laut.de-Kritik

Was ist bloß aus dieser Öko-College-Band geworden?

Review von

Wer die amerikanische Indie-Band Guster kennt, der wird sich beim Anhören von "Ganging Up On The Sun" verwundert fragen, was aus dem vorwiegend akustischen Folk-Pop dieser Öko-College-Band geworden ist. Nach über zehn Jahren im Popgeschäft wagen sie mit ihrem fünften Longplayer den Schritt nach vorne, packen die E-Gitarren aus, ergänzen die Bongos mit einem tonangebenden Schlagzeug. Was aber nicht heißen soll, dass das Quartett den treibenden Rock entdeckt und den Pop ad acta gelegt hat.

Vielmehr werden die wunderbaren Melodien und die Gesangsharmonien von Ryan Miller und Adam Gardner neu eingekleidet. Und das neue Kleid steht Guster gut, zumal belebende Accessoires wie Bläser, ein Piano und Synthie-Klänge für mehr Variationsreichtum sorgen. Der dichtere und poppigere Guster-Sound und die Melodieverliebtheit führen wohl unvermeidlich zu Vergleichen mit Bands wie Travis, Keane oder auch Coldplay. Jedenfalls klingen Guster britpoppiger denn je.

Der schöne Opener "Lightning Rod" beginnt mit einem sanften Bläser-Intro, das Gitarren-Fingerpicking springt sanft auf, der warme, melancholische Gesang Millers erklingt und holt zu einem langgezogenen Ah-Refrain aus. Die Rhythmusgitarre zieht im gleichermaßen einfachen wie eingängigen "Satellite" das Tempo an, das Keyboard webt ein gefälliges Muster und die eingängige Melodie mit ihrer klassischen Strophe/Refrain-Struktur lädt unverzüglich zum Mitsingen ein.

Fröhliche Klavierschläge prägen das gutgelaunte "Manifest Destiny". Tolle zweistimmige Gesangsharmonien und ein verspielter Melodiebogen untersteichen optimistisch die These, dass Veränderung auch in ausweglos scheinenden Situationen möglich ist. Das Schlagzeug und die E-Gitarren dominieren in "One Man Wrecking Machine", das bezüglich seiner Melodie durchaus an Coldplay-Songs erinnert. "The Captain" trägt mit akustischer Gitarre, Banjo sowie Drums countryeske Züge und nimmt äußerst sympathisch immer mehr an Fahrt auf.

In der zynischen Uptempo-Nummer "The New Underground" schlagen die Gitarren erstmals härtere Seiten an. Aufbegehren ist angesagt, da sich der "New Underground" hier als gesellschaftliche Zwangsjacke offenbart. Das epische "Ruby Falls" gefällt mit einer spannungsgeladenen Dramaturgie und variablem Gesang, die Ballade "Empire State" mit behutsamen Synthesizer-Arrangements. "Dear Valentine" kann mit der sich langsam entfaltenden Melodie und der flächigen Instrumentierung durchaus manchem Keane-Song das Wasser reichen.

"We're not sentimental / we're just filled machines / trying not to say the things we mean" singt Miller aggressiv in "The Beginning Of The End", wobei wieder harte Gitarrenriffs diese kritische Selbstanklage untermauern. Mit hymnischem Refrain fordert Miller im abschließenden "Hang On" zum Weitermachen und Miteinander auf. Eine Hammondorgel, Gitarre und ein perlendes Klavier künden von den Sonnenseiten des Lebens.

Unterm Strich erweist sich "Ganging Up On The Sun" als solides, vielseitiges Popalbum, dessen Songs gekonnt zwischen großer Melodik, Lieblichkeit und Emotionalität pendeln. Wirklich verstörend oder abgründig können Guster nicht klingen, Harmonie wird groß geschrieben und verhindert jegliche Dissonanzen. Mit diesem Werk hat die Band ein wenig an Individualität eingebüßt, dürfte aber mit der Hinwendung zum Pop-Mainstream viele neue Freunde gewinnen.

Trackliste

  1. 1. Lightning Rod
  2. 2. Satellite
  3. 3. Manifest Destiny
  4. 4. One Man Wrecking Machine
  5. 5. Captain
  6. 6. New Underground
  7. 7. Ruby Falls
  8. 8. C'mon
  9. 9. Empire State
  10. 10. Dear Valentine
  11. 11. Beginning Of The End
  12. 12. Hang On

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