laut.de-Kritik

Großartiges Folk-Rock-UFO vom Peppers-Gitarrist.

Review von

Gleich mal eines vorneweg: Der Musikjournalist im allgemeinen und der LAUT-Redakteur im ganz besonderen ist, wie Mann/Frau von Welt ja weiß, eine Spezies, deren unbedingte Objektivität und unerschütterliche Unbestechlichkeit geradezu sprichwörtlich sind. Niemals und unter keinen Umständen würde er sich durch irgendwelche sachfremde Erwägungen, seien es nun sog. Hypes, modische Äußerlichkeiten und ähnlicher Tand oder gar persönliche Beziehungen zu Künstler / Plattenfirma / Management in seinem sachverständigen Urteil nur ein Iota beeinflussen lassen.

In meinem Fall hingegen ist der Sachverhalt zugegebenermaßen ein klein wenig anders gelagert: Seit der Ankündigung, dass eine neue Frusciante-Scheibe im Anflug ist, war ich bis zum endlich-glücklichen Eintreffen derselben gespannt wie ein Flitzbogen, und nun, wo sie endlich da ist ... olala ... mit anderen Worten: Hier spricht ein Fan. Tifoso. Glühender Verehrer. Doch das, wie gesagt, nur mal so vorneweg. Denn das eigentliche Thema des heutigen Ergusses ist "Shadows Collide With People", eine Platte die so vielgestaltig und schillernd ist, wie ihr Schöpfer, Mr. John Frusciante, seines Zeichens u.a. Gitarrero der bekannten Rock-Pop-Band Red Hot Chili Peppers und großer Liebhaber der Bildenden Künste.

Nach mehrmaligen vergeblichen Anläufen endlich aus den Klauen der langjährigen Drogensucht entkommen, hatte Frusciante uns 2001 mit "To Record Only Water For Ten Days" bereits ein Meisterwerk verschrobener und gleichzeitig wunderbarer Rockmusik mit seltsam-elektronischen Anleihen und Soundsprenkseln beschert. Und diesen musikalischen Weg, den er seinerzeit mit "To Record ..." einschlug, schreitet er mit "Shadows Collide ..." unbeirrt fort.

Mit dem besagten Vorgänger-Longplayer vergleichbar ist auch auf "Shadows Collide ..." gleich der Opener ("Carvel"), eine unglaubliche Rockbombe, die mitreißt und den Zuhörer auf eine Reise einlädt, die bis zur Endstation "The Slaughter" durch eine bunte Wunderwelt der eigenwilligen Rockmusik führt und nebenbei auch ein paar kleine Abstecher in die Gefilde der experimentellen Klangcollage im Repertoire hat. Und da man ja um die Vorliebe des Maestros für kauzige Krautrock-Schinken von Faust bis Amon Düül (II) weiß, ist dies genau das, was man erwartet und sich erwünscht hat. Außerdem fügt sich dies ganz hervorragend in das Frusciante-Universum ein, dort, wo man das Unerwartete erwartet.

Unerwartet ist auf jeden Fall die Art und Weise, in der er sich fast schon klassisch-konservativ dem Songwriting nähert und uns dabei Songs serviert, die in ihrem Wesen eigentlich schon ziemlich weit in Richtung Singer-Songwriter-Pop und -Rock rutschen. Popmusik für seltsame Erwachsene mit Rockvergangenheit könnte man sagen. Klingt jetzt vielleicht etwas abschreckend (schon allein das "Erwachsene", har har). Aber das muss man sich halt mal in aller Ruhe an einem hochspirituellen Örtchen anhören - um dann, wenn man möchte, für sich selbst ein neues Wörtchen zu suchen, das diese Musike hinreichend beschreibt.

Natürlich ist die Sound-Gangart, in der diese meist recht gängigen Songstrukturen serviert werden, in echter Frusciante-Manier ziemlich weird, bzw. die Weirdness blitzt überall und ständig durch den Sound und zieht sich wie ein roter Faden durch das Album. Hier ein Flanger über die ohnehin schon eindringliche und sehr eigenartige Stimme, dort kurz mal ein Brachialverzerrer über die Klampfe, "Take on me"-(A-ha)-Flächen aus dem Hinterzimmer, und so weiter und so fort. Aber das ist ja eigentlich wiederum etwas, was wir von Frusciante erwarten und auch erwarten dürfen: UFO-Folk. Dass die gesamte Gitarrenarbeit ein weiteres Mal bei einem Tonträger, auf dem Herr F. seine Klampfe erhebt, unvergleichlich unspektakulär spektakulär und einfach großartig ist, muss eigentlich nur der Vollständigkeit halber erwähnt werden.

Vielleicht sollte man jedoch noch kurz was über den Sänger Frusciante sagen: Hatte man nicht bereits bei den Chili-Peppers-Konzerten letztes Jahr den Eindruck, dass eigentlich John der sicherere (Background-)Sänger ist, so zeigt sich spätestens hier, dass der Typ wirklich jede Menge Soul mit seiner Stimme transportiert und sich insgesamt schier unglaublich weiterentwickelt hat. Kopfstimmenchöre galore inklusive. Passt selbstredend perfekt zu den, nun ja, sehr persönlichen Texten. So persönlich, dass ich eigentlich gar nicht allem folgen will, respektive kann. Ich will jetzt nicht übertreiben, aber angesichts dieser Texte, ihrer musikalischen Verpackung und Johns Werdegang scheint diese (wie auch schon die letzte) Scheibe von einem "Ort" zu stammen, der ziemlich weit weg, manchmal sehr schön, oft aber auch unheimlich ist. Über welche Platte kann man so was frank und frei sagen, ohne dabei rot zu werden?

Abgerundet wird das Werk von einem Artwork, das eindeutig von Johns Vorliebe für moderne Malerei zeugt. Alpiner Hochgebirgsphotosport in s/w mit dickem Pinsel um Titel-Information angereichert. Sehr schick. Auch das passt. Wie alles. Und da sich die Anzeichen mehren, dass bei diesem Herrn die Kreativität noch lange nicht verebbt, freue ich mich jetzt schon auf neue Großtaten mit und ohne die befreundeten Jungs von den Peppers, die (Chad und Flea) übrigens, Chronistenpflicht, auch in irgendeiner Weise mal Bass und Schlagzeug auf "Shadows ..." bedient haben. Schön das, wenn auch nicht so wichtig. Doch genug der Worte, mein Vorschlag: zieht euch das rein und freut euch mit uns, dass dieser Spitzenmusiker die Kurve gerade noch rechtzeitig gekriegt hat und, anstatt den Fluss runter zu gehen, uns solcherlei Musik spendiert. Yippiiie. 7 Punkte.

Trackliste

  1. 1. Carvel
  2. 2. Omission
  3. 3. Regret
  4. 4. Ricky
  5. 5. Second Walk
  6. 6. Everyperson
  7. 7. Negative 00 Ghost 27
  8. 8. Wednesday's Song
  9. 9. This Cold
  10. 10. Failure 33 Object
  11. 11. Song To sing when I'm Lonely
  12. 12. Time Goes Back
  13. 13. In Relief
  14. 14. Water
  15. 15. Cut-Out
  16. 16. Chances
  17. 17. 23 Go Into End
  18. 18. The Slaughter

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