laut.de-Kritik

Jazz Fusion meets Flamenco meets Latin-Prog.

Review von

Hefte raus, Klassenarbeit! Thema: die chilenische Musikszene. Noch nie etwas davon gehört? Jetzt schon. Und Homínido dürfte den ein oder anderen dazu bringen, sich eingehender mit Rockbands dieser Gegend zu beschäftigen.

Seit 2013 sind Francisco Martín, Rodrigo Gonzáles Mera, Pablo Cárcamo und Eliana Valenzuela als Homínido unterwegs. Jetzt, ein gutes Jahr später präsentieren sie ein Debütalbum, das es in sich hat. Im Studio verstärkt durch Christopher Hernández an der Trompete und Benjamín Ruiz an der Violine – beide Mitglieder der Vorgängerband Las Desooorden – kreieren sie einen ungewöhnlichen, aber ganz und gar begeisternden Genremix.

Klar vom Jazz beeinflusst, reißen Homínido die Grenzen des Rock, teilweisen sogar des Metal ein, weben poppige Strukturen unter die progressive Oberfläche, driften gelegentlich in Richtung Flamenco und legen Wert auf angemessene Vertretung ihrer südamerikanischen Heimat. Letzteres schlägt sich vor allem im Percussionsektor nieder. Statt die an einem Song beteiligten Musiker aufzuzählen, schreiben Homínido nämlich lieber sämtliche verwendete Instrumente im Booklet nieder. Bei einigen Tracks umfasst die Schlagwerkfraktion gerne mal 14 verschiedene Namen.

Aber das ist noch längst nicht alles, was die Kapelle aus Valdivia zu bieten hat. In punkto Melodien sind Homínido mindestens genauso fit. Man nehme nur einmal das fragile "Desde Las Cumbres Al Mar". Auf der Basis schöner Akustikgitarren, vor dem Hintergrund vielschichtiger Rhythmusarbeit, entfalten Streicher und Keyboards ihre Harmonien, ein feines Klaviersolo hakt sich unter und Eliana Valenzuela trägt den Song mit ergreifendem Balladengesang.

Die Sängerin erweist sich über das gesamte Album als äußerst vielseitig. Rockröhre beherrscht sie genauso wie chansonhafte Grazie. So bleibt der Gesang im Gegensatz zu vielen anderen Progbands nicht nur Ergänzungsmittel oder notwendiges Übel, sondern wird im Gegenteil zu einem essentiellen Bestandteil der Kompositionen.

Trotzdem kommen die Musiker bisweilen ganz gut ohne ihre Frontfrau aus. "Eterno Retorno" entpuppt sich als knapp neunminütiges Instrumental und vorzügliche Rhythmusbombe. Percussion, Gitarre und Trompete ergänzen sich im Hauptmotiv hervorragend. Nach einem ruhigeren Zwischenteil, in dem die Saiteninstrumente leise Melodien anstimmen und das Schlagzeug nervös zuckt, nimmt sich auch letztere die längst überfälligen Freiheiten und setzt zum Solo an.

Zuvor stellt Pablo Cárcamo an der Gitarre seine Fähigkeiten auf diesem Gebiet unter Beweis. "Ciudades De Piedra" bietet dem Saitenmann jede Menge Platz für Experimente. Der saugt sich prompt einen schicken Lauf aus den Fingern. Auch im abschließenden "Magma" zeigt er noch einmal sein Können.

Einziger Meckerpunkt ist der Sound. Der kann mit aktuellen Studiostandards nämlich leider nicht mithalten und könnte hie und da ein wenig mehr Druck vertragen. "Gut gemachtes Demo" trifft es klanglich wohl am besten. Doch natürlich bietet die Produktion auch einige positive Seiten. Details kommen klasse zur Geltung, die Instrumente klingen sehr differenziert. Und speziell wenn Eliana in einigen Passagen die harten Konsonanten der spanischen Sprache betont, erweist sich der rohe Sound als Glücksgriff.

Textliches Thema ist der Band zufolge die – teilweise magische – Verbindung zwischen bestimmten Steinen und dem Mensch. Da wünscht man sich glatt, man hätte den schulischen Spanischunterricht nicht schon komplett verdrängt. Denn der esoterisch-philosophische Touch passt hervorragend zur dargebotenen Musik. Aber auch wenn man kaum etwas davon versteht, so kann man sich immer noch am schönen Klang der Worte erfreuen. Wie heißt es so schön? Die Musik spricht für sich selbst.

Trackliste

  1. 1. Simún
  2. 2. Ciudades De Piedra
  3. 3. Insano Devenir
  4. 4. Desde Las Cumbres Al Mar
  5. 5. Shalágram Shilá
  6. 6. Eterno Retorno
  7. 7. Cabeza De Piedra
  8. 8. Mi Roca Interna
  9. 9. Adoquines Queretanos
  10. 10. Estirpe Lítica
  11. 11. Salar
  12. 12. Magma

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