laut.de-Kritik

Damon Albarn, bitte übernehmen Sie!

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Wenn es stimmt, dass man als Künstler aus der Masse der musizierenden Zunft optisch herausstechen muss, um überhaupt aufzufallen, dann hat Jenny Wilson 2006 eigentlich alles richtig gemacht. Das Cover von "Love And Youth" zeigte die Schwedin als weiblichen Andrew W.K., zur blutenden Nase gesellte sich eine eigenwillige Schmink-Ästhetik, die Wilsons unorthodoxes Pop-Verständnis schön zur Geltung brachte.

Das Glück der Entdeckung ihrer herzzerreißenden Frühlingssongs blieb dann leider nur wenigen Musikjournalisten vorbehalten, denn Wilson verzichtete nach einsetzenden Erfolgen in Skandinavien darauf, die Platte hierzulande live vorzustellen.

Der Nachfolger "Hardships!" ist ein weiteres Juwel einer beeindruckenden Künstler-Persönlichkeit geworden und aus oben genannten Gründen dürfte es auch niemand bemerkt haben, dass das Album bereits seit exakt einem Jahr in Schweden und Umgebung erhältlich ist.

Angeblich habe man in Deutschland für das Werk lange Zeit kein interessiertes Label gefunden, was hiesigen Entscheidungsträgern ein absolutes Armutszeugnis ausstellt.

"Hardships!" ist Wilsons Opus Magnum, angefangen vom bezaubernden Cover-Foto mit Schrotflinte, das einen außer an Morrissey sofort an Bergman-Filme der 50er Jahre erinnert, bis hin zu dreizehn hypnotischen Pop-Miniaturen.

Sicher, man muss Wilsons akrobatische Stimme mögen, aber dass sich Menschen dem minimalistischen Groove des Openers "The Path" entziehen können, einem mit Elektronik- und Jazz-Elementen gespickten Stück Cabaret-Rap mit der tollen Zeile "I wanted to be born / so I crawled out in the middle of the night / out of my mother", ist dann doch schwer vorstellbar.

Vielleicht beschreibt man Jenny Wilson am besten als eine Art kleine Schwester von Roisin Murphy; erlaubt ist alles, solange nur der Flow stimmt. Wer Murphys experimentelles "Ruby Blue"-Album schätzte, dürfte mit den "Hardships!" viel anfangen können (man vergleiche nur das quasi seelenverwandte "The Wooden Chair").

Wilsons arty Groove setzt sich aus einer an Detailversessenheit grenzenden Sound- und Geräuschauswahl sowie aus dem facettenreichen Einsatz ihrer Stimme zusammen, etwa in "Like A Fading Rainbow", wo sie abwechselnd grummelt, schluchzt, flüstert und keucht, wodurch sich die Sogkraft der Pop-Nummer erst richtig entfaltet.

Das Acapella "Motherhood" ist der eindeutigste Bezug auf Wilsons Album-Thema, das sie nach der Geburt ihres zweiten Kindes festlegte. "Es ist eine Sammlung moderner Arbeitersongs. Das Album handelt auch davon, Mutter zu sein und von den Kämpfen, die damit verbunden sind", erklärt Wilson.

Da bleibt einem nur die Frage: Warum gibt es nicht mehr solche Mütter unter den Popstars? (Roisin Murphy ist es jetzt auch). Eine stilistische Einordnung ihrer Songs ist mittlerweile kaum mehr möglich. Wo 2006 vor allem funky Electro auf der Pop-Wiese blühte, wuchert nun R'n'B, Blues und Gospel in den wildesten Ausprägungen.

"Hardships!", das Wilson kürzlich folgerichtig mit einem Gospelchor auf Theaterbühnen brachte, ist zu gleichen Teilen mutig, eingängig, versponnen-verspielt und zeitlos. Mit vorliegender Performance etabliert sich die Schwedin als hochkarätiges Talent, das hoffentlich bald auch international für Furore sorgt. Zum Beispiel auf dem kommenden Damon Albarn-Projekt.

Trackliste

  1. 1. The Path
  2. 2. Like A Fading Rainbow
  3. 3. Clattering Hooves
  4. 4. The Wooden Chair
  5. 5. Porcelain Castle
  6. 6. Anchor Made Of Gold
  7. 7. Bad Waters
  8. 8. Only Here For The Fight
  9. 9. Pass Me The Salt
  10. 10. Motherhood
  11. 11. Hardships
  12. 12. We Had Everything
  13. 13. Strings Of Grass

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