laut.de-Kritik

Tom Waits in Lederhosen.

Review von

Wenn man seine Band auf ein Schiff packt und die Donau auf und ab segelt, erlebt man viel. Jeden Tag ein anderes Land, andere Menschen, andere musikalische Welten. Doch irgendwann ist auch die längste Jamsession vorbei und das Leben als Landratte ruft einen zurück.

Hubert von Goisern wusste, es war wieder Zeit für Veränderung. Das bedeutete zuerst die Komprimierung der großen Band auf Kernbesetzung (Gitarre, Bass, Schlagzeug). Danach verabschiedet er sich von elektronischen Klangwelten, und Gäste kamen auch keine ins Salzburger Studio.

Eigentlich klassische Vorrausetzungen für eine in sich gekehrte Platte, voller reduzierter Arrangements, quasi eine akustische Dekompression von den aufreibenden letzten Jahren. Doch dann schunkelt "Brenna Tuats Guat" mit einer Ziehharmonika im Offbeat dieses Bild geradewegs aus den Gedanken hinaus. Einige Powerchords darüber gelegt und schon ist man mitten drin im mitreißenden Polka-Rock, der damals in den Neunzigern das Attribut Alpenrock verdient hat.

Vielleicht führt er uns mit diesem Opener auf die falsche Fährte? Lässt uns über seine Wurzeln stolpern? Die Antwort folgt in Form von Ska mit Kuhglocken und einem 60er-Westernflair in "Indianer", das den Beweis für ungebrochenen Ideenmut auch mit 58 Jahren liefert.

Auf diese Art und Weise zieht Hubert von Goisern uns immer wieder den Boden unter den Füßen weg. Abwechslung stand wie immer in dicken Lettern an der Studiowand geschrieben, wenngleich die klassische Rockband-Besetzung zumindest auf den ersten Blick im Soundgewand dominiert. Da begegnet man schleppendem Bluesrock ("I Versteh Di Nid"), Tom Morello-Riffs mit der Maultrommel ("Suach Da An Andern") oder neu gefunden Mut zu jammernden Gitarrensoli ("Halt Di An", "I Versteh Di Nid").

Die volkstümliche Tradition hat er schon verarbeitet, afrikanische und östliche Einflüsse sind längst ins Blut übergegangen und müssen nicht mehr vordergründig zelebriert werden. Hingegen ist es die westliche Populärmusik und die prägende Spielart des Blues, der sich der Goiserer auf "Entwederundoder" vermehrt widmet.

Besonders ab Albumhälfte platziert sich ein Quartett an Songs, die nirgendwohin besser passen, als in eine verrauchte Jazz-Bar. Nach anfänglicher Freispielung von allen selbstauferlegten Vorgaben für dieses Album, ist er nun an der persönlichsten Front angelangt. Jetzt dominieren Klavierakkorde, gedämpfte Orgelfarben und sparsame Gitarren.

Dabei echot nicht nur einmal der Geist vom Tom Waits der 70er-Ära durch, sowohl musikalisch als auch textlich. Reimt HvG vorher in "Indianer" mutig "Pfeil und Bogen" auf "riesige Hoden", ergeht er sich in "Es Is Wias Is" in gefälligen, a-typischen Ski-Kommentaren. Der trockene Humor lauert meist am Ende jeder Zeile, erschließt sich erst mit der letzten Silbe.

Lyrisch schöpft er wie gewohnt aus den Vollen, bedient sich der Goisern'schen Bildsprache von Natur, Vergangenheit, Aufbruch und Existenziellem, vor allem natürlich im stark mit Balladen beladenen zweiten Teil des Albums. Da gibt die karge Instrumentierung viel Raum für den Gesang, lässt Texte über Träume, Abschied und Veränderung viel Platz zur uneingeschränkten Wahrnehmung - exemplarisch die Klavierballade "Lebwohl". Dem gegenüber steht das Instrumental "ÜUOÖ", das durch unheimliche Trägheit der Ziehharmonikaklänge seine hypnotisierende Wirkung entfaltet und die hervorragende Band wieder einen Schritt weiter ins Scheinwerferlicht treten lässt.

Selten passte ein Albumtitel besser zu dem künstlerischen Werk wie in diesem Fall. Es wird mehr gerockt im Hause von Goisern, gleichzeitig kehrt er auch seine Blues- und Jazzwurzeln stärker hervor, veredelt wird immer noch mit der Ziehharmonika. Das rote Tuch der gängigen Konventionen wird etwas gelockert, die Eigenständigkeit bleibt.

Trackliste

  1. 1. Brenna Tuats Guat
  2. 2. Indianer
  3. 3. Halt Di An
  4. 4. I Versteh Di Nid
  5. 5. Heidi Halt Mi
  6. 6. Es Is Wias Is
  7. 7. Nit Lang Her
  8. 8. Lebewohl
  9. 9. I Kenn Oan
  10. 10. Suach Da An Andern
  11. 11. ÜUOÖ (Über-Unter-Ober-Österreicher)
  12. 12. Neama Bang

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