laut.de-Kritik
Dan Auerbach entdeckt Soulpop-Folk aus Uganda.
Review von Philipp KauseSoul und Folk können grandiose Fusionen hervorbringen, Joni Mitchell, Tracy Chapman, Jonathan Jeremiah, Meskerem Mees, Charlene Soraia, Y'akoto haben es bewiesen. Die Kompetenz des Producers von "Flying Away", Dan Auerbach, liegt ja anerkanntermaßen im Zusammenführen einander entgegen gesetzter Genres. Auch für den locker aus dem Handgelenk geschüttelten Offbeat-verzierten Folk, den Jon Muq macht, legt er das richtige Gespür an den Tag.
So entstand eine sehr eingängige Platte. Seine Songs konnte Muq bereits vor riesigen Menschenmengen als Support für Billy Joel und Norah Jones performen. In den USA ist der Singer/Songwriter insofern dem ein oder anderen Popmusik-Freak schon ein Begriff. "Flying Away" ist Muqs allererste Platte.
In "Shake Shake" fordert er dazu auf, Sorgen einfach wegzutanzen. So macht man es in seiner Heimat, dem ostafrikanischen Land Uganda. Verschiedene ethnische Bevölkerungsgruppen fokussieren Muq zufolge verschiedene Körperteile und schütteln mal Arme, Bauch, Beine, Hüfte oder Kopf, je nachdem wie es die Tradition überliefert. Artists aus Uganda und auch den Nachbarländern in der Region erreichen unsere Ohren nicht alle Tage - noch weniger die des US-Publikums. (Michael Kiwanuka hat immerhin ugandische Eltern, wuchs aber in Europa auf.)
Im Gegensatz zu lokalen Trends wie etwa dem Bongoflava in den 2000ern, der via Compilations und MySpace etwas Verbreitung fand, ist Jons Musik zwar absolut international und jenseits von Fremdheit oder Exotik produziert, scheiterte aber trotzdem daran, dass Uganda über so gut wie keine exportfähige Musikindustrie verfügt. Man steht vor anderen Herausforderungen: In Jons Kindheit gab es kaum Nahrungsmittel.
Unter den Importen befand sich jedoch, schon bevor er auf die Welt kam, "We Are The World" (Stevie Wonder, Lionel Richie, Michael Jackson). Den Tonträger, 1985 ein (seichter) Benefiz-Song für den afrikanischen Kontinent, besaß sein Cousin. Der Song inspirierte Muq. Er zeichnet die Härte der Welt, in der er aufwuchs, optimistisch weich und malt sich Armut und Mangel schön. In Mutungo nahe der Hauptstadt Kampala entstanden seine Träume von einem Zusammenleben voller Liebe und ohne Probleme.
Passend zu den fluffigen Kompositionen und den lockeren, unauffälligen Arrangements, die sich als gepflegte Begleitmusik für Geschenk-, Tee- und 'Eine Welt'-Läden eignen, transportieren die Texte recht idealisierte Vorstellungen. "I see it in your smile / I feel it in my heart (...) I show you how to fly" oder "Hello sunshine / goodbye, rainy day!" Einen Literaturnobelpreis räumt man so wohl kaum ab.
Ein eigentlich gelungener Tune, "Bend", kann in dieser Gleichmütigkeit fast schon ein wenig nerven. Wenn man sich darauf einlässtn, hat die Nummer aber etwas von den sanft wogenden Aufnahmen James Taylors. "Butterflies" könnt ihr euch ungefähr so vorstellen, wie wenn der Rag'n'Bone Man bei Tim Bendzko lernen würde. Manchmal gerät das Ganze zu süßlich und soft, ja, seicht.
Zwei Kirchenmusiker ließen Muq einst in seinem Dorf das erste Mal eine Gitarre in die Hand nehmen. Von da an war es um Jon geschehen. Hört man seine zarte, knabenhafte Stimme, kann man sich gut vorstellen, wie er als Teenager wahnsinnig schüchtern war. Dieses Hindernis überwand er, indem er vor obdachlosen Kindern auftrat, da war die Dankbarkeit größer als die Erwartungen.
Auf "Flying Away" herrscht viel Gleichklang, der mit der Zeit durchaus sedierend wirkt. Gewöhnungsbedürftig ist auch Muqs Stimme. In "Hello Sunshine" ist sie zu hoch, die Vocals strengen an. In "Flying Away From Home" punktet er dagegen mit schwerelosem Falsettgesang vom Feinsten, einer der besten Tracks der Platte. Ein anderer Höhepunkt: die bohrende Bassgitarre von "Run Away", sein schwerer Rhythmus, verbunden mit der leichten Melodie.
Dass Auerbach hinter den Aufnahmen steckt, überrascht und beweist zugleich seinen weiten Horizont. Einen Hörversuch ist das Album für Songwriter-, Folk-, Pop-Soul-, 'Weltmusik'- und Indie-Fans unterm Strich wert.
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