laut.de-Kritik

Der Singer-Songwriter vertont sein Tagebuch.

Review von

"Well, I sleep all day and drink all night / just give me one good reason / I'll turn out my light / now I'm terrified." Mit diesen Zeilen des eingängigen Openers lädt der Londoner Isaac Gracie zu seinem gleichnamigen Debütalbum ein, das einige Songs seiner vorangegangenen EPs aufnimmt und um sechs Neukompositionen ergänzt. Schon seine beiden Mini-Alben brachten dem Briten, der zunächst ein Englisch-Studium abgebrochen hatte, den Ruf eines aufstrebenden Newcomers in der Singer-Songwriter-Szene Englands ein.

Auf seinem ersten Longplayer liefert der blonde Lyriker oft melancholische Tagebucheinträge, die seine raue Stimme mal hauchend, mal schreiend intoniert. Seine Gitarre ist dabei stets in den Songstrukturen verankert. Mit bewegender Eindringlichkeit erinnern die schmerzverliebten Vocals stellenweise an Cobain, aber auch Einflüsse von Gracies Vorbildern wie Dylan oder Cohen schimmern auf der Scheibe durch. Während Pianoklänge, Synthie-Spuren und subtiler Hintergrundgesang die prominente Akustikklampfe stimmig komplementieren, kratzen die elf Anspielstationen zwischen Akustikpop und Alternative nicht nur einmal jeweils an der Fünf-Minuten-Marke.

Erstmals für Aufsehen sorgte der Londoner mit dem balladesken "Last Words", das bereits 2016 auch auf der "Songs From My Bedroom"-EP erklingt und mittels straffer Akustikklampfe und gefühlvoller Stimme an den jungen Jeff Buckley erinnert. Deutlich streitlustiger präsentiert sich "The Death Of You And I", wenn sich eine Blues-Strophe à la Johnny Cash bald mit krachenden E-Gitarren und stampfenden Drums zum geschrienen Gänsehaut-Refrain mit Todessehnsucht emanzipiert. Dass im gesamten Song beinahe nur zwei Akkorde miteinander konzertieren, mag gar als musikalisch ausgedeuteter Kontrast zwischen "You" und "I" angesehen werden. Interpretationsspielraum bieten die Lyrics genug.

Häufiger zeigt sich Gracie allerdings von seiner sanften Seite, wenn er wie in "Telescope" über die entschleunigten Schwingungen der Streicher mit friedlicher Stimme singt: "Been looking through a telescope / had me thinking that we were close / All this time I had loved you so / But now it's time to let you go". In dieselbe Kerbe schlagen auch "That Was Then" und "Reverie", die im beschwingten 6/8-Takt flackern und zu unaufgeregter Akustik-Untermalung träumerische Texte hervorbringen. Dabei balanciert der Londoner schwindelfrei an der Grenze zum Kitsch, bleibt jedoch stets auf Seiten der Authentizität.

Während "All In My Mind" mit Staccato-Einwürfen der E-Gitarre experimentiert, beschreibt "Silhouettes Of You" ein stetig anschwellendes Crescendo, das zunächst als A cappella beginnt und im Laufe seiner Spielzeit die reduzierte Klangtapete mit den Farben des Pianos, der Drums und eines subtilen Backgroundchors auffüllt.

Obwohl Isaac Gracie laut eigenen Angaben wohl vermehrt dem Alkoholgenuss frönt und seinen Schlafbedürfnissen nachgeht, liefert der Brite mit seiner ersten Platte ein sehr ordentliches und kohärentes Debüt ab, das die persönlichen Texte in typischer Singer-Songwriter-Manier einfängt und dabei zwischen Leichtsinn und Melancholie in nahe gelegene Klangwelten lugt.

Trackliste

  1. 1. Terrified
  2. 2. Last Words
  3. 3. The Death Of You And I
  4. 4. Running On Empty
  5. 5. Telescope
  6. 6. That Was Then
  7. 7. When You Go
  8. 8. Silhouettes Of You
  9. 9. All In My Mind
  10. 10. Hollow Crown
  11. 11. Reverie

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