laut.de-Kritik

Modern Rock zum Geschirrspülen.

Review von

Diese Sorte Modern Rock der End-80er und 90er Jahre erhebt Verschwommenheit zum Prinzip. E-Gitarren-Lärm klatscht über die Gesangsstimme. Einige Stücke so abgemischt, dass kein Ton klar zu hören ist, zugleich proklamiert man bedeutungsvolle Songtitel. Genau diese weichgespülte Alternative zum schmerzverzerrten Grunge, diese bürgerlich-brave Alternative zum Neo-Punk, dieses urbane Gegenstück zum Americana-Sound beherrschen die Goo Goo Dolls als eine ihrer leichtesten Übungen.

Mit "Miracle Pill" legen sie ihr sechstes Album seit den beiden Erfolgs-Longplayern "A Boy Named Goo" und "Dizzy Up The Girl" vor. Genau zwanzig Jahre später zeigt sich, dass "Indestructible" wie in den 90ern klingt, und ein bisschen wie 30 Seconds To Mars. Feingefühl scheint inzwischen weitgehend weggeblasen. Der Text von "Indestructible" signalisiert Größenwahn, genau wie "Fearless", ein Song mit leisen, lahmen Strophen und lautstarkem, buchhalterisch brav skandiertem Refrain.

Damit die beiden verbliebenen Bandmitglieder Dynamik und Tatkraft ausstrahlen, schwingen sie sich im Titelsong "Miracle Pill" zu einem sportlich-pathetisch schwingenden Klavier auf. Irgendein "fire burning below" kündet davon, dass es ums Ganze gehe. "All of my life, all of my doubts, all of my odds keep keeping me down / All of my fights, all of my fear, all of my darkness leaving me here / I'm starting all-oh, starting all-oh, starting all over."

Der Song-Protagonist startet durch, weil er mit einer Wunderpille seine Ängste wegschluckt. Toll wäre, wenn die Dolls die Sache mit der Zaubertablette näher beschreiben und das äußere Geschehen sowie das innere im Kopf ausmalen würden. So intensiv wie sich zum Thema "Miracle Pill" der Film "Ohne Limit" mit Bradley Cooper und Robert De Niro visuell abspielt, hört sich der Song leider nicht einmal ansatzweise an. Spannendes Thema, versenkt.

Neben ein paar belanglosen Nebenbei-Songs wie "Life's A Message" in Boygroup-Stimmlage, "Step In Line" und "Lights" nach Schema 'F' und dem hysterisch gesungenen "Think It Over"gibt es doch tatsächlich ein paar nette, nicht komplett falsch abgemischte Songs.

Das frech-freshe "Money Fame And Fortune" pflegt eine ekstatische "woo-hoo-hoo"-Lautmalerei als quiekendes E-Gitarren-Sample. Das zieht sich nahezu non-stop durch den Song. Der Gesang zum inhaltsleeren Phrasendreschen klingt hier ganz gut, auch wenn der heisere Robby Takac nicht der allergrößte Sänger unter der Sonne ist, sich seine Luft nicht gut einteilt und nahezu nichts ausdrückt.

In "Over You" wechselt er sich mit seinem Kollegen Johnny Rzeznik ab. Da die Melodie schön klingt und sich die beiden den Höhe- oder Explosionspunkt bis kurz vor Schluss aufheben, strahlt dieser Titel Gefühle aus und wirkt dramaturgisch gut. Final erfährt der Hörer in "Autumn Leaves" dann, dass der Winter kalt ist und die Sonne tief steht.

"Das Leben ist Veränderung", stellt Robby fest. Gemeinplätze und Zeilenfüller sind eine Spezialität des Albums. Immerhin zündet der Refrain und wirkt eine kurze Passage lang passioniert, inbrünstig, gefühlsbeladen, druckvoll, teilnehmend, aktiv.

Vieles klingt wie eine Kompromissplatte, um das eigene Fortbestehen zu untermauern, trotzdem kann man den einen oder anderen Song schon mal hören. Nebenbei zum Kochen oder Abspülen, generell bei Tätigkeiten, die selbst laut sind, geht der Sound in Ordnung.

Trackliste

  1. 1. Indestructible
  2. 2. Fearless
  3. 3. Miracle Pill
  4. 4. Money Fame And Fortune
  5. 5. Step In Line
  6. 6. Over You
  7. 7. Lights
  8. 8. Lost
  9. 9. Life's A Message
  10. 10. Autumn Leaves
  11. 11. Think It Over

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