17. September 2018

"Wir waren nie wirklich festgefahren"

Interview geführt von

Im Good Charlotte-Hauptquartier brennt wieder das Feuer der Anfangstage. Zwei Jahre nach ihrem Comeback-Album "Youth Authority" legen die Madden-Brüder mit "Generation RX" nach.

Wer sich mit den Speerspitzen der Pop-Punk-Branche beschäftigt, der stolpert irgendwann auch über den Namen Good Charlotte. Gegründet 1996, zwei Jahre nach den Genre-Erstgeburten "Dookie" und "Smash", sorgt die Band um die beiden Zwillingsbrüder Joel und Benji Madden bereits mit ihrem selbstbetitelten Debütalbum für Aufsehen in der Szene.

Spätestens mit ihrem zweiten, im Jahr 2002 veröffentlichten Longplayer "The Young & The Hopeless" checken Good Charlotte im 5-Sterne-Pop-Punk-Olymp ein. Was folgt, ist das komplette Business-Programm. Mädchen, Drogen, Kohle, Reisen um die ganze Welt: Für die beiden Scheidungskinder Joel und Benji wendet sich endlich das Blatt.

Nach einem Jahrzehnt auf der Überholspur ziehen die beiden mittlerweile verheirateten Brüder (Benji ist mit Schauspielerein Cameron Diaz liiert, Joel mit It-Girl Nicole Richie) 2011 erstmals die Reißleine. Nach einer fünfjährigen Kreativpause melden sich Good Charlotte im Jahr 2016 zurück ("Youth Authority"). Dieser Tage erscheint ihr neues Studioalbum "Generation RX". Im Zuge der Vorab-Promo trafen wir uns im Juli mit Sänger Benji zum Interview und plauderten über gruselige Maskeraden, neue Sounds und neue Projekte.

Benji, auf dem Cover eures neuen Albums "Generation RX" posiert ihr allesamt mit Totenkopf-Make-Up. Wer kam denn auf diese Idee?

Benji Madden: Das war mein Einfall. Ich fand die Idee einfach cool und irgendwie auch passend.

Warum passend? Was steckt dahinter?

Nun, es geht einfach darum, zu zeigen, dass wir alle am Ende des Tages dasselbe Gerüst in uns tragen. Wie wir aussehen, was wir tragen, wie wir uns stylen und auch wie wir uns geben: Das hat viel mit Maskerade und einem gewissen Versteckspiel zu tun. Wenn wir jedoch alles auf das Wesentliche reduzieren, dann gibt es keine großen Unterschiede. Das ist die Botschaft des Covers. Und dieses Thema spielt auch innerhalb des Albums eine große Rolle.

Die neuen Texte wurden im Vorfeld der Veröffentlichung ungewohnt oft in den Vordergrund gerückt.

Ja, das stimmt. Mit der Musik ist es ja immer so eine Sache. Da hat jeder seine eigene Meinung. Was dem einen gefällt, lässt den anderen völlig kalt. Mit den Texten läuft das anders. Wenn man sein Innerstes nach außen kehrt und Dinge klar anspricht, dann liegt da ein stabiles Fundament drunter, das sich nur schwer verschieben lässt.

Reden wir hier von einem neuen Fundament?

Nein, eigentlich nicht. Wir haben es in den letzten Jahren nur ein bisschen aus den Augen verloren. Versteh mich nicht falsch, ich bin stolz auf alle unsere Alben. "Generation RX" erinnert mich aber in vielerlei Hinsicht an unsere Anfangstage – vor allem was die Herangehensweise an die Texte anbelangt. Damals haben wir uns nicht so viele Gedanken gemacht. Wir waren einfach eine junge Band, die heiß war und die keiner Erwartungshaltung unterlag. Ich meine, als wir damals anfingen, kannte uns ja niemand. Wenn man es dann nach oben schafft und plötzlich unter Beobachtung steht, wendet sich ein bisschen das Blatt. Ich denke, das ist in diesem verrückten Business aber auch ganz normal. Mit dem neuen Album allerdings blicken wir wieder zurück, und präsentieren uns in puncto Tiefe und Aussagekraft wieder wie früher.

Wir waren jetzt einfach bereit für ein Album wie "Generation RX"

Woher kommt diese Wendung?

Wir haben in der Band alle schon unsere Höhen und Tiefen gehabt. Wir haben wirklich viel erlebt und durchmachen müssen. Durch das Wachsen der Band und unseres Umfeldes sind wir über die Jahre immer näher zusammengerückt. Wir waren jetzt einfach bereit für ein Album wie "Generation RX".

Inwieweit hat diesbezüglich die fünf Jahre andauernde Kreativ-Pause Dinge ins Rollen gebracht?

Diese Phase war natürlich unheimlich wichtig für uns. Und damit meine ich nicht nur die Band. Auch wenn der eine oder andere von uns immer mal wieder das Gefühl hatte, dass es zu lange dauern könnte: Diese fünf Jahre haben uns als Band, und auch jeden einzelnen von uns in der Entwicklung nach vorne gebracht. In dieser Zeit hat sich der komplette Kreis geschlossen. Unsere Familien, unsere Freunde, die Band: Die Pause hat alles zu einem großen Ganzen werden lassen.

