laut.de-Kritik

Die eine Hälfte von Air hat es nicht so mit wohl dosiert.

Review von

Ein französischer Akzent? Reizend. Lispeln? Charmant. Nicht singen können, drauf pfeifen und trotzdem zum Mikro greifen? Couragiert. Wenn wie im Fall von Jean-Benoît Dunckel aber alles zusammen kommt, ist das auf Albumlänge schon harter Tobak. Dieses Hörerlebnis hält nicht jeder durch.

Wohl auch deswegen reicht Air seinen Gesang in wohldosierten Häppchen. Ein wichtige Komponente, von der ein Teil der Faszination der Band ausgeht. Aber egal, ob mit Starwalker, als Darkel oder nun als JB Dunckel, abseits seiner Hauptband hat es der Franzose nicht so mit wohl dosiert. Während Nicolas Godins Soloalbum "Contrepoint" durch zu viele Ideen ins straucheln kam, hat JB Dunckel für "H/+" gerade mal zwei. a) Klingen wie Air. b) Auf fast jedem Song singen.

Das wäre immer noch okay, doch leider beschneidet er die von ihm erschaffenen Klangwelten noch dazu, um Platz für seine Stimme zu schaffen. Die beiden Instrumentals "Qwartz", "Ballad Non Sense" und die letzte Hälfte von "Carpet Bombing" zeigen dies recht deutlich. Erst in dem Moment, in dem er seiner Musik Platz lässt und sie vom Strophe-Refrain-Muster befreit, blüht sie auf. Dadurch, dass sich Dunckel selbst einengt, begeht er einen fatalen Fehler. Er beraubt sich seiner eigenen Stärke: Diese liegt in Soundtüfteleien und ganz sicher nicht im Songwriting.

Transusig und uninspiriert pluckern Tracks wie "The Garden" oder "Space Age" am Ohr vorbei, ohne bleibenden Eindruck zu hinterlassen. Bereits minimale Variationen des Schemas, wie etwa die Percussions in "In Between The Two Moons", müssen als Wiedererkennungswert reichen.

Allein diesen lahmen Enten haben es Stücke wie "Love Machine" oder "Transhumanity" zu verdienen, überhaupt in den Fokus zu rücken. Gegen Ende dreht Dunckel mit "Carpet Bombing" das Tempo ungewohnt hoch und rüttelt aus dem Dauerschlaf. Doch der rabiaten Bruch der zuvor über eine Dreiviertelstunde aufgebauten Stimmung lässt den Song wie einen Fremdkörper wirken.

Zwischen vielen Skizzen und den beiden Instrumentals bleiben der mit seinen Coldplay-Keyboards ausgestattete Opener "Hold On" und vor allem das von einem forschen Schlagzeug vorangetriebene "Kill For You" die einzigen weitestgehend gelungenen Songs. Die einzigen, die etwas Zauber versprühen. Eine reichlich magere Ausbeute.

20 Jahre nach "Moon Safari" zeigen Solowerke wie JB Dunckels einschläferndes "H/+" oder Godins "Contrepoint" vor allem, wie sehr die beiden musikalisch voneinander abhängig sind. Wie sehr sie sich benötigen, um Sternstunden zu erschaffen. Sie fordern gegenseitig ihre Kreativität, beschränken aber auch die Schwächen des Anderen. Hoffen wir, dass Air den Solo-Schabernack bald hinter sich lassen und sich bald für einen "Le Voyage Dans La Lune"-Nachfolger zusammenreißen.

Trackliste

  1. 1. Hold On
  2. 2. Love Machine
  3. 3. The Garden
  4. 4. Transhumanity
  5. 5. Qwartz
  6. 6. Slow Down The Wind (UP)
  7. 7. Space Age
  8. 8. In Between The Two Moons
  9. 9. Show Your Love
  10. 10. Ballad Non Sense
  11. 11. Carpet Bombing
  12. 12. Kill For You

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