laut.de-Kritik
Steht für sich wie ein Wolkenkratzer.
Review von David Hilzendegen1998: Während hierzulande die politische Ära Kohl nach 16 Jahren endet, erlebt die Musikwelt Umstürze ganz anderer Art. DMX wirft sein Debüt "It's Dark And Hell Is Hot" auf den Markt, Jay-Z entert mit Kinderchor und "It's A Hard Knock Life" die Singlecharts der kompletten westlichen Welt. Und irgendwo dazwischen errichten Gang Starr ihr eigenes Denkmal.
DJ Premier und Guru sind zu diesem Zeit schon lange kein Geheimtipp mehr, wenngleich das Duo von den Verkaufszahlen der oben Genannten nur träumen kann. Alle Gang Starr-Alben sind für sich Klassiker, doch "Moment Of Truth" verändert den Hip Hop nachhaltig – und ist damit gleichzeitig Fluch und Segen für DJ Premier.
Zum einen manifestiert der Meilenstein einen Kultstatus, den in der New School bis dato höchstens der RZA aus dem Wu-Tang Clan erreicht. Neu ist der Sound, den Gang Starr vier Jahre nach "Hard To Earn" auf Platte pressen freilich nicht. Eher aufgemotzt, modernisiert und der damaligen Zeit angepasst. Oder, um es mit Gurus Worten zu sagen: "So you know the rhyme style is elevated. The style of beats is elevated, but it's still Guru and Premier."
Allzu verspielte Jazz-Sounds hat Premo 1998 nicht in petto. Dafür in einem nicht gekannten Maße markante, einnehmende Beats, die selbstverständlich ihre Wurzeln in Soul, Funk und Jazz haben. Größen wie Les McCann, die Supremes oder Billy Paul liefern die Originale, aus denen Premier seine Beats zusammenklaubt. Meist genügen ein oder zwei Loops, groovige Bässe und trockene Snares, gepaart mit gezielt eingesetzten Vocal-Samples und Scratches, um den typischen Premo-Sound zu kreieren.
In der Einfachheit liegt der Trumpf. Und der angedeutete Fluch. Premier führt seine Generation an, ist bald omnipräsent – und produziert Überdruss. Den Vorwurf, sich ständig zu wiederholen wird er über Jahre hinaus nicht mehr abstreifen können. Was bleibt sind legendäre Kopfnicker wie "You Know My Steez", die kommerziell erfolgreichste Single des Duos, oder "The Militia (ft. Big Shug & Freddie Foxxx)", das damals auf keiner Hip Hop-Party fehlt.
Anders ergeht es Guru, der sich mit seinem monotonen Flow und intelligenten und tiefgehenden Lyrics schon lange einen Platz in den Annalen des Hip Hop errapt hat: "If I wasn't kickin rhymes I'd be kickin down doors." Verschiedene Gäste wie M.O.P, Freddie Foxxx und Scarface unterstützen den Meister nach Kräften, gefährden dessen Alpha-Rolle jedoch nicht. Anders als Inspectah Deck, der bei "Above The Clouds" wohl eines der besten Gastspiele der Hip Hop-Geschichte abliefert.
Fünf Jahre steht "Moment Of Truth" für sich wie ein Wolkenkratzer, dann feiern Gang Starr 2003 mit "The Ownerz" ein gelungenes Comeback, das aber bei weitem nicht die gekannte Klasse erreicht.
Sieben weitere Jahre später stirbt Guru an einem Krebsleiden. Sein Denkmal hat er sich zu diesem Zeitpunkt schon längst unumstößlich errichtet. Auch und vor allem mit "Moment Of Truth". DJ Premier wusste das in "Royalty" schon zwölf Jahre vor dem Trauerfall: "Underground will live forever baby. We're just like roaches, never dyin', always livin'."
In der Rubrik "Meilensteine" stellen wir Albumklassiker vor, die die Musikgeschichte oder zumindest unser Leben nachhaltig verändert haben. Unabhängig von Genre-Zuordnungen soll es sich um Platten handeln, die jeder Musikfan gehört haben muss.
10 Kommentare
Gutes Thema für die ebenso gute Rubrik Meilensteine. Ne echte Bereicherung für die Seite!! Allerdings finde ich, das man da mehr hätte rausholen können, wenn man sich mal die anderen Meilenstein Reviews durchliest. Außerdem sollte man die Meilensteine auch zu den normalen Reviews tun, damit man die nicht so leicht übersieht.
Ich würd mir ne Review zu Quasimotos The Unseen wünschen. Sollte nach 11 Jahren auch locker als Klassiker durchgehen.
Tolle Review. Eines meiner Lieblings Hip-Hop Alben. Ach was hab ich die Scheibe rauf und runter gehört und tue es immer noch.
Zu den Songs muss man nicht viel schreiben, die stehen eh alle für sich.
R.I.P. Guru - einer der besten und er wird es auch immer bleiben
mal ne hiphop-rezi, die auch für genre-aliens wie mich - allein schon durch die fast zärtliche sinnlichkeit in der beschreibung - den ganzen kram interessant macht. ich werd da mal reinhören.
jetzt, wo ich deine würdigung f guru lese, david, wird mir auch klar, warum du zu recht nicht hilzenkeule heißt.
im nachhinein ist es immer leicht, den klassikerstatus zu erkennen. wäre das album frisch gekommen, hätte es wohl eine 2/5 klatsche gegeben, die 2 für die guten beats. siehe the chronik 2001.
aber trotzdem schön, dass ihr es huldigt. ihr HHspezialisten.
MEILENSTEIN
Hab das grad mal wieder gehört. Ohne scheiß Tränen in den Augen gehabt. Einfach so gut