laut.de-Kritik
Hymnen für die Rock-Jugend.
Review von Manuel BergerGebt die Hoffnung auf! Die Led Zeppelin-Reunion erleben wir wohl nicht mehr. Das realisieren weltweit immer mehr Leute. Sicher auch deswegen verlief der Aufstieg Greta Van Fleets, gerne verschrien als junger Klon der Rock-Legenden, in den vergangenen Monaten so kometenhaft.
Gestandene Rocker, die womöglich das Original noch live erlebt haben, auf seine Seite zu ziehen, und das ganz ohne Album, das bedarf allerdings weit mehr als nur einer guten Imitation. Jetzt, da das Full-Length-Debüt endlich vorliegt, bestätigen Greta Van Fleet, dass sie nicht nur ein schnelllebiges Phänomen sind, sondern eine außergewöhnlich talentierte Gruppe mit großen Zukunftsaussichten.
Schon die Fakten rundherum sind beeindruckend: Eine junge Rockband, die in Sound und Attitüde voll und ganz auf Tradition setzt, schafft es hierzulande innerhalb eines Dreivierteljahres von "Greta-wer?" über eine erste ausverkaufte Tour (Frühjahr 2018) und umjubelte Festivalgigs (Sommer 2018) bis hin zu wegen großer Nachfrage nötiger Venue-Upgrades in 7.000er-Hallen (Herbst 2018): Das erscheint in Zeiten von "Rock ist tot" eigentlich unmöglich. In den USA buchte das Quartett gerade eine Open-Air-Stadiontour doppelter Kapazität.
Greta Van Fleet reiten diese Erfolgswelle nicht wegen eines dominanten Songs, sondern sie stehen gut in der Breite. Der klare Hit fehlt auch auf "Anthem Of The Peaceful Army". Zwar zünden einige ("When The Curtain Falls") der zehn Nummern besser als andere ("You're The One"). Doch halten die im Schnitt gerade einmal Anfang-20-jährigen Musiker durchgehend ein hohes Qualitätslevel.
"Lover, Leaver (Taker, Believer)" ist trotz ähnlichen Drives bestimmt kein "Whole Lotta Love", aber einfach ein verdammt gut geschriebener Rocksong. Solche Stringenz und gleichzeitigen Variantenreichtum hört man nicht alle Tage, ebensowenig zwanzigsekündige Melodieschreie in Höhenregionen, in denen die Allermeisten nicht einmal zwei Sekunden sauber einen Ton halten, geschweige denn mit Rock-Grit versehen könnten.
Sänger Josh Kiszka und sein Zwillingsbruder Jake an der Gitarre teilen sich das Rampenlicht und suhlen sich gern und viel darin. Robert Plant und Jimmy Page als Vergleichsduo Nummer eins klingen natürlich durch, Greta Van Fleet darauf aber festzunageln wäre unfair. Josh wandelt ebenso dicht an Janis Joplin. Bei "Watching Over" erinnert er leicht an Dio, in "Anthem" wegen seiner hohen Stimme und der Singer/Songwriter-Ausrichtung des Tracks an Asaf Avidan. Jakes Solospiel offenbart Anleihen an Johnny Winter, zwischendurch schaltet er den Verstärker ab und widmet sich entspanntem, akkord- statt riffbasiertem Akustikblues ("The New Day").
Während die Zwillinge Haken schlagen und sich in Schnörkeln austoben, agiert der dritte Kiszka im Bunde zurückhaltender. In seiner Unaufgeregtheit verleiht Sam seinem Bassspiel ungeheure Prägnanz und Schärfe. Mag sein, dass Greta Van Fleets Songs in erster Linie von der Energie des JJ-Paares leben. Ohne ein stabiles Rückgrat wären sie aber wohl kaum mehr als netter Gimmick-Rock.
Die stoischen, dabei aber nie unkreativen Basslinien zwingen Band wie Hörer, im Groove zu bleiben. Zum Beispiel im psychedelisch abdriftenden "Lover, Leaver (Taker, Believer)" verantwortet Sam diese Aufgabe wesentlich dominanter als Drummer Danny Wagner. Der herrlich smoothe Albumopener "Age Of Man" funktioniert auch deshalb so gut, weil Sam den erdigen Gegenpart zu Jakes verspielten Gitarrenläufen und sphärischen Streichermelodien bildet.
Greta Van Fleets Debütalbum macht somit dasselbe stark wie ihre Liveshows: das Zusammenspiel der Individualisten. Bleibt die Band so tight wie momentan, spielt es nur bedingt eine Rolle, ob Song XY ein Led Zep-Äquivalent hat oder "Watching Over" mit "House Of The Rising Sun" liebäugelt. Es macht einfach Spaß, dabei zuzuhören, wie vier Kiddies traditionellen Rock so frisch interpretieren, dass es gar nicht in der Zunge juckt, "Retro!" zu schreien.
16 Kommentare mit 14 Antworten
Wenn streng genommen der Vorgänger "From The Fires" zwei zusammen gelegte EPs waren, so war es doch für mich eher das gefühlte Debütalbum. Und auch kraftvoller als das jetzige.
Die Stimme kommt Plant so nah, wie kaum ein anderer. Die Gitarre ist auch recht Page mäßig, so wie es halt Wolfmother ua. vorexerziert haben. Im Grunde sind es die eher belanglosen Songs, die dann den Ausschlag geben. Dazu ist die Stimme auch recht dünn....
Leider ja, warum das hier hören wenn man das Original haben kann?
Handwerklich wirklich sehr gut, da kann ich nichts wirklich kritisieren.
Allerdings klingt es für meinen Teil weniger "Zeps-inspiriert", sondern mehr kopiert. Vergleichbar mit Airbourne und ihren "AC/DC-"Inspirationen".
Ist deshalb nichts für mich.
Wort.
Pop-Rock der schlimmeren Sorte. Es fehlt die Persönlichkeit. Der Rock kommt gefühlt ohne eigene Idee daher, der Pop ohne Begeisterung für Pop. Was bleibt, ist eine Band, die sich anscheinend nicht festlegen kann. Will man das Stadion oder die Alt-Rocker? Mit mittelmäßigen Zeppelin-Kopien und übersteuernden Vocals wird man beides schlecht abholen können. Wird sich wohl auf dem nächsten Album zeigen, ob das jetzt das nächste große Ding oder die nächste große Peinlichkeit wird. Wenn es sich nicht mit diesem Album bereits gezeigt hat...
Dieser Kommentar wurde vor 3 Jahren durch den Autor entfernt.
Krass wie die Ü50er hier über die Band herziehen. Ist doch geil gibt es noch junge Menschen die sich am Bluesrock probieren. Und dass man heutzutage immer irgendwie klingt wie irgendwer, ist halt leider so. Mehr davon, auch wenn nicht alles perfekt ist!!
da bin ich Deiner Meinung. Die Jungs machen geilen old school Rock und klingen trotzdem frisch und rotzig. Bitte mehr davon!