannende: Der ist eigentlich entstanden durch die Energie von Enzo, der hat das produziert und er ist ein begnadeter Gitarrist. Der spielt dann immer so vor sich hin und irgendwann habe ich einen Moment daraus gefunden und habe gesagt: Das! Das ist richtig geil! Darauf hat all das aufgebaut, und ich wollte halt auch ein bisschen pöbeln und ich wollte diese Stimme, die ich da habe, die ist ja schon ein bisschen präsenter als die zarte, die man sonst viel von mir gehört hat. Damit wollte ich rumexperimentieren. So ist das entstanden: Durch meine Tic Tac Toe-Liebe habe ich gemerkt, dass die Stimme ruhig pöbelig sein darf, sie ist nicht automatisch nervig-pöbelig. Und wenn doch, ist das auch kein Ding.

"Ich bin eine Slay-Queen."

Du hast in deiner jungen Karriere ja bisher nur EPs gemacht und ich war tatsächlich sehr froh, dass ich gehört habe, dass es jetzt ein Album wird. Über dem Album als Medium schwebt ja seit Längerem ein gewisser Fatalismus. War das vom Prozess her sehr anderes als eine EP?

Es war auf jeden Fall ein sehr intensiver und spannender Prozess. Es ist für mich einfach ein Traum, ein Album zu machen. Ich liebe es, wenn man sich hinsetzt und ein Album durchhört - und ich liebe es, wenn Musik nicht so schnelllebig ist und dieses "man produziert schnell, dann wird es schnell rausgeballert"; ich mag das, wenn Sachen eine zweite Ebene haben. Wenn Songs wie eine kleine Serie haben. Dass die sich aufeinander beziehen und untereinander Sinn ergeben und dass man eintaucht und sich darin verlieren kann. Deswegen war das immer ein Traum, das zu machen.

Der Prozess war auf jeden Fall anders, weil ich wusste, ich will eine Story erzählen und ich will sie über mehrere Songs erzählen. Das hatte ich vorher bei den EPs nicht gehabt. Da war das eher so "geil, die Songs passen, lass sie auf eine EP machen". Jetzt war es eher so, dass ich wirklich will, dass es rund ist und die Geschichte greift.

Im Interview mit den Kolleg*innen von MZEE hast du ja schon einmal erwähnt, dass es für dich ein Prozess war, dir zuzugestehen, dass du etwas zu erzählen hast. Kannst du sagen, was der erzählerische Funke in diesem Projekt war?

Ich hab gewusst, ich will über die Liebe schreiben, weil das in der Zeit, in der ich geschrieben habe, ein sehr präsentes Thema war. Es gibt schon eine Menge Songs über die Liebe, aber ich dachte, ich wollte die ergänzen. Zum Beispiel bei diesem "Trostpflaster"-Song, da wollte ich in dieses unangenehme Gefühl reingehen, für das man sich eigentlich schämt, über das man nicht freudig ist, aber das vermutlich viele von beiden Seiten kennen.

Man war schon die Erzählerin, man war schon die Person auf der anderen Seite.

Ja genau, und das will ich einfach sage. Ich wollte meine Seite der Geschichte erzählen.

Machst du dir generell viele Gedanken darüber, welche Person so rüberkommt, wenn man deine Musik hört?

Nee, gar nicht. Es ist mehr, dass viele darauf warten, dass ich sehr glückliche Songs mache. Meine bekannteste Musik ist ja immer noch der "Immer Sommer"- und der "Coca Cabana"-Track. Beides Songs, die nicht gerade Tiefgang haben. Aber ich wusste immer, dass ich eigentlich mehr erzählen will. In meinen ganz frühen Sachen, da habe ich auch schon über sehr emotionale Sachen gesprochen. Ich find's wichtig, dass nicht alles zu happy ist. Wir brauchen Songs, die uns glücklich machen, aber wir brauchen auch Songs über das Schmerzhafte und Unangenehme.

Wenn du sagst, du willst über Liebe schreiben, kannst du außerhalb von "Trostpflaster" sagen, welche Facetten davon noch untererforscht sind?

