laut.de-Kritik
Welcome back!
Review von Philipp KauseDie Goo Goo Dolls aus den USA sind schon lange nur noch in anglophonen Ländern erfolgreich. International schlug 1997/98 mit Dizzy Up The Girl ihre Stunde. "Chaos In Bloom" versucht daran anzuknüpfen, aber so stromlinienförmig und konventionell, wie die Amis da uptempo rocken, haut zu Beginn nicht um. Wo unbeholfene Lyrics gleich am Anfang aufkreuzen, vermitteln sich zudem keine guten Geschichten: "Ich mag deine dummen Freunde / sie schauen wie Viecher aus" ("Yeah, I Like You"), "Es ist Krieg / yeah, es ist Krieg / ich kann nicht entkommen / stehe in Flammen / kann nicht ohne dich leben / und es ist Krieg" ("War").
Gut, dass die Scheibe sich steigert, während sie im Verlauf das Tempo dimmt. Das Beste folgt zum Schluss, sogar einzelne Masterpieces. Das Schwächste sammelt sich ganz vorne. Zusammen mit dem musikalisch flachen, von Komplexität freien Stil der ersten Tracks könnte man den druckvollen Gitarren-Duktus mit dem Charme ungeschliffener Pennäler-Naivität, energischem Schlagzeug und röhrendem Bass College Rock nennen.
Nur dass es sich bei den Dolls um die letzten Vertreter der Babyboomer-Generation handelt, der Rente näher als dem College. Der Gesang hechelt dem pumpenden stompin' forward-Stil des kleinen Ensembles hinterher, nicht immer angenehm zuzuhören; da hilft die 36 Jahre währende Erfahrung der Musiker nichts.
Doch es lohnt sich im Tracklist-Verlauf durchzuhalten, will man Ausdruckskraft und gute Melodien ernten. Bereits "Loving Life" verhält sich angenehm, als bounzender Knaller mit dem ein oder anderen Shimmer-Effekt auf der Gitarre und stimmungsvollem Background-Chor.
"You Are The Answer" und "Superstar" entpuppen diese CD als Schatztruhe für zwei tolle neue Balladen. Dabei kopieren John Rzeznik und Robby Takac nicht den Stil ihrer alten Mega-Hits, sondern tischen eine vehemente Klavier-Pedal-Linie auf, legen eine sakrale Wurlitzer-Spur drüber und garnieren die anheimelnde Atmosphäre mit Texten, die sogar für Erwachsene was hergeben.
"You Are The Answer" ist ein Lied über den Kampf mit Fakes, die uns täuschen - allgemein gültig und abstrakt gehalten, berührend. Die Lyrics packen Niederlagen und Traurigkeit an, die Musik spiegelt das graziös. "Searching for truth can be a fool's game / Some people lie right through the smiles" taktet das Lied gleich mal mit dem Thema Lügen und Scheinheiligkeit auf.
Und dann unterstreichen die Goo Goo Dolls, dass ein Mensch sehr wertvoll für andere sein kann, während er daran selbst nicht mehr glaubt: "Don't let the bastards steal your soul / 'Cause they don't see: You're gold". Optimistisch verbleibt das Lied mit der Aussicht auf Veränderungen durch neue Allianzen, zusammen gegen den Rest der Welt: "Here we are, you and me, tryna make the changes / And I believe that I can see a better time". Aus Loser-Perspektive verfasst, öffnet sich ein romantischer, zuversichtlicher Ausweg.
Frontmann John Rzeznik dazu im Interview mit The Big Takeover: "Ich denke, Leute unterschätzen die Bedeutung und den Zweck, den Gemeinsinn gibt. Und ich glaube, sie fangen an wahrzunehmen, 'Diese 5.000 Leute auf Facebook sind nicht meine Freunde. Sie tauchten nicht an meinem Geburtstag auf, und sie sind auch nicht da, wenn Umzugstag ist' (...) Man braucht echte Menschen im Leben."
Die andere starke Ballade "Superstar" durchmisst wunderschöne Harmonien in einer so traumwandlerischen Stilsicherheit, dass ein Vergleich mit den Wallflowers nahe liegt. Hymnisch entfaltet sich die Hookline, ohne groß die Wahl zu lassen, ob man mitsummen will. Geht gut ins Ohr. Den abermals mit Klavier eröffneten Softrock durchtrennt gemäß dem Goldenen Schnitt-Prinzip (nach zwei Dritteln) ein retardierendes Moment, mit Jazz-Progrock-Klavier. Wohl in Reminiszenz an die Vorbilder Supertramp. Dann bauen die Dolls nach einiger Laid-Backness ein E-Guitar-Gebratzel auf.
Einer der besten neuen Tracks ist das crunchy gespielte, eher simple, aber effektive Britpop-Singalong "Past Mistakes", mit dem die Eastcoast-Band unauffällig auf den Spuren von very British Songwriting wandelt, gleichzeitig aber das gehobene Tempo des Goo Goo-Albums bis kurz vor Schluss hochhält. "Past Mistakes" startet zittrig, fiebrig, mit fauchender Stimme und fast speed gespielten Trommeln, die kleine Stakkato-Ausbrüche absondern.
Hintergrundgesänge und Synth-Layers ziehen sich fast durch den ganzen Track als weich zeichnende Malereien und wärmen den harten Tune über die Fehler der Vergangenheit, die man nicht mehr ändern kann. Auch hier kehrt nach zwei Dritteln kurz Ruhe ein, und aus dem Innehalten erwächst eine weitere explosive Entladung an Lebensweisheit.
Trotz der Schwächen bei den Einstiegs-Tracks gilt unterm Strich: Welcome back, Goo Goo Dolls! Und danke für drei neue Perlen am Ende der CD.
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