laut.de-Kritik
PJ Harveys künftiger Gitarrist liefert Late-Nite-Stimmungen.
Review von Giuliano BenassiSo lässig gequält, wie Giovanni Ferrario neben einem Lautsprecher vom Rücksitz eines Autos nach vorne blickt, muss er Kultstatus genießen. In der Tat ist der Produzent und Gitarrist der Band Micevice so etwas wie eine graue Eminenz in der Indieszene seines Heimatlandes Italiens. Seine internationalen Kontakte haben dazu geführt, dass er mit John Parish und PJ Harvey ein Album aufnehmen wird.
Doch davor liefert er mit "Headquarter Delirium" seine erste Platte unter eigenem Namen ab. In Ferrarios Studio unweit des Gardasees weitgehend im Alleingang entstanden, beginnt sie behutsam mit einer unaufgeregten, tiefen Stimme, die auf Englisch mit deutlich italienischem Akzent vorträgt. Gitarre, Klavier, Schlagzeug, Bass und allerlei elektronische Klänge erzeugen eine angerockte, jazzige Stimmung, die sich im weiteren Verlauf nicht wesentlich ändert.
Dennoch ist das Album vielseitig. Immer wieder gibt es Anklänge an die Beatles in ihrer Spätphase, ( "Easy To Forget", "Elsewhere"), Lambchop ohne die prägende Stimme Kurt Wagners, oder Giant Sand ("Echoes Never Die", "Sea Song"). Die Stücke klingen nach vielen Stunden im Studio und nach Sessions bis zum Erscheinen des Tageslichts, dennoch besitzen sie eine wohltuende Spontaneität.
"New Car" hört sich mit seinen Italo-Disco-Einlagen so an, als käme es aus einer defekten Jukebox, die seit den 80er Jahren unberührt herumsteht. Gerade dieses leicht Schräge, unmerklich Verstimmte ist es, das dem Album seine Faszination verleiht. Irgendwie gut anzuhören, aber auch vielschichtig und verspielt. Wie "Honeymoon in Tribeka", das entfernt an Depeche Mode erinnert, oder der verträumte letzte Track "Beast", mit einer verführerischen Frauenstimme.
Natürlich geht es Ferrario mit "Headquarter Delirium" nicht darum, kommerziellen Erfolg zu erzielen. Es ist das Zeugnis eines vielseitigen Künstlers, der sich mal im Studio ausgetobt hat. Das interessante Ergebnis macht Lust auf mehr. Wie sich das Album mit Parish und Harvey wohl anhören wird?
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