laut.de-Kritik
Die hätte sogar Margaret Thatcher für seelenlose Spießer gehalten.
Review von Yannik GölzDavid Guetta oder Marshmello besitzen als Produzenten die ziemlich unheimliche Fähigkeit, Persönlichkeit aus ihren Gast-Stimmen zu wringen, bis nur noch musikalisches Wallpaper übrig bleibt. Das ist, wie moderner EDM oft funktioniert; man lässt lieber einen treibenden Beat oder einen Drop regeln. Was passiert aber, wenn noch inkompetentere Produzenten auf Sänger treffen, die davor schon keine Persönlichkeit mitbrachten? Das zehn Jahre-Best of von Gestört aber Geil beweist: Alles, nur keine Magie.
Vierzig Songs lang transportiert diese Platte ihren Hörer auf die mittelmäßigste Hausparty der Welt. In irgendeiner Ecke jubeln Psychologie-Ersties beim Bierpong, beim Rauchen schweigen sie alle, niemand tanzt, irgendjemand will die ganze Zeit ein Gespräch über Bitcoin anfangen und man sucht irgendwo ein Haustier, an das man sich klammern kann, bis die unerschöpflich zähflüssige Laufzeit des Albums durch die Sanduhr getröpfelt ist.
Gnädigerweise stellt sich beim Hören von Gestört Aber Geil schnell der "vor dem Fernsehen einschlafen"-Effekt ein. Die maximal stromlinienförmige Soundgestaltung aalt sich so glitschig an den Ohren vorbei, dass man verlässlich alle dritte Minute vergisst, dass man gerade Musik hört. Manchmal fühlt man sich in Zeiten langer Autofahrten zurückversetzt, als man irgendwann mit der Wange gegen die Scheibe gepresst kurz aufwacht, kilometerweise Autobahn zieht am Fenster vorbei und die ausländische Radio-Station spielt irgendetwas, das wohl die 2000er-Billo-Version der heutigen Chillectro-Playlist auf Spotify sein musste. Man döst wieder ein, irgendwo hinter Ljubljana eine Singstimme und ein monoton beruhigendes Unz-Unz-Unz.
Entsprechend entzieht sich auch die Musik einer genaueren Beschreibung. Sie existiert. Sie verhält sich zu einem Lautsprecher etwa wie der Windows XP-Bildschirmschoner sich zu einem Monitor verhält. Sie hält ihn beschäftigt, ist aber trotzdem der minimalste Gebrauchszweck, dem man das Gerät unterziehen könnte. Brian Eno könnte keine Musik komponieren, die sich schneller in den Hintergrund verflüchtigt, wenn er es noch einmal darauf angelegt hätte. Die Ästhetik von Gestört aber Geil ist so verwoben mit Reisebüros, F-Jugend-Fußballturnieren oder Großraumdiskos im ländlichen Raum, dass das Unterbewusstsein es wahrscheinlich intuitiv in die selbe Schublade einordnet, in die auch Werbe-Dauerbeschallung eingeordnet wird. Was Gestört Aber Geil da im eigenen Unterbewusstsein anstellen, will man indes gar nicht wissen.
Dabei gastiert auf dieser Platte ja zumindest ein kleines Who is Who der momentanen Deutschpop-Generation. Who is Who in diesem Sinne bitte mit "pardon, wer ist das nochmal?" übersetzen. Im ernst, warum klingt diese Musik, als würden da Stockphotos singen? Die eigene Oma würde all diesen Stimmchen bestimmt attestieren, dass das ganz charmante junge Männner und Frauen seien. Bestimmt haben sie alle gute Abschlüsse in BWL und Jura.
Es ist schwer zu sagen, was es mit deutschem Pop und dieser unbarmherzigen Belanglosigkeit auf sich hat; dabei klingen Leute wie Wincent Weiß oder LEA ja schon irgendwie so, als glaubten sie zumindest selbst daran, etwas zu sagen. Ersterer fragt am Ende von "Unter Meiner Haut", ob wir nicht mal wieder Panic! At The Disco hören wollen. "Ja!", möchte man zurückschreien, "wie wäre es mit jetzt gleich? Können wir das AUX-Kabel kapern? Die Gastgeber spielen den ganzen Abend schon nur so langweiligen deutschen Pseudo-House!"
