laut.de-Kritik
Multitalentiert, spirituell, eigensinnig und einzigartig.
Review von Alexander EngelenEinen Ritterschlag der besonderen Art durfte sich Georgia Anne Muldrow jüngst auf die Schultern niedergehen lassen. Mos Def schwärmte im Feuilleton der New York Times in höchsten Tönen von dem Multitalent. O-Ton: "She's incredible. She's like Flack, Nina Simone, Ella, she's something else. She's like religion." Und weiter: "If people love Amy Winehouse, they're going to get their minds blown when they hear Georgia Anne Muldrow."
Bei so viel Süßholzraspelei bleibt einem schon mal die Spucke weg. Aber eigentlich hat der Boogie Man ja Recht. In der sich stets repetierenden Schnittmenge aus R'n'B und Hip Hop darf man kreative Freigeister wie die Frühzwanzigerin von der Westküste getrost als Messias feiern. An Talent fehlt es jedenfalls nicht.
Wieso der Mainstream Fräulein Muldrow noch nicht zu Füßen liegt, lässt nur mit ihrem nicht-existenten Sex-Image oder den weichgespülten Hörgewohnheiten des Publikums erklären. Ja, Georgia Anne Muldrow hat das Potential, eine der Großen zu werden. Eine Simone, eine Hill – multitalentiert, spirituell, eigensinnig und einzigartig.
Darüber hinaus ist sie fleißig. Das komplett selbst produzierte Debüt "Olesi: Fragments of An Earth" liegt knapp drei Jahre zurück. Es folgten die Zusammenarbeit mit Dudley Perkins, "The Message Uni Versa", Kollaborationen mit Sa-Ra, den Platinum Pied Pipers, J*DaVeY und Mos Def, sowie jetzt ihr Produktionsdebüt als Ms. One.
Obwohl "Ms. One & The Gang" wenig von dem im steten Fluss der Ersetzbarkeit dümpelnden Mainstream-Hip Hop hat, bekommen die Zuhörer genau das, was sie von der freigeistigen Traumtänzerin gewohnt sind: more of the same aus dem Mikrokosmos von Muldrows "Message Universa": organische Beat-Gerüste, free-jazzige Melodien, schräg akzentuierte Gesänge, Inhalte aus dem Grundkurs "Wir machen die Welt zu einem besseren Ort" und, ja, ganz viel Liebe. Denn: "Love is the most important thing because love made everything!" So lass' ich mich gerne von einem Hip Hop-Album belehren. Hass gibt es im Moment schließlich genug.
Ganz viel Liebe hat Georgia Anne Muldrow für punktgenau neben das Metronom gesetzte Drum Patterns Madlib'scher Prägung, für wobblige Synth-Sätze aus dem Parliament/Funkadelic-Baukasten der Auflage 2009, sowie für die Leftfield-Garde des kontemporären Rap-Genres.
Aus dieser Mischung entstehen düster tropfende Future Backpacker-Tracks wie "Far Behind" mit dem so talentierten wie unbekannten Dudley Perkins-Protege Ilicit Child. Ähnlich futuristisch begibt sich Mortonette Stephens auf betörenden Dorfdisco-Reggae-Keys zum "Magic Walk Through Space". Die Chefin selbst lässt es gesanglich nicht weniger schräg, dafür musikalisch deutlich pointierter angehen (Schellen und Becken!), wenn sie einmal mehr den Weltfrieden herbeinölt: "Let peeeeeeaaaace prevaaaaaaaaaiiiiiiiiiiiil on eeeeeeaaaaarth!" Einfach großartig!
Gemeinsam mit Stacy Epps, Jimeta Rose, Daryl "D-Moe" Moore, Ms. Dezy, Nickie BB, Eagle Nebula, Sopretti und Bruder im Geiste Declaime wird eine Phase der afroamerikanischen Musikgeschichte nach der anderen synkopiert, so dass es jedem Major-A&R die Fußnägel aufstellen würde. Georgia Anne Muldrow packt jedoch alles so unverklemmt zusammen, dass man den Schritt, den man auf sie zumachen muss, keinesfalls bereut.
Wie fragt sie schließlich so schön wie schräg auf dem letzten Track in ihrem verqueren, sympathischen Singsang? "Have we time to dance and celebrate what is left?" Keine Sorge Georgia, Mos und ich wären dabei!
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Review zur aktuellen Muldrow-Scheibe "Kings Ballad": http://taki183.wordpress.com/2010/02/10/ge…