5. Januar 2009
"Axl Rose ist ein glücklicher Mensch"
Interview geführt von Matthias von ViereckWährend Axl Rose mit seinen Fans lieber direkt via Internet kommuniziert, stellte sich sein Lead-Gitarrist Bumblefoot der Journaille kurz vor Weihnachten am Rande einer Gitarren-Präsentation.Berlin im Dezember: Die teils positiven, hierzulande aber meist negativen Kritiken zum neuen Guns N' Roses-Album sind längst veröffentlicht, die Aufregung ob des tatsächlichen Erscheinens von "Chinese Democracy" hat sich gelegt.
Ron Thal, genannt Bumblefoot, verstärkt die Gunners seit 2006 nicht nur bei Konzerten. Sein Gitarrenspiel hat es zu einem maßgeblichen Anteil an Axl Roses chinesischer Demokratie gebracht. Nachdem er zusammen mit Rudolf Schenker und Matthias Jabs von den Scorpions sowie Uli Jon Roth anlässlich einer Gibson-Pressekonferenz einen Kurzauftritt absolvierte, stellt er sich den bohrenden Fragen der deutschen Journaille.
Dabei ist er höchst entspannt und höflich. Und wer ist die nette Dame, die beim Interview mit uns am Tisch sitzt? "Hi, ich bin Jennifer, Rons Frau." Ach so. Nice to meet you.
Ron, bist du stolz darauf, Teil eines nicht nur mit großer Spannung erwarteten, sondern auch teuersten Albums aller Zeiten zu sein?
An diesem Album hängt viel Gepäck dran. Aber genau das macht es so interessant. Es gibt viele Platten mit einer sehr einfachen Story: Die werden geschrieben, aufgenommen und ein Jahr später veröffentlicht. Dieses hier steht für eine ganze Lebensspanne. So viel ist passiert.
Man kann also schon fast von einem Mythos sprechen?
Ja, das Album könnte seine eigene Biografie schreiben. Es ist faszinierend. Kein anderes Album hat die Veränderungen von anderthalb Dekaden, etwa im Bereich der Technologie, mitgemacht. Dann die ganzen Besetzungswechsel. All die Dinge, die die Platte von ihrem Weg abgebracht haben. Es war einfach ein verdammt langer Kampf. Fast, als ob das Album 40 Jahre durch die Wüste gewandert wäre, um schließlich das Gelobte Land zu erreichen. Zwar übersät mit blauen Flecken, aber es ist dort angekommen. Deswegen hat es auch so viel Charakter.
Du bist selbst nur einen Teil dieses langen Wüstenmarsches mitgegangen. Als du 2006 dazu kamst, war "Chinese Democracy" schon lange unterwegs. War das kein Problem für dich?
Nein. Man muss nicht unbedingt von Tag eins dabei sein, wenn alle in einem Raum sitzen und sich gegenseitig Riffs vorspielen. Wir haben ja schon im Sommer 2004 das erste mal miteinander geredet und Pläne gemacht. Auch wenn meine Zusammenarbeit mit Guns N' Roses erst Mitte 2006 offiziell wurde.
Hast du Axl Rose in dieser frühen Phase schon getroffen?
Damals noch nicht. Erst als wir bereit waren, auf Tour zu gehen.
Hast du ihn denn während der Aufnahmen überhaupt gesehen?
(überlegt) Na ja, es kann schon ein sehr zermürbender Prozess sein, wenn man nur zuschaut, wie ich meine Gitarrenparts aufnehme. Ich meine, würdest du mir gerne dabei zusehen, wie ich 14 Stunden an jedem Tag der Woche herum experimentiere?
Du meinst, das wäre auch für Axl zermürbend gewesen?
Genau. Jeder hat ja andere Dinge zu tun. Hauptsächlich war ich in New York und andere Bandmitglieder in Los Angeles und man tauschte sich über CDs, Telefon und Kuriere aus. Ich habe viel experimentiert, mit verschiedenen Les Pauls etwa. Diverse Soli, verschiedene Rhythmen. Es ging einfach darum, die fehlenden Stücke eines Puzzles zu finden, auch wenn die Grundstruktur eines Songs schon da war.
"Mich stören Leute, die Bullshit über Axl verbreiten"
Wollte Axl unbedingt das beste Rockalbum aller Zeiten machen? Oder warum hat es nun so lange gedauert?Ich denke, fast jeder will das mit seinem Album erreichen. Und im Zuge des Aufnahmeprozesses wächst dann langsam die Obsession für kleine Details.
Dann war Axl wohl zu besessen?
Na ja, vielleicht kann man das so sehen. Das ist ja die große Frage, die alle beschäftigt: Warum hat das nur so lange gedauert? Ich kann eher über die Erfahrungen mit meinen eigenen Platten sprechen. Da gab es Songs, die acht Jahre brauchten, bevor ich sie veröffentlichen konnte. Man sucht dann nach dem einen Puzzlestück und weigert sich, ein falsches Stück in diese Lücke zu zwängen.