Vielleicht ist das Problem ja diese völlig von jeder Persönlichkeit und jedem Humor bar geschrubbte Ernsthaftigkeit. Auf dem "DJ Antoine vs Mad Mark Remix" von "Repeat" singt ein Kerl namens Benne vom "Sommer seines Lebens in Berlin". Wie all seine Kollegen klingen seine Lyrics wie Whatsapp-Textnachrichten, bei denen man um vier Uhr morgens dachte, man müsse jetzt irgendetwas besonders Scharfsinniges und Poetisches sagen, damit der oder die Angebetete ja bemerkt, wie tiefsinnig der eigene Schöngeist ist. Und dieser vermaledeite Senden-Button macht das Redigieren knifflig. Aber wir alle mussten irgendwann lernen, dass diese Texte nicht so tiefgründig und klug sind, wie sie uns im Eifer des Gefechts vorkamen. Warum können Deutschpop-Barden das nicht auch irgendwann einmal lernen?
Ach ja, und noch einmal zum einhaken: Was ist es mit dieser Gruppe und ihrem Selbstverständnis von Kante? Gestört aber Geil, Mad Mark, "My Pain", irgendwie scheinen sie ja aller der Auffassung zu sein, sich abseits von irgendeiner Norm zu bewegen. Aber sorry, Jungs. Euch hätte sogar Margaret Thatcher für eine Bande seelenloser Spießer gehalten. Gestört Aber Geil besitzt Selbstreflektion wie Tante Gudrun auf Facebook. Es ist Musik, deren ultimatives Fazit auch ohne vierzig Songs Plagerei hätte gegeben werden können: Sie existiert, okay? Sie existiert.
3 Kommentare mit 11 Antworten
Eine treffende Rezension über Musik, die rundgelutschter und belangloser kaum sein könnte. Respekt dafür an den Rezensenten, dass er diese Worte, ja überhaupt irgendwelche Worte, für etwas dermaßen Scheißegales gefunden hat.
Und wo ist hier der Unterscheid zu K-Pop
K-Pop ist nur so populär, weil eine von Selbsthass zerfressende Generation nach einer neuen Identität in der Exotik sucht.
Selten so einen Schwachsinn gelesen.
Hättest wenigstens was von einer vollkommen verunsicherten Generation schreiben können, die sich in eine Barbiepuppenwelt hineinsehnt, um ja nicht mit dem Dreck von düsterem Alltag konfrontiert sein zu müssen, oder so ähnlich.
meine (grobschlichtige) theorie zum k-pop: k-pop ist eine momentaufnahme in einer logischen entwicklung. die stilistisch überbordenden, grellen videos sind die logische steigerung, um in der immer komplexer werdenden modernen informationsgesellschaft als subjekt wahrgenommen zu werden. überfordert von nahezu unbegrenzten möglichkeiten, aber auch großer unsicherheit versucht das subjekt diese komplexität zu reduzieren in dem es gefühle und ideale trivialisiert. durch diese trivialiserung versucht das subjekt in der gemeinschaft indentiätsräume zu schaffen bzw. zu finden, in dem es anerkennung und somit legitimität erfährt. die stumpfen texten sind somit der notwendig kontrast zur überbordenden "optik". was ich damit sagen will, k-pop ist weder dumm noch originell, er ist logisch.
Alter, such dir Hilfe. Mit dem Geschwurbel kannste direkt auf Meuris Blog einsteigen.
meine fachmännische theorie ist, dass kpop übel hart slappt und das da überhaupt nicht slappt
klingt plausibel
ermittli, eine gute idee, vielleicht kann ich ja eine hinterhofpsychoanalyse des k-pop auf ancientcave schreiben. werde mal den speedy fragen
Big props, nomansrap! Könnte von nem misanthropischen Philo-LKler oder nem Feuilletonisten geschrieben worden sein. Sozusagen Küchenpsychologie mit Anrichte aus Marmor. Is ja doch noch n guter Fred geworden.
ich sollte mehr kiffen
Quasi die Chainsmokers auf deutsch - 1/5 ist gerade so akzaptabel.
Die unterbieten die Chainsmokers locker.