War das Ende eurer Pause gleichzeitig der Beginn eines neuen Band-Kapitels?

Ja, so könnte man es beschreiben, wenngleich ich sagen muss, dass wir uns musikalisch schon immer Türen offen gehalten haben. Wir waren nie wirklich festgefahren. Wir haben schon immer experimentiert und darauf geachtet, uns musikalisch möglichst breit aufzustellen. Mit "Generation RX" gehen wir einfach nur den nächsten logischen Schritt.

Du hast das Album im Alleingang produziert. Wie wichtig war diese Entscheidung für den Sound des Albums?

Es ist natürlich wesentlich einfacher, die Dinge so umzusetzen wie man es will, wenn keiner da ist, der vielleicht eine andere Meinung hat. Es war niemand da, der uns in irgendeine Richtung hätte drängen können. Wir hatten die komplette Kontrolle über den gesamten Prozess. Das erleichtert die Arbeit natürlich ungemein. Vor allem, wenn man genau weiß, was am Ende rauskommen soll.

Du sprachst vorhin von offenen Türen, als es um die Entwicklung des Band-Sounds ging. Gibt es musikalische Bereiche, in die ihr noch nicht vorgestoßen seid, die ihr aber noch auf dem Schirm habt?

Ich denke, das lässt sich hier und heute schwer beantworten. Grundsätzlich sind wir für alles offen. Ich weiß aber natürlich jetzt noch nicht, wie unser nächstes Album klingen wird.

Während eurer Band-Pause hast du gemeinsam mit deinem Bruder (The Madden Brothers) ein Album veröffentlicht ("Greatings From California"), das vor allem in Australien und Neuseeland ziemlich abgefeiert wurde. Habt ihr während dieser Zeit je mit dem Gedanken gespielt, kreative Prioritäten zu verschieben?

Wir haben uns über den Zuspruch natürlich gefreut. Aber es ging und geht bei The Madden Brothers nicht um ein Konkurrenz-Projekt. Wir hatten zu der Zeit einfach Lust drauf. Uns war damals wichtig, mal etwas anderes auszuprobieren. Das hat super geklappt. Good Charlotte stand und steht aber immer an erster Stelle, bei jedem von uns.

"Wir haben uns nie unterkriegen lassen"

Mir kam irgendwo zu Ohren, dass in Zukunft noch andere Projekte an den Start gehen sollen. Stimmt das? Ist da was dran?

Keine Ahnung, wer da wieder irgendwo was gehört haben will. Wir haben diesbezüglich nichts verlauten lassen. Im Hier und Jetzt geht es nur um Good Charlotte und unser neues Album.

Also ist an Gerüchten über neue Projekte nichts dran?

Natürlich macht man sich auch mal Gedanken über Projekte, die einen aus verschiedensten Gründen interessieren. Aber das sind nur Ideen und Gedankenspiele für später, die weder ausgereift noch spruchreif sind. Ich könnte mir beispielsweise vorstellen, irgendwann einmal an einem Film-Soundtrack zu arbeiten. So etwas würde mich schon reizen.

Eher die Kammermusik- oder die Bombast-Variante?

Ich denke, eher die Bombast-Variante, mit Orchester und allem Drum und Dran.

Auf was hättest du noch Lust?

Ok, jetzt hast du mich. (lacht) Also ...

Immer raus mit der Sprache.

Was ich auch cool fände, wäre ein Singer/Songwriter-Album. Das würde ich aber erst angehen wollen, wenn ich etwas älter bin.

Noch was?

Ich hätte auch noch Lust auf ein richtig hartes Projekt. Ich liebe Metal. Ich würde gerne eine Band zusammenstellen, mit der ich richtig aufdrehen könnte. Das spukt schon seit Jahren in meinem Kopf herum. Das war's dann aber auch. (lacht)

Muss schon ein cooles Gefühl sein, wenn man weiß, dass einem aufgrund des Erfolges seiner Band alle Türen offen stehen. Gab's eigentlich einen bestimmten Moment während eurer Anfangstage, in dem dir bewusst wurde, dass Good Charlotte richtig groß werden könnten?

Es gab so unglaublich viele Highlights. Ich meine, es ging irgendwie immer auf und ab. Und irgendwann war es dann einfach so weit. War es der Tag, an dem wir unseren ersten Plattendeal unterschrieben haben? War es ein besonders geiles Konzert? Ich weiß es nicht. Wir sind halt einfach am Ball geblieben und haben uns nie unterkriegen lassen.

Dein Bruder, Paul und du, ihr seid seit dem ersten Tag dabei. Was ist das Geheimnis dieses magischen Dreiecks?

Kommunikation. Man muss miteinander reden können. Und man muss auch zuhören können. Es geht um Respekt, Vertrauen und Liebe. Wenn diese drei Dinge präsent sind, dann wirft dich nichts aus der Bahn. Wir waren nie eine Band, die nur zum Musizieren zusammenkam. Wir sind und waren immer auch Freunde, die auch abseits der Band durch dick und dünn gegangen sind. Das ist der Schlüssel. Nur so entwickelt sich ein Fundament, auf dem etwas Großes entstehen kann.

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