Wie oft bin ich mit einem Stück Papier und einem Stift unter meinem Kissen eingeschlafen und dann um vier Uhr morgens aufgewacht, um etwas niederzuschreiben.
Jennifer: Ich erinnere mich an einen Song, den du fast zehn Jahre gespielt hast, bevor er veröffentlicht wurde.
Ist Axl ein glücklicher Mensch?
Ein glücklicher Mensch?
Ja.
Wenn ich mit ihm rede, ja. Aber vielleicht zaubere ich auch immer ein großes, saftiges Lächeln auf sein Gesicht.
Man weiß ja nicht viel über ihn, auch weil er so gut wie keine Interviews gibt. Darüber wird viel spekuliert und getratscht.
Ja, er verteidigt sich nicht so sehr gegen all den Scheiß, der kursiert.
Du hast mal gesagt, dass die Leute viel über ihn erfinden. Kannst du hierfür ein Beispiel geben?
Nun, die britische "Sun" hat darüber spekuliert, ob Axl Guns N' Roses wiedervereinigen will. Kompletter Quatsch. Diese Arschlöcher erfinden so viel Zeug, um auf Axls Kosten mehr Zeitungen zu verkaufen. Und auch auf meine Kosten.
Ärgert dich auch, dass fast nur über Axl gesprochen wird?
Nein, mich stören bloß Leute, die lauter Bullshit über ihn verbreiten, denn er ist ein Freund geworden. Außenstehenden geht es nur um Tratsch auf Kosten seines Vermächtnisses. Er sollte in 50 Jahren nicht dafür erinnert werden, was irgendein Arschloch sich ausgedacht hat.
Wie sollte er denn in Erinnerung bleiben, vielleicht als Genie?
Er sollte als jemand erinnert werden, der extrem leidenschaftlich war und sehr fürsorglich seinen Fans gegenüber. Die ganze Woche hat er, anstatt zu irgendwelchen Presseterminen zu gehen, auf Message Boards Fan-Fragen beantwortet. Sehr detaillierte Antworten. Mehr als er der Presse je verraten hat.
In den Message Boards benutzt er den Codenamen Dexter. Woher wissen die Fans, dass dahinter wirklich Axl steckt?
Jennifer: Ich glaube, die Moderatoren der Boards haben das verraten.
Bumblefoot: Wir haben Dexter kennen gelernt, als er noch ein kleines Kätzchen war. Seine Katze heißt Dexter.
Die Katze von Axl?
Ja.
"In Axl steckt mehr als die Leute denken"
Wäre es nicht logischer und auch ehrlicher, der Band einen neuen Namen zu geben? Es ist ja heute nicht mehr wirklich Guns N' Roses?Wir haben es hier mit einer Einheit zu tun, die zu ihrem eigenen Beat marschiert. Gesetze, die für andere Bands gelten, gelten für Guns N' Roses einfach nicht. Auch wenn die Band sehr über ihre Mitglieder definiert wurde.
Hast du mal die ursprünglichen Guns N' Roses-Mitglieder getroffen?
Slash oder Duff nicht. Wir hatten aber viele gute Jams mit Izzy. Nur so zum Spaß für die Tournee 2006. Er hat ja einige Songs mit uns auf der Bühne gespielt.
Wie ist es denn heute mit Guns N' Roses auf Tour? Hängt man nach den Konzerten noch zusammen ab?
Ja, Axl zum Beispiel mit Sebastian Bach (Ex-Skid Row, Anm. d. Red.) und Frank, unserem Drummer. Es gibt laute Musik und manchmal kommen noch Leute aus dem Publikum dazu. Man quatscht und entspannt sich. Solche Sachen. Ich weiß, dass die Leute denken, dass die ganze Zeit Drogen auf nackte Körper regnen.
Es geht also recht vernünftig zu?
Ab und zu gibt es schon verrückte Momente (lacht) . Aber nichts Schlimmes.
Wird es denn eine Tour in Deutschland geben?
Ich glaube, bis jetzt ist überhaupt nichts bestätigt. Aber ich bin sicher, dass es dazu kommen wird. Nun, wo das Album draußen ist.
Es muss noch eine Menge Songmaterial geben. Könntet ihr ein "Chinese Democracy" Teil zwei veröffentlichen?
Es gibt auf jeden Fall genug Demos und Material.
Soll es eine Trilogie werden?
Bei Guns N' Roses kann man das nie wissen.
Ging es beim Titel "Chinese Democracy" wirklich um den Zustand der Demokratie in China?
Auf jeden Fall werden wir in nächster Zeit wohl nicht in Peking spielen können. Wirklich schade. Das hätte ich schon gern gemacht.
Bedeuten dir die politischen Konnotationen des Titels persönlich etwas?
Klar, es ist schwer, sich keine Gedanken über Menschenrechtsfragen zu machen.
Ist Axl auch ein politischer Mensch?
In ihm steckt auf jeden Fall mehr als die Leute denken.
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