laut.de-Kritik
Ein Blick zurück, ein Schritt nach vorne.
Review von David MaurerWie sagte Freddie Gibbs vor nicht allzu langer Zeit in "Broken": "I done seen everything but old age." Ähnliches können auch die zahlreichen Rap-Wunderkinder aller Generationen von sich behaupten, die quasi schon ein ganzes Leben gelebt haben, bevor sie überhaupt die 25 erreichen. Die vermeintlich "Auserwählten" unserer Tage heißen Bishop Nehru, A-F-R-O oder Mick Jenkins. Oder eben Joey Bada$$.
Letzterer zementiert rund zweieinhalb Jahre nach seinem gefeierten Tape "1999" nun endlich den ihm vorauseilenden Ruf auf einem Album, das erwartungsgemäß voller Boom Bap-Nostalgie und Golden Era-Referenzen steckt. Trotz - oder gerade aufgrund - dieser Vorhersehbarkeit ist "B4.DA.$$" ein großartiges Debüt geworden. Denn so gerne und oft der Pro Era-Chef zurückblickt - mit seinem ersten Album macht er einen weiteren Riesenschritt nach vorne.
Joeys Faible für die Alte Schule offenbart sich wie schon auf seinen Mixtapes gleich auf den ersten Blick: "Cash rules everything around me." Über die Allmacht von Scheinen und Münzen referierte der Wu-Tang Clan schon 1994 ausführlich und schuf mit "C.R.E.A.M." einen der meist-zitierten Tracks der Hip Hop-Geschichte.
Joey Bada$$ weiß natürlich ebenso gut, dass Geld vielleicht alles beherrscht, aber längst nicht alles ist. So legt er mit "Paper Trail$" seinen eigenen inoffiziellen Nachfolger zu "C.R.E.A.M." hin und wagt es gar, an der großen Wu-Trademark-Line herumzubasteln: "Cash ruined everything around me."
Textlich sicherlich eines der stärksten Stücke des Albums, bitet Joey hier nicht nur den Clan und J. Cole, sondern erzählt mit geschickten Zeilen von den vielen Problemen, die das schnelle Geld mit sich gebracht hat: "Before the money there was love / But before the money it was tough".
Doch auch wenn einen so erfolgreichen Künstler mittlerweile eher monetäre als
emotionale Gründe antreiben - die Liebe zu seiner Musik hört man aus jedem Track des 20-Jährigen heraus. Zum Beispiel aus "Piece Of Mind", einer weiteren Hommage an eine New Yorker Legende.
Wer nämlich das Gefühl hat, das hier vorgetragene Szenario schon einmal gehört zu haben, liegt richtig. Als Vorbild dient Nas' "One Love", statt per Brief wendet sich Joey jedoch in Form eines über das Telefon vorgetragenen Tracks an einen inhaftierten Freund.
Sekunden nach dem letzten Gespräch zwischen den beiden zerbombt Joeys Pro Era-Kollege Kirk Knight die Nostalgie mit dem mächtigsten Beat der Platte. "Big Dusty", schon als Single bekannt, baut neben düsterem Piano-Loop auf einen grimy as hell aufgelegten MC, der sein heiseres Organ in dem fünfminütigen Realness-Bekenntnis an den Anschlag bringt. "Christ Conscious" reiht sich mit ähnlicher Wucht ein.
Wesentlich souliger geht Statik Selektah seine Arbeit an. Der unterlegt nicht nur den Opener "Save The Children" mit atmosphärischen Vocal-Samples, jazzigen Passagen und Old School-Scratches, sondern erzeugt auch in "Curry Chicken" einen wunderbar passenden, soul-getränkten Hintergrund. Den nutzt Joey Bada$$ für die mit Abstand persönlichsten Zeilen des Albums:
"So here I go, your little man has got to grow / I'm walking out the door / My mama just be smiling, cause she know / /I got my back and got her worried / Only thing she ask is that I hurry / Home in time for Christmas for some dinner / Seen you on TV again, boy you lookin' thinner / But you lookin' like a winner, aye."
Die dezent formulierte Danksagung an die Eltern, die ihren Sohn langsam ziehen lassen müssen, bleibt jedoch der einzige tiefere Einblick in das Innenleben des MCs. Da das Konstrukt aus 90er-Referenzen, markanter Stimme, Mehrfachreimen und Killer-Flow aber vollkommen aufgeht, lässt sich die meist vorherrschende Allgemeingültig leicht verschmerzen.
Der ausnahmslos starke Boom Bap aus den Händen der Triple A-Produzenten lässt die Golden Era-Romantik dann erst recht aufblühen. Ob der Roots-gone-Dilla-Beat von "Like Me", DJ Premiers Brillanz in "Paper Trail$" oder der öfter vertretene Statik Selektah - Joey hat die Besten versammelt und bedankt sich artig: "I won't stand under no man / Except my high supplier, he got the fire, I got the lighter."
"B4.DA.$$" ist mit Sicherheit kein modernes "Illmatic". Etwas Neues oder gar Progressives liefert Joey Bada$$ auf seinem Debüt-Album eben kaum ab. Aber warum auch? Stattdessen beweist er abermals auf eindrucksvolle Weise, dass man nicht nur auf neuen Wegen, sondern auch auf vermeintlich abgetrampelten Pfaden einen verdammt guten Lauf hinlegen kann.
6 Kommentare mit einer Antwort
Sehr gutes Album!
Trotz oldschool atmosphäre sehr erfrischend!
Läuft seit Dienstag in Dauerschleife und zeigt bisher keine Ermüdungserscheinungen. Grandioses Album!
Ein weiterer Banger wie Big Dusty, No. 99 und Christ Conscious wäre zwar noch ganz nett gewesen.
Schade, dass Hazeus View keine Erwähnung gefunden hat. Ist für mich das Highlight, der nicht vorab veröffentlichten Tracks.
*Nur ein weiterer (…) wäre noch ganz nett gewesen.
Die fehlerhafte Zeichensetzung werde ich jetzt mal getrost ignorieren.
Hab lang drauf gewartet. Wurde jetzt nicht entaeuscht, ist ein sehr gutes Album, aber ich glaube der kann noch was besseres abliefern in den naechsten Jahren. Wird auf jeden Fall seit Release immer wieder gerne gehoert. 4/5 geht auf jeden Fall klar.
endlich mal dazu gekommen sich ein bisschen intensiver mit diesem Album zu beschäftigen. ganz starkes album. bin sehr gespannt auf die nächsten Veröffentlichungen von joey.
Ihr könntet langsam Joeys neues Album reviewen. Nach 4 Monaten wirds mal Zeit.