29. Januar 2016
"30STM sind mir fast zuwider"
Interview geführt von Deborah KatonaKonstantin singt von der Liebe. Nach Weltuntergangsstimmung und großem Schwermut ein fast unerwartetes Projekt von Get Well Soon. Aber eben doch auch wieder nicht. Herr Gropper nämlich fordert sich selbst gern heraus; das sollte spätestens seit der Zusammenarbeit mit Rapper Casper klar sein. Und so suchte er sich für sein neuestes Werk eines der am meisten - wenn nicht sogar das am häufigsten besungene Thema heraus. Konstantin singt von der Liebe. Doch damit nicht genug der Herausforderung: "Love" ist ein Popalbum geworden. Ganz bewusst hat Gropper sich der Populärmusik hingegeben.
Bei diesen beiden, großen Themen hat er versucht, alle Ecken und Winkel zu erforschen. Er hat Groschenromane studiert und endlich die Pet Shop Boys verstanden. Er hat über das Klischee des romantischen Franzosen wie unromantischen Deutschen nachgedacht. Er hat Liebe als Mordmotiv Nummer 1 entdeckt und ist trotz allen Übels der Meinung, dass man dem Leben positiv begegnen sollte – es zumindest versuchen sollte. Mit Liebe.
Dementsprechend wenig Sorgen muss sich das deutschen Feuilleton um seinen Liebling machen. Gropper ist kein aalglatter Pop-Ken geworden. Und auch wenn ihm bewusst geworden ist, dass man Liebe als Begriff nicht fassen kann, so hat er mit "Love" einen durchaus gelungenen Versuch angestellt. Konstantin singt von der Liebe. Und spricht im Interview mit laut.de darüber.
Die Süddeutsche schreibt über dein neues Album: "Er wagt sich tief in den Pop hinein". War das wirklich ein Wagnis?
Konstantin Gropper: Naja, was heißt Wagnis ... Es hat mich nicht wahnsinnig viel Überwindung gekostet, es war eher eine geschmackliche Entscheidung. Sehr lange konnte ich mit Pop nichts anfangen, wie auch immer man das definiert. Ich habe versucht, woanders nach Inspiration zu suchen. Soundtracks, Folklore, Klassik – um eben daraus meinen eigenen Pop zu machen. Aber dieses Mal habe ich direkt gesucht. Die Referenzen, die da jetzt drauf sind, sind alle eher Pop. Das ist schon neu. Das Ergebnis ist vielleicht gar nicht groß anders, aber meine Herangehensweise war neu.
War das eine Herausforderung?
Es war eine Herausforderung, aber der stelle ich mich am Anfang sehr gerne. Die eine Herausforderung war: ich versuche jetzt wirklich Pop. Und die andere war, dass es das größte Popthema überhaupt ist.
Liebe. Ging es dir eher um das Thema oder um die Musik?
Das Thema Pop kam über die Musik, das andere war Zufall. Es passt eben so gut, weil Liebe so ein großes Popthema ist und ich mich für eine eher poppige Variante entschieden habe. Das hing aber nicht zusammen, sondern ist so passiert. Aber beides war meine Voraussetzung. Ich wollte nicht – wie bisher – gleich alles mitproduzieren und das Arrangement im Hinterkopf haben, sondern erst mal einfach mit Gitarre Songs schreiben.
Was macht für dich gute Musik aus?
Ganz wichtig ist auf jeden Fall, dass sie mich emotional kriegt und berührt. Aber ich erkenne gute Songs immer auch daran, dass ich sie oft hören kann. Trotzdem müssen sie beim ersten Mal schon funktionieren.
Hast du 'all time favourites'?
Naja, die 'all times favourites' der Welt, die Beatles und so, die sind schon unantastbar. Die Beach Boys. Das sind nicht zu unrecht Klassiker. Ich bin einerseits mit Klassik aufgewachsen und bin dann direkt eher zu Punk gewechselt. Pop hab ich als "die andere Seite" angesehen. In den letzten Jahren hab ich auch daran Gefallen gefunden und die Kunst daran gesehen, wenn du so willst.
Gab es eine Band, die dich so beeindruckt hat, dass du dieses Popalbum aufnehmen wolltest?
Es gab schon einen Moment, in dem ich verstanden habe, warum alle die Pet Shop Boys gut finden und ich bisher nicht. Die sind schon ganz schön großartig. Oder Tom Petty oder so was. Fand ich immer todlangweilig. Ich hab dann viel solche Musik gehört und auf einmal hat es mich total angesprochen. Ich hab mich vorher einfach gar nicht damit auseinander gesetzt oder wusste es nicht zu schätzen.
Kannst du als Musiklehrerkind Musik besser auseinander nehmen?
Das mit Sicherheit. Ich hab schon immer ganz viel Musik gehört und gemacht und bin dort sehr analytisch.
Also eher Kopf- als Herzmensch?
Wenn es um Musik geht, ist es mir schon wichtiger, dass sie mich emotional anspricht. Ich glaube, im zweiten Schritt bin ich jemand, der dann wissen will, warum mich das emotional anspricht. Das interessiert mich bis hin zu einer tatsächlich technischen Ebene.
Hast du ein Beispiel
Es gibt ja so Guilty Pleasure-Songs, bei denen gar nicht viel dahinter ist, die einen aber trotzdem kriegen. Das kann ich natürlich auch rausfinden: Ich kann mir das schön reden, weiß aber eigentlich ganz genau, dass alles an dem Song ganz schön wrong ist. Es gab mal so einen 30 Seconds To Mars-Song...
