laut.de-Kritik
Gruß aus dem wahren Hinterland.
Review von Dani Fromm"Schlecht", so läuft das Vorhaben Thees Uhlmanns, bei seinem bisher (und wohl bis auf weiteres) nicht gerade Hip Hop-lastigen Label Grand Hotel van Cleef einen Rapper unter Vertrag zu nehmen. "Weil mein momentaner Lieblingsrapper jetzt bei Buback unter Vertrag steht." Schlecht vielleicht für Thees, für die traditionsreiche Tonträgerfirma allerdings ein Volltreffer. Grim104 nämlich passt dort bestens ins Konzept, ist er doch im Auftreten, in der Haltung und im Herzen so Punk wie man nur sein kann: unangepasst, durch und durch desillusioniert und entsprechend bitterböse.
Statt dem, wie es der Trommler der Ramones einst formulierte, "pure stripped down no bull-shit Rock'n'Roll" verschreibt sich die noch etwas krankere Hälfte des Duos Zugezogen Maskulin allerdings dem Rap. Das wiederum stellt ein Glück für alle Heads dar, deren Blick nicht an Posen hängenbleibt oder, schlimmer noch, gleich an designerklamottenverhüllten Oberflächen abperlt.
Auf den unfrohen Vibe, der schon aus den ersten Takten springt, sollte sich besser einrichten, wer sich mit Grim104 einlässt. Der nicht besonders mächtige, dafür um so atmosphärischere Sound lässt akustische Nebelschwaden um die Knöchel kriechen. Vor dem geistigen Auge tanzen Irrlichter über den abgründigen Morast, in dem der "Frosch" nur darauf lauert, einen erst in seinen Bann und dann mit hinab in die Tiefe zu ziehen. Willkommen im allerfinstersten Winkel des Märchenlandes. Willkommen in Brandenburg.
"Rainald Grebe, K.I.Z. - alle hatten Recht." Schmerzhaft klarsichtig beschreibt Grim104 Gegenden, in denen, wer es sich aussuchen kann, nicht tot überm Zaun hängen möchte. Manche haben aber keine Wahl. "Hier lernst du Kids kennen, die nix kennen, für die sich Prinz Pi nicht interessiert mit seiner Band." Das Desinteresse dürfte auf Gegenseitigkeit beruhen. Eine ganze Generation dämmert ohne Perspektiven vor sich hin. Einzig krude Ideologien finden in diesen Gegenden fruchtbaren Nährboden. Gruß aus dem wahren Hinterland.
"I can't relax in Deutschrap." Entspannung scheint auch nicht angezeigt. Grim104 steckt bis zum Hals und tiefer in "Dreck Scheisse Pisse", schätzt aber trotzdem realistisch: "Es geht bestimmt noch ein bisschen mehr beschissen." Anlässe für Unmut gibt es genug. Der Zorn, der in ihm brodelt, bahnt sich in der überschnappenden Stimme, in einem Flow immer hart an der Grenze zum Schrei, seinen Weg in die Welt.
Rucksack- und Bedenkenträger, Oberlehrer, Conscious-Heinis, Battle-MCs, Möchtegern-Designer, Muckibuden-Stammkunden: Grim104 watscht sie unterschiedslos alle ab. "Töte deine Helden, puste deine Fans um." Insbesondere die, die sich mit Mitte dreißig noch als das Sprachrohr der Jugend zu installieren versuchen, haben schlechte Karten. Einzig NMZS darf in Frieden ruhen - der kann ja auch nichts mehr verkehrt machen. Wer dagegen noch lebt und atmet, sollte besser damit rechnen, bei Grim104 in Ungnade zu fallen. Es gibt in den meisten Fällen ja auch Gründe genug.
"Es gibt keinen roten Morgen." Auch, wenn bisher auf jeden ersten ein "2. Mai" folgte und sich Grim über die Wirksamkeit von Steineschmeißer-Rebellionen gar keinen Illusionen hingibt: Das Ende ist nahe, der Zusammenbruch steht unmittelbar bevor. Warum also sollte man sich noch mit irgendjemandem gut stellen? Warum Rücksichten nehmen? Grim104 nimmt keine. Er scheißt auf alles, einen besonders elaborierten, technisch ausgefeilten Vortrag und eine auch nur halbwegs ansehnliche Covergestaltung inklusive.
Im Vorübermarodieren demaskiert er, was ihm gerade unter den erbosten Blick kommt. "Solls doch brennen, das bisschen Heimat." Es bleiben kaum Alternativen, gefangen in einer Gegenwart, in der Masterabsolventen in Callcentern landen, Rapper ihre Instagram-Accounts wie Gaypornoseiten ausstaffieren und noch nicht einmal die krudesten Verschwörungstheorien verführerisch genug erscheinen, als dass man ihnen aufsitzen möchte.
Der kommende Aufstand liegt zwar in der Luft, will aber einfach ums Verrecken nicht losbrechen. Seine möglichen Protagonisten verharren in Resignation und Gleichgültigkeit. Eine Lösung hat Grim104 zwar auch nicht parat. Er stellt sich aber immerhin gleich mit vor den Spiegel, den er der zerbröselnden Gesellschaft unbarmherzig vorhält. Der zeigt einen lupenreinen Nihilisten, der den Glauben an alles und jeden längst erschlagen und im Dreck verscharrt hat.
"Ich will es hart und ranzig." Mindestens so unfroh wie die Themenwahl, die ihm Zeitgeschehen und die in unzähligen Anspielungen und Referenzen zitierte Popkultur liefern, gestaltet sich die musikalische Ausgestaltung. Staubiger Lo-Fi-Sound scheint direkt aus Regionen empor zu steigen, wo die Wurzeln allen Übels sitzen. Aus kleinem Aufwand entsteht so große Wirkung, etwa wenn in "Der Kommende Aufstand" die Bässe wie Fäulnisgasblasen an die Oberfläche des Sumpfs blubbern, die wabernden, dunklen Klänge Fahrt aufnehmen und urplötzlich wie eine getriebene Version von "Forget About Dre" vor einem herhüpfen.
"Ich werde reich sein, werde über Luxus rappen", droht Grim104 zum Abschluss in einer "Sternstunde Der Bedeutungslosigkeit". "Doch beschreib' erst mein Erbrechen auf Suffclub-Toiletten, das Rasseln meiner Lungen nach 'ner halben Schachtel Kippen" - und ähnlich unerfreuliche Dinge. Nein, Spaß macht das alles kaum. Grims Solo-Debüt gestaltet sich zum Ausgleich aber spannender als vieles, das Deutschrap dieser Tage zu bieten hat.
6 Kommentare
punks not red aber wenn yo mama empfehlt werde ich natürlich ein öhrchen riskieren
Eigentlich mag ich ja etwas abseitigen Rap, und ich mochte auch einiges von Zugezogen Maskulin, aber hiermit kann ich irgendwie nix anfangen. Grim104 klingt irgendwie ein bisschen zu sehr nach Staiger am Mic, und der hat ja schon selbst zugegeben, dass er nicht rappen kann...
Tolles Album...Ragt für mich aus der Menge der letzten Releases heraus
doch, das teil macht laune, is nen merkwürdiger vergleich, finde das album hat aber so ne grundstimmung ala "nichts bleibt wie es war" von goethes erben..... oO
der breiviktrack ist richtig dope, beat, flow, text. einfach geil
Super Ding.