laut.de-Kritik
Vorne hui, hinten pfui.
Review von Kai ButterweckNach zwei Jahrzehnten auf der Showbühne und 13 Millionen verkauften Tonträgern war es für Helmut Lotti im Jahr 2011 an der Zeit, Bilanz zu ziehen: "Ich war einfach 40 und wollte mal sehen, was ich mit meinem Leben und meiner Karriere noch machen wollte", erinnert sich der belgische Schlager-Crooner. Nun ist er wieder zurück. Und das mit Pauken und Trompeten im Gepäck.
Acht Jahre nach seiner letzten Studio-Veröffentlichung will es Helmut Lotti noch einmal so richtig wissen: "Mehr Orchester, mehr Bläser - ich wollte quasi noch mehr Lotti hineinlegen." Die Rede ist von "The Comeback Album", Lottis Musik gewordenem Rückfahrticket ins Rampenlicht. Mit 15 neuen Songs will Lotti wieder alle vereinen: die Schlager-Fans, die Liebhaber opulent arrangierter Swing- und Jazz-Sounds und natürlich auch die Millionen Elvis-Anhänger, die spätestens seit der Veröffentlichung von Lottis Kniefall aus dem Jahr 2002 bedingungslos an seinen Lippen kleben.
Das Organ des Belgiers hat's aber auch in sich. Wenn sich Helmut Lotti vor dem King Of Rock'n'Roll verneigt, dann hat man bisweilen das Gefühl, Elvis selbst zu hören. Dieser Tage sind es Neuinterpretationen von alten Gassenhauern wie "The Impossible Dream", "My Boy" und "I've Got Confidence", die Erinnerungen an Zeiten wecken, in denen im Jailhouse noch gerockt wurde.
Gesanglich ist das wirklich aller Ehren wert. Musikalisch hingegen springt nur selten der Funke über. Im James-Last-meets-Roger-Whittaker-Modus holt man vielleicht noch all die Fernsehgarten-Abonnenten ab. Für jüngere Semester jedoch klingen aufgeplusterte Swing- und Big Band-Sounds aus dem "Dalli Dalli"-Archiv wie Soundtracks aus der Kreidezeit.
Nichts gegen amtliche Retro-Kost, nur sollte man der Adelung alter Glanztaten auch einen eigenen Stempel aufdrücken. Und genau das verpasst Helmut Lotti. Statt den Background nach seiner Gesangspfeife tanzen zu lassen, vertraut der Sänger auf schon tausendfach Kopiertes. Nicht nur Elvis-Fans, auch Anhänger von Annie Lennox ("Put A Little Love In Your Heart"), R.E.M. ("Everybody Hurts") und Simon & Garfunkel ("Bridge Over Troubled Water") ziehen die Augenbrauen zusammen, wenn sich Lottis musikalische Hintermänner mit angestaubten Vibes ihren Schätzen nähern.
"Everybody Hurts" kommt ummantelt von schläfrigen Jazz-Sounds einer in Musik gegossenen Dosis Valium gleich. Aus "Hallelujah" macht Helmut Lotti "Hallelujah" – völlig überflüssig und belanglos. Und "You'll Never Walk Alone" wird man überzogen mit marschierenden Snare-Tupfern und trillernden Flötentönen wohl auch nie aus den Anfield-Lautsprechern hören.
Zwar haut Helmut Lotti mit der flotten R'n'B-Hommage "Higher And Higher" zum Ende hin doch noch eine Perle raus. Aber da ist es schon zu spät. Schön, mal wieder Lottis Stimme zu hören. Aber was nützt der tollste Gesang, wenn im Hintergrund pure Langeweile auf Händen getragen wird.
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