1. März 2017

"Die Leute rennen uns die Türen ein"

Interview geführt von

Nach fünf Jahren kommen die Japandroids endlich mit einem neuen Album um die Ecke. Das gute Stück heißt "Near To The Wild Heart Of Life" und zieht einen vorläufigen Strich unter das Garage-Rock-Kapitel des Duos.

Nach über 200 Shows in über 40 Ländern zogen Japandroids im November 2013 die Reißleine. Nichts ging mehr. Der Akku war leer. Brian King und David Prowse hatten fertig: "Als wir nach unserer letzten Show in Buenos Aires im Hotel ankamen, waren wir fix und fertig. Wir hatten eine zweijährige Tour in den Knochen und mussten die ganzen Erlebnisse erst mal verarbeiten", erinnert sich Sänger und Gitarrist Brian King.

Es dauerte allerdings nicht lange, da juckte es den beiden wieder in den Fingern. Zwischen Vancouver, Toronto, New Orleans und Mexico City pendelnd, legten Brian und David im Herbst 2014 das Fundament für das dritte Japandroids-Album. "Near To The Wild Heart Of Life" erschien im Januar 2017 und klingt wie der Beginn eines neuen musikalischen Kapitels. Wir trafen Schlagzeuger David Prowse zum Interview und plauderten über Bandregeln, neue Sounds und pure Glückseligkeit im Hier und Jetzt.

David, euer neues Album "Near To The Wild Heart Of Life" präsentiert sich zunächst so, als hätte sich bei euch nichts verändert. Das Coverfoto, die obligatorischen acht neuen Songs: Das sind Eckpfeiler, an denen scheinbar nicht gerüttelt wird, oder?

David Prowse: Ich weiß nicht. Vielleicht ändern wir das irgendwann doch mal, keine Ahnung. Beim Coverartwork ist es einfach so, dass Brian und ich in unseren eigenen Vinylsammlungen unheimlich viele Scheiben haben, die sich ähnlich präsentieren und mit denen wir aufgewachsen sind. Nimm nur die alten Springsteen-Alben. Da ist jedes Cover ein Abbild der jeweiligen Zeit. Man sieht, wie sich der Boss vom jungen Rebellen zum gestandenen Rocker entwickelt. Das hat uns schon immer fasziniert. Wir wollten das damals als wir anfingen genauso angehen. Und bisher fühlen wir uns sehr wohl damit.

Mit den acht Songs ist es ähnlich. Allerdings hat sich das mittlerweile aufgelockert. Seit der Veröffentlichung von "Celebration Rock" gibt es diesbezüglich kein 'Muss' mehr. Soll heißen: Wir gehen nicht mehr bewusst mit der Acht-Songs-Regel ins Studio. Das Lustige ist aber: Am Ende bleiben trotzdem nur acht Songs übrig. Keine Ahnung, warum das so ist. Aber wir hatten schon beim letzten Album weitaus mehr Material am Start. Auch diesmal sind wir mit mehr Songs ins Studio marschiert. Aber wie du siehst: Es haben wieder nur acht Songs den Sprung auf die Platte geschafft. Wir finden das mittlerweile auch sehr seltsam. (lacht)

Bei euch scheinen die Dinge generell etwas anders zu laufen. Ich meine, ihr beide habt erst mit Anfang 20 mit dem Musikmachen angefangen. Die meisten anderen Musiker haben in dem Alter bereits ein Album und zwei Tourneen auf der Habenseite.

Ja, mag sein. Eigentlich hätten wir auch nie gedacht, irgendwann einmal mit einer Band unseren Lebensunterhalt zu verdienen. Aber das Leben schreibt manchmal die seltsamsten Geschichten.

Wohl wahr.

Es ist doch so: Wer die Dinge nicht ausprobiert, der wird nie erfahren, wie es vielleicht hätte werden können. Als wir damals während unserer Studienzeit die Wochenenden in den Bars und Clubs von Vancouver verbrachten, wollten wir eigentlich nur eine gute Zeit haben. Aber dann haben wir all diese tollen Bands entdeckt. Und ich rede jetzt nicht von etablierten Acts. Das waren Bands, die niemand kannte. Die haben die Nacht zum Tage gemacht, sind völlig abgegangen und haben sich die Seele aus dem Leib gespielt. Das hat uns total beeindruckt.

"Wir haben aus der Not eine Tugend gemacht"

Und dann habt ihr gedacht: Das können wir auch ...

Genau. Warum auch nicht? Wir haben dann einfach losgelegt. Irgendwann waren wir dann mittendrin.

Warum hast du dich fürs Schlagzeug entschieden?

Ich habe schon weiter gedacht. Sänger und Gitarristen gibt es wie Sand am Meer. Schlagzeuger werden immer gebraucht.

War von vornherein klar, dass ihr als Duo an den Start gehen wollt?

Nein, nicht wirklich. Eigentlich wollten wir einen richtigen Sänger dabei haben. Und natürlich auch einen Bassisten. Aber irgendwie hat alles nicht so richtig geklappt. Also haben wir aus der Not eine Tugend gemacht.

