laut.de-Kritik
Wo ist die nächste Indie-Hymne?
Review von Andrea TopinkaUm ein Leerzeichen reicher läuten Gin Ga (früher Ginga) mit "Yes/No" drei Jahre nach ihrem Debüt die zweite Runde ein. Die Band aus Österreich profitiert beim Veröffentlichungszeitpunkt natürlich ein bisschen vom Hype um Landsmänner wie Ja, Panik oder Bilderbuch. Musikalisch weisen Gin Ga allerdings kaum Parallelen zu den Wortspielereien und ungewöhnlichen Ansätzen der genannten auf.
Das fängt schon damit an, dass sie auf Englisch texten, wobei man sich manchmal wünscht, sie würden auf ihre Muttersprache zurückgreifen und so inhaltlich etwas mehr liefern als "Just because you know how to make friends / Doesn't mean I take your commands" ("AA") oder "I'm counting the hours / You took what is ours" ("Lie").
Die Ausrichtung der Platte bedingt aber nun mal die Sprache: Statt in Nischen zu agieren, zielt "Yes/No" auf international verständlichen Indiepop, der viele Elemente aus dem Synthiepop der 80er aufnimmt, garniert mit einer Prise Folk und Indierock. Ein bisschen wie Cut Copy oder Clap Your Hands Say Yeah. Ein bisschen Britpop der 00er Jahre. Und das stete Bemühen, die nächste Indie-Hymne rauszuhauen.
Tatsächlich hat Gin Gas zweite Platte viel Potential: Alex Beitzke, der bereits mit einer breiten Palette an Künstler von Foster The People über Jamiroquai bis hin zu Ed Sheeran zusammengearbeitet hat, produzierte mit ihnen in London und Wien. Sänger Alex Konrad glänzt durch eine Vielzahl an stimmlichen Facetten und Präsenz. Und Abwechslung zwischen runtergeschraubten Balladen ("Say When It's Over"), dramatischen Streicher-Ausbrüchen ("No No No") und hitverdächtigem, euphorischem Feierpop ("Remember Whatever") ist geboten.
Dennoch: Das Gefühl bleibt, dass ihnen etwas im Weg steht, vielleicht die Überambition. Kaum ein Song unterschreitet die Laufzeit von vier Minuten so, dass sie immer noch einen Geigenpart hier, eine Portion Synthesizer dort und obendrauf noch etwas Chorgesang packen. Einen Höhepunkt erreichen die Titel dabei selten, sondern erscheinen oft nur unnötig in die Länge gezogen.
Die Momente, in denen Gin Ga am besten ins Ohr gehen, sind dann auch die kurzen: Die Ballade "Golden Boy" irritiert höchstens beim ersten Hören ein bisschen durch cheesy Chortefrain, überzeugt dafür umso mehr in den Strophen, die Konrads Gesang trägt. In "Dancer" marschieren verzerrte Synthesizer und Percussions düster um die befehlsähnliche Tanzaufforderung hin zu einem Anwärter für den nächsten Partyhit: "To the left, to the right / To the left, to the right /D-d-d-dancer".
Tracks wie der Rausschmeißer "Start Again" sind hingegen symptomatisch für den Versuch, alles an verfügbaren Mitteln in eine Dauer von sechs Minuten zu packen. Nach einem vielversprechenden Beginn überladen sie den Titel einfach: Gitarren, Percussions, fieses 80er Keyboard, dann zum Finale noch aufheulende Streicher plus Neubeginnlyrics: "'Cause we're waiting until we are reborn". Irgendwann muss auch mal gut sein.
Dass Gin Ga talentiert sind, steht außer Frage. Leider gelingt es ihnen bei "Yes/No" nur stellenweise, sich nicht im eigenen Ideenreichtum zu verstricken. Wenn sie nächstes Mal auf das eine oder andere Detail verzichten, gelingt es vielleicht eine Welle zu schlagen, die über den Geheimtipp-Status hinausreicht, den das Debüt mit sich brachte.
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