laut.de-Kritik

Die abwechslungsreiche Musik lässt die Zeit vergessen.

Review von

Die Zeit ist ein kostbares Gut. Gleich der anfängliche Titeltrack auf "Schon Gar Nicht Proust", dem neuen Album des Keimzeit Akustik Quintetts, tönt davon, dass man im stressigen Alltag keine Zeit mehr findet, ein gutes Buch aufzuschlagen und "schon gar nicht" erst eins von "Proust". Glücklicherweise hat Texter und Sänger Norbert Leisegang doch die Zeit dafür gefunden.

Für die Aufnahmen verschlug es ihn und seine Mitstreiter Hartmut Leisegang (Bass), Martin Weigel (Gitarre), Christian Schwechheimer (Schlagzeug) und Gabriele Kienast (Violine) dieses Mal nicht ins Ausland, sondern in die Castle Studios in Röhrsdorf, nahe Dresden, um für jedes einzelne der Lieder, die er nach Figuren und Orten von Marcel Prousts Roman "Auf der Suche nach der verlorenen Zeit" schuf, einen eigenen Sound zu finden. Textlich erfährt man, was mit "Tante Leonies Sofa" und dem alten "Baron" passiert ist, dass der "Vorzug des Lebens" fernab des Großstadttrubels "der Mangel an Nachteilen" ist und wie mit der Eisenbahn "ein neues Zeitalter" anbrach.

Klanglich knüpfen nur wenige Songs an die entspannte Ausrichtung des aktuellen Keimzeit-Albums "Kein Fiasko" an, etwa das schon erwähnte Titelstück oder "Elstir". Schon die Violinenklänge, die man in so gut wie jedem Track aufsteigen hört, sorgen dafür, dass man sich nicht all zu sehr an den Sound der Keimzeit-Werke erinnert fühlt. Dennoch lässt sich die typische melodische und songwriterische Handschrift Norbert Leisegangs klar erkennen. So kommt man bei der eingängigen Melodie von "Baron" doch nicht um den "Kling Klang"-Vergleich drumrum.

Zum Ausgleich bekommt man in "Scheherazade" arabische Rhythmen geboten, wenn Leisegang "an den Lippen der schönen Scheherazade" hängt. Die Lust auf das Ungewöhnliche hört man dem Quintett auch in einigen anderen Songs an. So kommt "Tante Leonies Sofa" als hintergründige und humorvolle Akustiknummer daher, und "Nur" beschwört mit melancholisch düsteren Jazz-Klängen ein ganzes Großstadtpanorama herauf. Dazwischen überrascht "Nach Zwanzig Jahren" mit tänzerischen Disco-Rhythmen am Schlagzeug und der Violine und "Balbec" fängt musikalisch das Gefühl hervorragend ein, mit einer Dampflokomotive unterwegs zu sein.

Jedenfalls lassen die Töne dieses äußerst abwechslungsreichen und handwerklich fein arrangierten Albums für rund vierzig Minuten die Zeit vergessen.

Trackliste

  1. 1. Schon Gar Nicht Proust
  2. 2. Scheherazade
  3. 3. Elstir
  4. 4. Tante Leonies Sofa
  5. 5. Schlaf
  6. 6. Baron
  7. 7. Nach Zwanzig Jahren
  8. 8. Balbec
  9. 9. Fotografie
  10. 10. Morgentoilette Des Robert De Saint-Loup
  11. 11. Charlie Morel
  12. 12. Nur
  13. 13. Francoises Welt

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