laut.de-Kritik
Die Alice In Chains-Ikone blickt in den Rückspiegel.
Review von Yan VogelJerry Cantrell, graduierter Absolvent der Class Of 1991 und Vorsteher der Grunge-Ikone Alice In Chains, wartet zwanzig Jahre nach "Degradation Trip" wieder mit einem Soloalbum auf: Das in Eigenregie und in physischer Form nur als Import erhältliche "Brighten" weckt die Abenteuerlust. Der starke Bezug auf akustische Gitarren und Americana-Sounds bildet neben der konzeptuellen Ausrichtung einen Unterschied zur Schwere der Stammformation.
Der Grand Seigneur des Flanellhemden-Rock blickt zurück in die eigene Vergangenheit, als der Traum des Musikerdaseins noch illusorische Zukunft war. Das letzte Stück "Goodbey" ist das einzige Cover auf seiner dritten Soloplatte. Hier huldigt der Mann mit der blonden Mähne Rocket Man Elton John, einem seiner ersten Idole. In "Nobody Breaks You" klingt eine weitere Jugendliebe an, klassischer Country.
Der Corona-Shutdown trug seinen Teil zur Entstehung der Platte bei. Als Solokünstler agiert Cantrell wesentlich freier, was die Entscheidungsprozesse angeht als bei Alice In Chains. Weil Abstand halten allerdings das Gebot der Stunde war, spielte sich viel Tüftelei im kleinen Personenkreis mit den beiden Produzenten Paul Fig und Tyler Bates hat. Die Basis - Schlagzeug, Bass und einige Gitarre - enstand gleichwohl in einem Raum, was der Platte Drive und Dynamik verleiht.
Die Riege an beteiligten Musikern spiegelt einmal sein verzweigtes Netzwerk wider und andererseits die Einflusssphäre Cantrells. Zum einen gerbt Dillinger Escape Plan-Drummer Gil Sharone die Felle, andererseits gibt sich Abe Laboriel Jr. die Ehre, der schon an der Seite von Paul McCartney Kilometer auf dem Tourtacho gesammelt hat. Guns N' Roses-Bassist Duff McKagan zupft derweilen ein paar tiefe Töne.
"Dismembered" zieht seinen Reiz besonders aus den Kontrasten. Den Singer/Songwriter-Track spickt der 55-jährige Musiker mit düster dräuenden Gitarren-Parts. "Prism Of Doubt" ist purer Heartland-Sound und kombiniert positive Aufbruchstimmung mit einem melancholischen Blick in die Ferne. "Black Hearts And Evil Done" fußt mit beschwingter Lagerfeuer-Romantik tief in der Americana-Prärie.
"Siren Song", eine klassische Ballade, atmet den Geist der frühen Neunziger und klingt wie eine Kreuzung aus dem introvertierten Beginn von "The Unforgiven" und den emphatischen Ausbrüchen in "Alive". Feel Good-Rock bricht sich dagegen in "Had To Know" Bann, womit sich der Kreis der eigenen Vita schließt. In Gänze wirkt "Brighten" routiniert und gelassen.
2 Kommentare mit einer Antwort
Ich bin Riesenfan von AiC und Cantrells ersten beiden Soloalben, aber sowohl „Rainier Fog“ als auch dieses Werk sind leider größtenteils zum Gähnen. Cantrells Möglichkeiten als Songwriter scheinen erschöpft.
Stimme ich zu, was Rainier Fog betrifft .Das war echt nichts. Dieses hingegen gefällt mir recht gut. Ohne es als sehr gutes Album zu benennen.
Brudi ist noch größerer AiC-Sympathisant als ich und ließ es gestern Abend bei sich mal durchlaufen, als ich zu Besuch war... Waren tatsächlich nicht mal 3 Momente dabei, die wirklich aufhorchen ließen.
Funktioniert mE eindeutig am besten in einem Bandkorsett, der Herr Cantrell, selbst wenn er in einem fremden als Kollaborateur mit drinnen steckt...