Als ich das Album geschrieben habe, war ich schon sehr unglücklich, tatsächlich. Ich hatte bisschen Liebeskummer und war genervt von sehr vielen Dingen, und auch in meinem Umfeld waren alle so unglücklich und hatten schlechte Dating-Erfahrung. Ich wollte deswegen so als Selbsttherapie ein bisschen Schmerz auslassen. Nach dem Motto: Hier habt ihr einen Song zum Sauersein, viel Spaß. Aber aus dem Schmerz kann Stärke entstehen. Das wäre dann der Übergang zu "Slay":

Der Übergang vom traurigen Part zum Powerpart. Aber ich wollte auch einen Moment mit "Süchtig", wo man die Liebe einfach zelebriert. Es hat einen absoluten Tiefpunkt, aber wo die EPs sich immer darin bewegt haben, auf der Suche nach sich selbst zu sein, hat das Album den direkt am Anfang mit "Monster Unterm Bett": Ich habe Bindungsangst, wie gehe ich damit um, wie schaffe ich es, mich auf jemanden einzulassen? Bei sich startend, aber dann auch eine Ebene weitergehend, dann steht jemand vor mir und es ist so ein On-Off-Spiel. Dass ich aber auch lernen muss, dass ich es wert bin, ordentlich behandelt zu werden. Ich bin eine Slay-Queen.

"Am Ende hat man einen großen Teller mit viel Soße."

Es ist eigentlich eine unkonventionelle Album-Struktur: Es fängt in der Krise an, schält sich raus und fällt am Ende dann doch ein bisschen wieder dahin zurück. Ein Anti-Kreis, quasi. Aber ich wollte tatsächlich vor allem auch über "Süchtig" reden, weil das mein Lieblingssong auf dem Album ist. Kam dir so eine Power-Ballade natürlich?

Der Song ist sehr, äh, gar nicht klassisch entstanden. Ich war im Studio und saß eigentlich an einem ganz anderen Song dran, aber ich habe mal wieder bemerkt, dass ich nicht auf Sachen schreiben kann, die ich nicht fühle. Ich kam nicht weiter und musste überlegen, was wir heute eigentlich machen. Momme war mit dabei, und wir sind in den anderen Raum gegangen, und er hat angefangen, Klavier zu spielen. Vor sich hin. Irgendwie kam mir dann, als er gespielt hat, diese Melodie in den Sinn und auch der Text. Der ist wahnsinnig krass aus mir raus geflossen. Der Vocal-Take ist der Erste, den wir hatten. Und diese Magie merkt man dem Song an. Der ist nicht überproduziert - der ist raw.

Ja, genau! Vielleicht ist das, was ich an deiner Musik bisher ein bisschen vermisst habe, die Ecken und Kanten. Ich bin so froh, dass das Albumformat dir das entlockt hat.

Ich war selber überrascht, was mit meiner Stimme eigentlich möglich war. So tolle Töne! (lacht) Das klingt so blöd! Ich bin ja selber noch am entdecken. Ich mag das Bild: Mit der ersten EP habe ich das Laufen gelernt, ich war sehr glücklich, aber langsam kann ich rennen, auch wenn ich manchmal hinfalle. Aber ich werde immer besser. Ich habe immer mehr Vertrauen in mich und meine Stimme. Im Album habe ich das im Schreibprozess und in den Vocals gemerkt.

Ich habe das Gefühl, es hat dir vor allem erlaubt, nicht mehr so auf Singles zu schreiben. Der Outro zum Beispiel: Das wirkte wie so ein Cut, der nur Platz hat, wenn nicht jeder Song ein Hit-Hit sein muss.

Mit dem Outro ist es lustig, weil ich hatte schon den Albumtitel, aber noch keinen Track, der so hieß. Dann waren wir im Brandenburg und haben am Ende vier, fünf Tage im Studio verbracht und hin und her geschoben und überlegt, welche Songs am Ende auf dem Album landen. Ein Ende, das wussten wir, fehlt noch. Der mit dem Albumtitel auch. Dann ist der entstanden und der klang noch mal anders, der ist noch mal eine andere Emotion. Mir war wichtig, dass jede Emotion sein eigenes Soundbild hat. Dass der rote Faden nicht das Soundbild ist, sondern die Geschichte. Wie wenn man in Farben denkt.

Kannst du das ein bisschen genauer erklären?

Süchtig steht ja als Klavierballade für sich, weil auch dieses Gefühl sehr für sich steht. Dieser "LMMA"-Song, dieses Peak-Wütendsein, ist ja auch sehr gitarrig im Sound. Bei "Automatisch", wo alles gut ist, da flufft es vor sich hin und es ist auch fluffig. Und jedes Gefühl hat so seinen Sound. Alles ist wie so eine Zutat zum Gericht - am Ende hat man einen großen Teller mit viel Soße.

Weiterlesen

LAUT.DE-PORTRÄT Futurebae

Vielleicht wirkt es so, als wäre Futurebae 2020 aus dem Nichts mit einem Sound und Connections gekommen; das wäre immerhin das Bild, das ihr Spotify-Profil …

Noch keine Kommentare