laut.de-Kritik
Synthie-Pop mit Nerd-Faktor.
Review von Katharina HöckerWas tun, wenn man sich von all den coolen Bands im Sommer Camp eine Abfuhr holt, weil man zu nerdig aussieht? Im Fall von Lucas Nathan: Solokünstler werden. Jerry Paper heißt die schillernde Identität, die er sich in Form einer Blumenkette oder eines seidenen Morgenmantels überstreift, um mit "Like a Baby" sein sechstes Studio-Album vorzulegen.
Jerry Papers Alben sind ein großes, stilistisch offenes Experiment. "Das alles entwickelt sich nonstop weiter, weil ich mich als Mensch andauernd verändere, und diese Veränderungen bilden letztlich den Kern meiner Musik", sagt der Künstler.
Aus New York kehrt Jerry Paper in die alte Heimat Los Angeles zurück und lässt sich dort ziellos durch Malls und Supermärkte treiben. Einen dystopischen Abgesang auf den Konsum sucht man auf "Like a Baby" jedoch vergeblich, vielmehr beschäftigt er sich mit "diesem endlosen menschlichen Zyklus aus Verlangen und Befriedigung." Weitere Einflüsse kommen laut Paper aus "den Randgebieten des Pop": Steely Dan, brasilianische Avantgarde-Musiker und Electronica aus Japan.
So verrückt wie seine Einflüsse sind auch Papers Musikvideos. In "Your Cocoon" dümpelt ein 3D-Modell von Papers Kopf durch psychedelisch animierte Weiten, während es von einem Clown bemalt wird. Der Sound dazu? Irgendwo zwischen exzentrisch und eingängig, poppig und elektronisch.
Co-produziert wurde das Album von Jerry Paper selbst, seines Zeichens außerdem Songwriter, Multiinstrumentalist und Katzenliebhaber. Bei mehreren Songs wird er außerdem von Sängerin Charlotte Day Wilson unterstützt, deren Stimme Liedern wie "Commercial Break" die nötige Leichtigkeit verleiht.
Der Song "A Moment" ist hingegen beinahe tanzbar. Um eine Vorstellung zu bekommen, wie das aussehen könnte, muss man sich nur eine von Jerry Papers eigenwilligen Live-Performances anschauen. Nicht zuletzt, weil Paper behauptet, auf der Bühne regelmäßig außerkörperliche Erfahrungen zu erleben.
Die poppigen Melodien und sein wahnwitziges Alter Ego täuschen schnell darüber hinweg, dass Nathan Lucas in der Lage ist, mit wenigen Worten eine komplexe Geschichte zu entspinnen. "You know everything's borrowed in this fragile life of our's. At least that's what they told me", sinniert er in "Everything Borrowed"
Eigentlich muss man sich permanent ein Bild von Jerry Paper vor Augen halten, sonst vergisst man schnell, dass diese facettenreiche Stimme wirklich zu diesem exzentrischen Jüngling gehört. Paper sagt über sich selbst: "Ist der Typ ein Idiot? Das ist eine berechtigte Frage." Und während man noch über eine Antwort nachdenkt, ertappt man sich, wie man zu "Like a Baby" mit dem Fuß wippt.
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