laut.de-Kritik
Deutschlands Westcoast liegt im Saarland.
Review von Dani Fromm"Sie fliegen auf silbernen Flügeln, sie fliegen mit Nerven aus Stahl, teils aus Metall, teils real. Das sind ...", Kinder der 80er unter uns könnten sich erinnern, "... äh ... die Inglebirds." What?!? So hießen die damals aber nicht!
DCVDNS, Hermann Weiss und Wolfgang H. ist das herzlich wurscht. Sie kapern das "Silverhawks"-Hörspiel-Intro, kleben ihm absichtlich dilettantisch die eigenen Namen auf und basteln daraus ein Intro, so bescheuert, es ist schlicht großartig.
Ein Schuss, der erste von unzähligen, die noch fallen sollen, beendet den Quatsch und befördert mit hartem Tritt ins eigentliche "Intro". Dort setzt DCVDNS zunächst einmal die Eckpfeiler, innerhalb derer wir uns im Folgenden bewegen dürfen. "Die Kanone poliert, die Patronen sortiert, die Szene fokussiert mit rotem Punkt auf der linken Brust, gegen jeden programmiert. Du bekommst ein Schuss in dein Herz, landest auf der Straße wie wenn dich ein Bus überfährt."
Den Bus haben die Inglebirds längst in Gestalt von "Wadadadang" unter, nein, besser übers Volk entsandt: Einem Album eine Granate dieser Sprengkraft vorauszuschicken, die zudem bei jedem Durchlauf weiter über sich hinaus wächst, zeugt von erheblichem Mut. Was, bitteschön, soll danach denn noch kommen?
Hermann Weiss zwitschert uns die Antwort: "Schnäbel aus Stahl spucken Sätze aus Blei, silberne Schwingen und die Flügel gespreizt, Fänge wie Butterflys, Blicke aus Eis, ein gepanzertes Federkleid, vom Wind getragen durch Raum und Zeit, das Auge, das unter den Sternen kreist, eiserne Vögel verbreiten das Leid. Macht euch bereit für die Inglebirds." Genau. Macht das mal besser.
"Big Bad Birds" fordert mit einer Vehemenz zum Gangsterboogie auf, dass sich das Angebot unmöglich ablehnen lässt. Wolfgang 'Dub Gang' H. nagelt ein lupenreines G-Funk-Brett ans nächste und zimmert sich und seinen beiden Kollegen aus wuchtigen, arschkickenden Bässen, wirkungsvollen Samples und Scratches die perfekten Kulissen für knallhartes Silbenschnellfeuer.
"Hier wird gechoppt, funky gerappt, das sind keine Doubletimes, du Idiot!" Die Inglebirds spucken schnell, derbe, präzise und in "Strosseslang" auch einmal, wie die saarländischen Schnäbel wirklich gewachsen sind. Wer es noch nicht wusste, weiß es jetzt: Sollte dieses Land überhaupt so etwas wie eine Westcoast besitzen, liegt sie im Saarland, und ihre Hauptstadt heißt St. Ingbert.
Am Ende der Vorstellung haben zwar alle Beteiligten die Schnauze gründlich voll. Die Anstrengung, das beschauliche Städtchen als Sumpf des Verbrechens schwarzzumalen, hinterlässt Spuren. DCVDNS beweint im "Outro", er habe "psychische Schäden davon getragen", Hermann Weiss will "nur noch raus aus dem Gangstashit", während sich Kollege Wolfgang H. mit der Frage martert: "Kann es sein, dass ich in Wirklichkeit ein Weichei bin?"
Kann schon sein, ja, ist aber im Endeffekt so scheißegal wie den Inglebirds scheinbar der Rest der Welt, ganz sicher aber der Rest der hiesigen Hip Hop-Szene: "Deutscher Rap ist eine Promophase", bringt "Wadadadang" deren Zustand gnadenlos auf den Punkt, "doch bei den Big Bad Birds geht es um Flavor, Flows und Straße."
"Fick die Medien, fick Trends, fick Fans", schimpfen die Saarländer aus "Kugeln In Der Luft" und erledigen gleich alle drei auf einmal. Letztere vermutlich am wirkungsvollsten mit der Verlautbarung, man habe die Crew infolge "privater Differenzen" pünktlich zum Releasetag aufgelöst. Falls die Trennung (anders, als früher schon) diesmal für immer sein sollte, haben uns die Inglebirds immerhin ein Album lang grandiose Unterhaltung beschert. "Das ist mein Leben, kein Entertainment ... der Scheiß ist real!" Echt jetzt? Mist. Trotzdem feiern? Jawollja! "Big Bad Birds 4 life!"
13 Kommentare mit 14 Antworten
Finde es etwas schade, dass die Review fast nur auf die Tracks eingeht, die man sowieso schon kennt. Ansonsten natürlich gelungen.
in der Tat
Cool, mal reinhören. Wobei ich finde, dass der Pullundermann deutlich besser als die anderen beiden rappt (ähnlich wie Aphroe früher bei RAG)
kann man so sehen, wobei ich - auch wie bei rag - schon finde, dass die anderen beiden nicht abstinken. das gesamtbild passt einfach. und vier der fünf punkte wär' mir allein schon fast das boogiedown-zitat wert gewesen. wadadadäng!
Die besten Parts hat aber Hermann Weiss, hätte ich auch nicht gedacht.
Ganz allgemein sind die Rapskills bei dem Viech von einem Album hier eh zweitrangig.
Jeder Schuss ein Treffer, ein gefühltes Best-Of.
Super Album! Allein der gesamte Flavour, den die tollen Beats und die starken Flows gepaart mit dem einzigartigen Humor der drei Saarländer erzeugen, übertrifft die anderen Rapalben dieses Jahres um Längen! Das ist Rap, wie ich ihn in Deutschland endlich mal hören wollte! Probs!
finde das ziemlich unhörbar und stressig alles.
Einfach super Album