laut.de-Kritik
Ein Kinnhaken für alle, die sie nur als hübsche Gitarrengöttin sehen.
Review von Christoph DornerSchon faszinierend, diese Kaki King. Einst in eher technikorientierten Rock- und Jazz-Magazinen verhandelt, landete die Gitarren-Virtuosin aufgrund ihres Fingerpickings und der famosen Traktierung der Gitarre - zunächst mehr als Show-Element denn als Künstlerin - im amerikanischen Late-Night-TV. Dann spielte sie jene stets hervorgehobenen Gitarren-Duette mit Dave Grohl. Freilich, über den medialen Status einer weiblichen Entsprechung von Jim O'Rourke kam die New Yorkerin bisher nicht hinaus.
Doch nun hat King auf ihrem mittlerweile fünften Album "Junior" nicht nur endgültig zu ihrer Stimme gefunden, sondern auch zupackende Songs geschrieben, so dass getrost Schluss sein kann mit der positiven Diskriminierung als rockendes Fräuleinwunder. Dass sie zugänglicher denn je klingt, wird wohl nur bedauern, wer beispielsweise bei Sonic Youth einzig auf die minutenlangen Gitarrenexzesse steht.
Zwischen dem barfüßigen Introspektionsvermögen einer PJ Harvey, dem bombastischen Led-Zeppelin-Sound von Sleater Kinneys letztem Album "The Woods" und den kantigen Nummern von Tegan And Sara als Fixpunkte changieren die geradezu puristischen ersten Rock-Songs von "Junior". Dabei schimmert stets ihr besonderes Fingerspitzengefühl für verwobene Texturen und satte Riffs stets durch. Bloßer Royalismus an der Gitarre ist das jedenfalls nicht.
"I've Become Someone Else, Someone New / It's Up To You If I Live Or Die", singt King im herrlich straighten Opener "The Betrayer" zunächst schwächelnd, ehe sie sich dann als heimtückische Doppelagentin enttarnt: "I Did This To You, Yes I Did / I Had My Own Life To Save". Ein schöner Kinnhaken übrigens für all jene, die in Kaki King nur die hübsche Gitarrengöttin sehen.
Multiinstrumentalisten Dan Brantigan und Schlagzeuger Jordan Perlson spielten "Junior" mit ein. Schon allein die Besetzung steht für einen entschlackten, von Malcolm Burn rau produzierten Sound, der den breiten Soundteppich des Vorgängers "Dreaming Of Revenge" ein Stück weit zurückschraubt.
Stattdessen streut die junge Amerikanerin zwischen die linearen Rocksongs mit "Everything Has An End, Even Sadness" so etwas wie elektrischen Brass-Folk sowie mit dem instrumentalen Country-Prog von "My Nerves That Committed Suicide" auch Nummern ein, die auf ihr Variationsvermögen hindeuten.
Sie kann die Füße nämlich auch von Gas- und Effekt-Pedalen nehmen, wie gerade in der zweiten, ruhigeren und hypnotischen Albumhälfte als Höhepunkt "My Communis Friend" zeigt. Bester Song von "Junior" ist dennoch mit "Falling Day" noch so eine knackige Rock-Nummer, bei der Kaki King die Stimme als Ausdruck ihres gestiegenen Selbstbewusstseins im Refrain immer höher schwingt.
Just in dem Moment muss man an Jeff Bridges als abgestürztem Country-Star im Kinofilm "Crazy Heart" denken, bei dem ein ähnliches Songmotiv in die genau entgegengesetzte Karriererichtung zeigt: "Funny How Falling Feels Like Flying."
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