laut.de-Kritik

Hauchzarter Gesang im lärmenden Mahlstrom.

Review von

Wie ein kurzes, heftiges Sommergewitter zogen Health im August bereits auf einigen deutschen Festivals über ihre Zuhörer hinweg. Konnte man die Band aus Los Angeles nach ihren eruptiven Shows ob der im Feedbacklärm oft untergegangenen Feinheiten noch in die übervolle Schublade mit Noise-Acts stecken, muss man das Urteil über ihr zweites Album dahingehend doch ein Stück weit revidieren.

Tatsächlich handelt es sich bei "Get Color" um einen der konsequentesten und originärsten Sound-Entwürfe in der Sparte Alternative seit "Drum's Not Dead" von den Liars und My Bloody Valentines Klassiker "Loveless". Health haben einen Solitär von einem Album aufgenommen, der sich nicht gerade herzlich vorstellt und sich in den 33 Minuten Spielzeit auch nicht groß erklären will.

So gibt einem der kurze Opener "In Heat" mit seinem Schredder-Riff, Alien-Soundscapes und einer unvermittelten Dreschorgie am Ende gleich zu verstehen, dass man sich gerne direkt wieder verpissen kann, wenn einem das hier nicht behagt.

Die Single "Die Slow" dagegen ist ein Industrial-Disco-Track mit maschinellem Cyborg-Groove, der von harten Dancebeats und dem hauchzarten, ja fast androgynen Harmoniegesang von Sänger Jake Duzsik umschmiegt wird. Der droht stets in diesem lärmenden Mahlstrom unterzugehen - tut es aber eben nicht.

Die fein austarierte Balance zwischen Sound und Song ist es, die für die durchaus berechtigten Vergleiche mit My Bloody Valentine sorgt. Dabei sind die bei Health zweifelsohne vorhandenen Pop-Motive maximal kontrastierend eingesetzt. Das fantastische "Nice Girls" startet mit Tribal-Drums und extrem verzerrtem Bassspiel, ehe oszillierender Gesang und die Abfolge von drei langen, kreissägenden Gitarrenakkorden diesem ungebremsten Boliden erst eine Richtung geben.

"Death +" setzt den erwähnten Avantgarde-Exorzismen der Liars noch alarmierende Spaceship-Elektronik und abrupte Noiserock-Freakouts vor die Nase, die oft über die Schlagzeug-Becken getimt werden. Auch das wild galoppierende "Severin", das mit hypnotischen Vocalschleifen eine immense Sogwirkung erzeugt, wird innerhalb von Sekunden harsch an die Wand gefahren. Als Hörer bequem machen sollte man sich also in keinem der widerspenstigen Songs.

Dabei hätte man um die Melodieführung von "We Are Water" mit etwas weniger Mut zur Lücke auch einen sauberen Emorock-Song bauen können, wären da nicht die Rave-Anleihen und die einmal mehr zur Schau gestellte Nonkonformität, weswegen einige eigentlich affine Leute dieses Album auch garantiert nicht mögen werden. Health haben sich eben bewusst für den steinigen Weg entschieden, den auch ein Trent Reznor gegangen ist. Man weiß heute, was daraus noch alles werden kann.

Trackliste

  1. 1. In Heat
  2. 2. Die Slow
  3. 3. Nice Girls
  4. 4. Death +
  5. 5. Before Tigers
  6. 6. Severin
  7. 7. Eat Flesh
  8. 8. We Water Water
  9. 9. In Violet

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LAUT.DE-PORTRÄT Health

Es hat schon selbstironische Züge, seine Band Health zu nennen. Noch dazu, wenn man sich auf brutal anmutenden, experimentellen Noiserock spezialisiert …

8 Kommentare

  • Vor 14 Jahren

    bands, die nicht klingen wie die oder die andere gruppe, sind heutzutage ja eine seltenheit. health lassen sich aber durchaus als eine dieser ausnahmebands bezeichnen. dabei verfolgen sie einen sehr eigenständigen ansatz, der sich am ehesten noise zuordnen lässt. anyway, dem geübten hörer dürfte nach 2 sekunden auffallen, dass das hier nicht ganz alltäglich ist. wenn man lustig ist, kann man das ganze allenfalls mit wavves vergleichen.

    zugegeben, das selbstbetitelte debütalbum der kalifornier habe ich irgendwie verpennt.

    vor zwei tagen lief mir dann gar einer mit einem shirt der band in der innenstadt entgegen. die einzigen bandshirts, die ich in dieser stadt bisher gesehen habe, waren von ac/dc, motörhead, billy talent und tokio hotel. das health shirt quasi als surreales erlebnis.

    cover (http://www.amazon.de/gp/product/images/B00…)

    1. In heat
    2. Die slow
    3. Nice girls
    4. Death+
    5. Before tigers
    6. Severin
    7. Eat flesh
    8. We are water
    9. In violet

    ca. 32 minuten lang.

    würde nicht behaupten, dass das hier eine offenbarung ist (auch wenn sich die blogger momentan die finger hierzu wundschreiben), aber es lohnt reinzulauschen, zumal wenn man das gefühl hat, alles was so erscheint, schon mal gehört zu haben.

    review (http://www.plattentests.de/rezi.php?show=6…)

    album-stream (http://3voor12.vpro.nl/luisterpaal/)

    die slow (offizielles video) (http://www.youtube.com/watch?v=EWZxThGh5wQ) (die single ist allerdings sehr offensichtlich auf eingängigkeit getrimmt. rate daher dazu, sich "we are the water" als erstes anzuhören - die letzte minute hiervon ist unglaublich!)

  • Vor 14 Jahren

    wichtigste vergessen. :sweat:

    kommt freitag raus.

  • Vor 14 Jahren

    das bisher gehörte lässt mich irgendwie ratlos zurück.

    wird es zumindest momentan im rotationskontest schwer haben gegen "post-nothing" und "xx"

  • Vor 14 Jahren

    interessante review. hätten ja auch gut und gerne 5 punkte sein können.

    so wie sich das liest, scheint herr dorner ja regelmäßig sein fremdwortwörterbuch durchzuwälzen. die deutsche version von maelstrom("mahlstrom") war mir dabei gar nicht bewusst.

    "before tigers" flasht mich grade. :smoke:

  • Vor 14 Jahren

    @screw:

    du meinst ja hoffentlich nicht wirklich, dass ich genannte alben als referenzpunkte herannehme.

    bezieht sich mehr so auf meine aktuelle playlist und die unumwerflichkeit der 2 platten.

    UND SOSO!

  • Vor 11 Jahren

    ein brett von einem album. ein passender vergleich sind wohl fuck buttons, nur dass die eher jam lastig arbeiten. health haben hier wirklich einen noise klassiker für die pitchfork generation geschaffen. und das soll ein kompliment sein. :)