laut.de-Kritik
Endstation hinter dem Herrmannplatz.
Review von Yannik GölzEs gab nicht den einen Moment, an dem Karate Andi irrelevant geworden ist. Aber als einer der letzten großen Hype-Rapper der Punchline-Ära hat er sich 2014 ein seltsames Zeitfenster ausgesucht, um mit Post-"Rap am Mittwoch"-Geschlonze im Deutschrap groß zu werden. Die letzten Tapes haben dementsprechend graduell weniger Interesse geweckt, auch wenn er bis hin zu "A$AP Kotti" Stück für Stück ein bisschen Sound-Modernisierung gewagt hat. Aber seien wir ehrlich: Andi auf Boom-Bap, Andi auf Trap, ob man Lust auf seine Musik hat, hat weniger mit der Verpackung zu tun als damit, wie viel Bock man auf das Reimen von "Eselsperma" auf "Arschloch von Eva Hermann" hat. Dieser K.I.Z-Gedenk-Rap hat 2022 nämlich mit deutlich mehr Müdigkeit zu kämpfen, auch wenn "Handelsgold Tape" beweist, dass Karate Andi immer noch sehr gut darin ist.
Nicht, dass man von den Singles her unbedingt damit gerechnet hätte: Das Möchtegern-provokante "Es Tut Mir Nicht Leid" zum Beispiel fühlt sich klar wie der schwächste Song der Platte an. Ein paar Lines darauf gehen sogar absolut klar, aber was helfen Texte, mit denen man Freestyle-Battles gewinnt, wenn man sie auf so völlig blutleere Trap-Beats platziert und dann die sperrigsten Hooks diesseits von Kollegah obendrauflegt.
Interessanterweise bietet "Handelsgold Tape" keine Diagnose, ob Andi jetzt über moderne oder klassische Produktion besser funktioniert. Ich würde sagen, dass er nach Tagesform auf beidem extrem uninspiriert tönen kann. Das Intro "Jib" klingt wie die vage Erinnerung davon, wie ein jahrelang ungehörtes "Pilsator Platin" geklungen haben könnte und die Morlockk Dilemma-Featurenummer "Blessed" klingt so formelhaft, dass es mich nicht wundern würde, wenn Dilemma seine Features inzwischen von einem Dilemma-Klischee-Lines-Roboter abfertigen ließe.
Die große Frage ist eher, ob er sich ein Instrumental mit Flavour aussucht. Denn wenn wir schon von "Pilsator Platin" sprechen, die guten Bars waren da doch auch nur die halbe Miete, denn ohne die stimmungsvolle Produktion war Andi immer nur ein halber MC. Man schaue sich das fantastische "Strawberry Haze" an – ein fernöstliches String-Sample über einen Trap-Beat wie Gunnas fantastisches "Who You Foolin" und plötzlich klingt Andi wieder wie neugeboren. Selbiges gilt für "One Way Ticket", "Alles Was Ich Mache" und das melancholische "Handelsgold".
Die Produktion gibt ihm ein bisschen Ausstrahlung zurück. Wie viele Rapper durchlief auch Andi in den letzten Jahren schrittweise einer gewissen Flanderisierung. Er hat schockierende, assige Sachen gesagt, weil das halt sein Charakter ist, aber je mehr er dieses Zeug gesagt hat, weil man eben dieses Zeug von ihm erwartet, desto weniger Wirkung hat es erzielt. Lines über das Alki-Leben am Herrmannplatz, über Selbstzerstörung auf Keta-Partys und absoluten Nihilismus ziehen aber erst dann, wenn irgendetwas in der Musik auf einen wahren Kern hinweist. Und das kleine bisschen Absturz-Melancholie in der Produktion wirkt Wunder, Andis Punchline-Rap ein wenig zu erden.
"Handelsgold Tape" fühlt sich wie ein vernünftiges Zugeständnis an die eigene Nische an. Es wird in diesem Leben keine großartige Transformation von Karate Andi außerhalb des provokanten Edgelord-Assis mehr geben und das ist wahrscheinlich auch gut so. Er sagt zwar auf "Zeit", man müsse mit der Zeit gehen, sonst gehe man mit der Zeit, aber die ganze Persona Karate Andi, seine Art zu Texten und sein Humor passen schon lange nicht mehr in die Gegenwart. Dieses neue Tape scheint das zu akzeptieren und experimentiert mit verschiedenen Flows und Deliverys, um das beste aus der eigenen Formel zu holen. Manchmal funktioniert das nicht, aber mehr als ein paar mal funktioniert das auch richtig gut. Wer Lust auf diesen Sound hat, wird hier einiges zu mögen finden.
4 Kommentare
Man hat bisschen das Gefühl, so richtig Bock hattest du nich auf die Review. =D
Sein bestes Album seit Pilsator Platin
Tape is fun. Wie jedes album.
Seit dem er bei Selfmade ist, wurde er unhörbar. Das letzte Album der Selfmade-History ist auch sein Bestes beim Label.