Stimmt es eigentlich, dass ihr kurz vor der Veröffentlichung eures letzten Albums das Handtuch werfen wolltet?

Ja, das stimmt. Zuerst war alles natürlich total spannend für uns. Irgendwann ging es aber nicht so richtig weiter. Da dachten wir uns: Okay, dann lass uns das Ding beenden, bevor sich noch mehr Frust breitmacht. Eines unserer letzten Konzerte sollte auf dem Montreal Pop Festival stattfinden. Und dort trafen wir auf Greg Ipp von Unfamiliar Records. Der war schwer begeistert von uns und unserem Sound und bot uns einen Vertrag bei seinem Label an. Naja, der Rest ist bekannt. Wir unterschrieben, nahmen "Celebration Rock" auf und tourten mit dem Album um die halbe Welt. Und jetzt sitzen wir hier. (lacht)

Nach drei Jahren Pause.

Genau. Die Zeit brauchten wir aber auch. Wir waren nach der letzten Tour total im Eimer. Da ging gar nichts mehr.

"Live geht es nur um Energie"

Wann habt ihr wieder mit dem Schreiben angefangen?

Das ging schon im Frühjahr 2014 wieder los. Nach einem knappen halben Jahr hatten sich schon wieder viele Ideen angesammelt.

Im Gegensatz zu früher seid ihr dann aber ganz relaxt und ohne Zeitdruck an die Arbeit gegangen. Was war das für ein Gefühl?

Das war großartig. Und ich glaube, dass die neue Platte auch nur deshalb so klingt wie sie klingt, weil wir keinen Druck hatten. Sicher, wir hätten auch einfach so weitermachen können. Aber diesmal wollten wir mehr aus uns herausholen. Wir wollten Dinge ausprobieren, uns mal so richtig mit Technik und Sounds auseinandersetzen und ein neues Kapitel aufschlagen. So etwas funktioniert aber nur, wenn einem keiner im Nacken sitzt, der ständig auf die Uhr guckt.

Demnach lässt sich ein Stadionrock-Album also nicht mal eben so in vier Wochen aufnehmen?

Oh, du findest, wir machen jetzt Stadionrock?

Naja, vielleicht nicht durchgehend. Aber einige der neuen Songs könnte ich mir schon gut auf einer großen Arena-Bühne vorstellen. Du nicht?

Ich weiß nicht. Der Titeltrack geht schon in die Richtung. Da gebe ich dir Recht. Grundsätzlich finde ich es aber erst mal toll, dass ich dieser Tage mit lauter verschiedenen Schubladen konfrontiert werde. Das zeigt, dass wir alles richtig gemacht haben.

Was habt ihr denn vorher falsch gemacht?

(lacht) Nichts! Jede unserer Platten wird irgendwann mal für eine bestimmte Bandphase stehen. Und das ist auch wunderbar so. Mit der neuen Platte wollten wir es den Leuten etwas schwieriger machen. Wir wollten nicht mehr ganz so greifbar sein. Und wenn mir die Leute jetzt jeden Tag mit neuen Definitionen kommen, dann freut es mich natürlich.

Ihr wart jahrelang als Garage-Rock-Duo unterwegs. Mit dem neuen Album kommt ihr in puncto Sound nun erstmals geballter um die Ecke. Ich würde sogar behaupten, ihr klingt mittlerweile fast schon wie eine Band im klassischen Line-Up. Spielt man da nicht automatisch auch mal mit dem Gedanken noch zwei oder drei weitere Musiker fest mit einzubinden?

Nein, eigentlich nicht. Ich denke, solange wir in der Lage sind, all das, was wir für unseren Sound benötigen, alleine auf die Beine zu stellen, bleibt alles beim Alten. Live spielt es eh keine Rolle. Da ist es egal, ob wir eine oder zwei Gitarrenspuren am Start haben, oder mit oder ohne Effekten und Chören arbeiten. Live geht es nur um Energie. Und die haben wir inne. Da braucht sich niemand Sorgen zu machen. Im Studio ist es natürlich eine andere Sache. Da muss man schon bereit sein, sich zu öffnen. Aber das sind wir jetzt. Wir hatten diesmal richtig Spaß dabei, an all den Knöpfen und Reglern zu drehen, bis genau der Sound entstand, den wir haben wollten.

Was wollt ihr noch?

Momentan sind wir glücklicher denn je. Wir haben alles. Wir haben unser Daseinstief überwunden, sind zurückgekommen und leben gerade all unsere Träume. Das Album ist noch nicht draußen, aber die Leute rennen uns bereits die Türen ein. Sie wollen wissen, wie es klingt und wann wir endlich wieder auf Tour gehen. Wir können uns wirklich nicht beschweren. Alles läuft super.

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Wer braucht schon einen Leadsänger? Brian King und David Prowse finden: wir nicht. Was eigentlich ein Trio ergeben sollte, bleibt beim stürmischen Duo.

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