laut.de-Kritik
Für Hausmänner und Härtner.
Review von Yan VogelJourney waren zu Beginn der Achtziger mit Alben wie "Escape" und "Frontiers" sowie den Hits "Don't Stop Believin'" oder "Separate Ways" der Mittelpunkt des Mainstreams. Als Jamrock-affiner und progressiven Ausschweifungen nicht abgeneigter Santana-Ableger gestartet, wandelte sich die Reisegesellschaft mit dem Einstieg von Sangeswunder Steve Perry zur Blaupause des AOR. Das perfektionistische "Raised On Radio" markierte 1986 das vorläufige Ende, bevor Mitte der Neunziger die Reunion stattfand.
Der kreative Kern um Neal Schon und Jonathan Cain scharte in der Folge mit Steve Augeri einen neuen Fronter um sich. Doch erst der Einstieg des Nobodys Arnel Pineda brachte das Hardrock-Flaggschiff wieder auf Kurs. Dass die Tantiemen und Konzerterlöse in Übersee für einen gediegenen Lebensabend ausreichen, mag mit ein Grund sein, warum mit "Freedom" nach "Revelations" (2008) und "Eclipse" (2011) erst der dritte Streich mit Pineda am Mikro folgt.
Gitarrist Neal Schon und Keyboarder Jonathan Cain verstehen sich auf melodischen Budenzauber, ohne allzu sehr in plakative Bahnen zu geraten. Sänger Arnel Pineda trägt sein Scherflein dazu bei, verbindet der philippinische Sänger doch das Beste der beiden vorherigen Steves, Augeri und natürlich Goldkehle Perry. Schon schön, wie Journey ihre Hooks platzieren, ohne den Songs die Kontur zu nehmen. Im Durchschnitt mit fünf Minuten Länge ausgestattet, passiert in den Liedern allerlei gehaltvolles Songwriting, so dass neben dem Hausmann sowohl der Härtner als auch der Hinhörer Befriedigung findet.
"All Day And All Night" ist ein bluesig angerauter und Gitarren-lastiger Hardrock-Track mit Seventies-Bezug. "Dont Go" mit seinen flirrenden Synthies und treibenden Rhythmen steht in munterer Achtziger-Tradition. Müßig zu erwähnen, dass die Balladen in bester "Open Arms"-Manier Piano-basiert ausfallen und mit reichlich Akustik-Gitarren-Gezupfe darherkommen.
Manchmal fällt ein Stein vom Herzen, manchmal wird man von allem überrollt, weggespült und mitgerissen und bleibt mal voller Glück und mal mit gebrochenem Herzen zurück. Dies stellt die Quintessenz der Texte dar. Klar sind das Kalendersprüche und Durchhalteparolen, jedoch weit von schlüpfrigen Tough Guy-Verhalten entfernt und somit sympathisch.
Die Amis präsentieren eine vielseitige Produktion, die dem Anything Goes-Gefühl der Siebziger mehr entspricht als dem durchgeplanten Klangbild der Achtziger. Zu den Backings etwa tragen alle Bandmitglieder bei, wodurch die Gesangsparts vielschichtig klingen. Im flotten "You Got The Best Of Me" trümmert die Rhythmus-Fraktion munter drauf los, während Keys und Synthies um ihre Geltung ringen.
Aufgrund der Arbeitsweise von Neal Schon, die Koordination von seinem Heimstudio aus zu organisieren, griff er auf die Schlagzeugkünste seines Produzenten Narada Michael Walden zurück. Der Mann mit dem Rock'n'Rolligsten Namen ever, Deen Castronovo, sitzt dennoch fest hinter den Kesseln der Live-Inkarnation und durfte immerhin dem Track "After Glow" seine Stimme leihen.
Analog zu den Hardrock-Granden Scorpions ("Rock Believer") und Def Leppard ("Diamond Star Halos"), die jüngst ihre Anhängerschaft mit veritablen Alterswerken beglückt haben, liefern auch Journey ab. Der Umfang der Platte bedeutet, dass für alle etwas dabei ist. Dies geht gewissermaßen auf Kosten des Flusses der Platte, tut aber der Qualität des Dargebotenen keinen Abruch. Mit einer Spielzeit von 75 Minuten reizen die Amis die Kapazitäten einer CD fast vollends aus. Value For Money oder Reizüberflutung? Entscheidet selbst.
3 Kommentare mit 2 Antworten
Extrem retro das Album.
retro? bei Journey? unfassbar.
Journey (bzw. was davon noch übrig ist) hat ein Retro-Album veröffentlicht? Sendet die ARD einen Brennpunkt?
Starke Platte, aber mal wieder viel zu lange.
mal wieder ein gutes album!!!!