Die haben es mit der Eingängigkeit ganz schön drauf.
Eingängigkeit ist noch nicht mal der Punkt. Ohne Scheiß, das ist mir alles schon fast zuwider. Klar, das ist ein toller Schauspieler, aber wie die sich inszenieren, das ist null mein Ding. Das will man so hassen, aber irgendwie ... Ich kenn, ehrlich gesagt, aber nur den einen Song, mehr will ich auch gar nicht wissen.
"Man kann Liebe als Begriff nicht fassen"
Du hast schon einige gute Alben produziert. Jetzt kommt das nächste, das du "Love" genannt hast. Was bedeutet der Begriff für dich?
Das ist natürlich die ganz große Frage, die sich mir aufgedrängte. Das liegt so in der Natur dieses Themas – obwohl man weiß, dass es zu nichts führt, Liebe zu erklären oder irgendwas darüber rauszufinden. Du kannst darüber Geschichten erzählen und du kannst was darüber sagen, aber dich wirklich rational nähern und wirklich verstehen, geht, glaube ich, nicht. Wenn es eine Aussage zu diesem Album gibt, dann ist es diese: Man kann Liebe als Begriff nicht fassen. Das Rätsel, das die Liebe umgibt, obwohl sie so real ist...
In deinem Promozettel heißt es, die deutsche Romantik sei tot.
Die Epoche der Romantik ist ja schon etwas sehr Deutsches. Eine der wichtigsten und künstlerischsten literarischen Zeiten für Deutschland, und die ist seit fast 200 Jahren vorbei. Das meine ich damit. Deutsche Romantik steht für viele sicherlich auch im Widerspruch. Deutsche gelten ja eher als das Gegenteil. Deswegen muss man dazu sagen: Deutsche Romantik ist ein ganz großer und wichtiger Begriff, aber er bezieht sich nicht auf das Jetzt. Die Frage hab ich mir gestellt: Woran liegt das und was ist Romantik? Es geht natürlich um Klischees. Franzosen sind romantisch – Klischee. Was ist für Deutsche romantisch?
Hast du eine Antwort darauf?
Nö. Meine erste Assoziation war tatsächlich so was wie Rosamunde Pilcher. Oder so Volksmusik. Wobei das ja weniger mit Liebe als solches zu tun hat, deswegen bin ich bei den Groschenromanen gelandet.
"Meine Musik bietet mehr als auf den ersten Blick da ist"
Wie passt das Thema Liebe mit dem Album-Artwork zusammen?
Das ist die deutsche Romantik, ich wollte unbedingt ein Bild aus der Epoche.
Aber das Motiv ist nun nicht unbedingt lieblich.
Genau. Das finde ich auch so interessant an den Bildern der Romantik: Die haben ganz oft diese offensichtlich ästhetische Ebene von Idylle oder wie man das nennen will. Aber trotzdem haben die immer noch diese andere Ebene. Sie sind immer sehr doppelbödig - zumindest wenn man will. Und ein bisschen sehe ich so auch meine Musik. Die bietet vielleicht mehr an, als auf den ersten Blick da ist. Was ich an dem Zusammenhang zwischen Bild und Titel gut fand war, dass es keine denkenden Menschen sind, sondern eine Tierszene, an der man aber – wenn man will – sehr viel menschliche oder psychologische Züge der Liebe ablesen kann. Es sind ein kleiner und ein großer Bär, der schützt oder versorgt. Dann gibt es da noch Rivalität, ein dritter Bär kommt von hinten dazu. Es gibt vielleicht so was wie Neid, Trieb, etwas sehr Vegetatives. Ich fand es spannend, dass das eben im besten Sinne metaphorisch den Titel umsetzt. Fast schon allegorisch, sagenmäßig.
Du hast doppelbödig gesagt. Das lässt sich auch ganz gut auf das Video mit Udo Kier zu "It's Love" beziehen. Da geht der Begriff der Liebe über in ein Extrem. Wie kam es dazu?
Das ist quasi noch mal eine Ebene weiter. Die Idee stammt nicht von mir, sie ist eine Interpretation meines Textes. Als ich den Text geschrieben hab, hatte ich so ein Szenario überhaupt nicht im Sinn. Ich war erstaunt, wie gut der Text zu diesem Video passt. Ich kann mir das Video jetzt anschauen und meine Interpretation abgeben, dass das Video die Aussage hat: Auch das ist Liebe. Zumindest muss man das den Leuten glauben - so schrecklich es auch ist - wenn sie mit Liebe argumentieren. Die verwenden das Wort auch und die meinen und fühlen das auch.
Aber Liebe kann nicht als Entschuldigung gelten.
Nein, auf keinen Fall. In dem Video geht es gar nicht um eine moralische Ebene. Aber in diesen Fällen ist es ja oft das erste, was die Leute sagen: "Das ist Liebe, ich hab es gut gemeint." Oder auch bei so Leidenschaftsmorden, die sind noch immer Mordmotiv Nummer 1. Das kann man als halbwegs normaler Mensch nicht nachvollziehen, trotzdem muss man ihnen glauben. Das Video untermauert, wie weit der Begriff gefasst werden kann und von welcher völlig abgründigen Perspektive dieses Wort benutzt werden kann.
In deiner Biografie auf laut.de steht: Die Dinge stehen schlecht, sie sind aber dennoch lebenswert. Können wir das so stehen lassen?
Das klingt aber negativ! Ja, die Dinge stehen schlecht, aber mehr denn je stellt dieses Album klar, dass man der Sache auch positiv begegnen könnte – es zumindest versuchen sollte. Mit Liebe.
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