laut.de-Kritik
Exotische Musik zum Loslassen und Träumen.
Review von Florian DükerWährend man dieses Album hört, will man eigentlich überhaupt nicht darüber schreiben. Vielmehr möchte man sich einfach treiben lassen. Sich hinlegen, wo auch immer man gerade ist, die Augen schließen, zuhören und sich im träumerischen Sound verlieren.
Ein Glück, dass Fans der texanischen Band Khruangbin, deren sperriger Name so viel wie "Fluggerät" oder "Flugzeug" bedeutet, beim Hören machen können, was sie wollen. "Kochen, das Haus putzen, lernen, Zug fahren, Babys machen ... am Strand chillen, Bergsteigen, ein Buch schreiben", zählen Mark (Gitarre) und DJ (Drums) im laut.de-Interview die Aktivitäten auf, die ihre Anhänger laut Berichten gerne beim Khruangbin-Hören ausüben. Ein Buch schreiben und lernen? Na, wenn das so ist!
Die Genre-Einteilung bei "Mordechai", dem mittlerweile dritten Albums des Trios, ist erneut mit Vorsicht zu genießen. Es handelt sich hier immerhin um eine Band, deren Mitglieder Laura Lee Ochoa (E-Bass) und Mark Speer sich über ihre Vorliebe für Thai-Funk und afghanische Musik kennengelernt haben.
Dass ihre Einflüsse und Inspirationen schier unendlich sind und aus aller Welt stammen, wollen einem ja viele Bands verkaufen, aber auf Khruangbin scheint es tatsächlich zuzutreffen. Man könnte sich nun vergeblich abmühen, die einzelnen Elemente der Genres Psychedelic Rock, Funk, Soul, Disco und Latin oder die aus Pakistan, Korea und West-Afrika inkorporierten Klangelemente auf den zehn Songs herauszustellen. Die Band selbst macht es sich aber einfacher und gibt der ganzen Mischung einfach den treffenden Namen "Earth Music".
Auch wenn Khruangbin auf "Mordechai" erstmalig in fast jedem Stück ihre eigenen Stimmen ertönen lassen, klingt das Endprodukt immer noch ziemlich unverkennbar und eindeutig nach Khruangbin. Nicht viele Bands haben mit einem solchen Sound Einzug in den Mainstream gehalten und das nebenbei auch noch fast ohne den Einsatz von Vocals und Features geschafft.
Dieses Mal war allerdings vor allem Laura der Meinung, sie habe etwas zu sagen. Und was sie da zu sagen, genauer gesagt zu singen hat, klingt toll auf den träumerischen, funkigen, groovigen, coolen Instrumentals, zu denen sie mit ihrem E-Bass natürlich erheblich beiträgt.
Das Sich-Fallen-Lassen funktioniert zwar besser, wenn man gar nicht groß auf die Texte achtet. Tut man es aber doch, so findet man zum Beispiel Themen wie kindliche Unschuld und Immortalität auf "Time (You And I)". "Pelota" handelt von einer Art außerkörperlichen Erfahrung, übersetzt man den spanischen Text auf Deutsch: "Ich bin ein Ball / Ein Ball aus Ruß / Ich war verloren / In einem surrealen Haus." "Dearest Alfred" resultierte aus einem Fund von Briefen, die Lauras Großvater an seinen Zwillingsbruder geschrieben hatte. Mit "Shida" endet das Album aber wieder wie man es von Khruangbin gewohnt ist, nämlich ohne Text.
Mit der Auswahl der starken Singles "Time (You And I)", "Pelota" und vor allem dem wunderschönen "So We Won't Forget" haben Khruangbin ein tolles Gespür bewiesen, heben sich diese Stücke doch von den anderen ab, aber stehen gleichzeitig repräsentativ für den Sound des Albums.
Wer sich nicht in Breakbeats, Basslines und virtuosem Gitarrenspiel verlieren kann, wird die Scheibe womöglich verächtlich als Fahrstuhlmusik abtun. Alle anderen nehmen Khruangbin mit auf einen Trip. "Mordechai" ist vorstellbar als Untermalung lauer Sommernächte unter freiem Sternenhimmel, feuchtfröhlicher Partys in der Strandbar, sogar als Soundtrack von Quentin Tarantino- oder Serge Gainsbourg-Filmen - und vielleicht sogar geeignet zum Schreiben von Album-Rezensionen.
5 Kommentare mit einer Antwort
Ehrlich gesagt weiß ich nicht genau, was dieses Album ist und wo genau es herkommt, aber es ist unfassbar gut. Ein bisschen wie ein Asteroid von einem anderen Planeten. Mystisch, magisch, anders.
Khruangbin sind bei mir inzwischen fester Bestandteil diverser Playlists, die ich wahlweise im Garten oder unterwegs auf dem Rad höre, gefällt eigentlich jedem sehr gut, wobei ich auch schon die Kategorie Fahrstuhlmusik als Feedback bekommen habe, was aber doch deutlich zu kurz greift.
Ein bisschen fahrstuhlig ist deren Musik schon. Aber definitiv auch nicht schlecht.
Ich kann nicht erklären, warum ich das mag. Höre in dieser Richtung eigentlich überhaupt nichts. Aber es tut unheimlich gut.
Das Wort "exotisch" trifft es ganz gut. Obwohl es mir eher wie eine Art synthetischer Exotik daherkommt (nicht schlecht gemeint). Gemacht von Musikern, die wissen, was man auffahren muss um diese Exotikmixtur anzubrauen. Hochwertige Fahrstuhlmusik für 5-Sterne-Etablissements. Oder die mondäne Bar, wo etwas laufen muss zu dem man sich noch gut unterhalten kann, ohne dass es allzu beliebig daherkommt. Für mich gute Gastgebermusik, wenn Freunde vorbeikommen mit denen man ne Runde zuhause quatschen will, im Raum aber noch etwas Hintergrundbeschallung gehört. 4 von 5
Pelota ist saugeil! Mal check0rn.