laut.de-Kritik

Porno-Fantasien - powered by Dr. Luke.

Review von

Sex macht Spaß, ich glaube darauf können wir uns fast alle einigen. Folgerichtig sollte sich Musik über Sex auch das Ziel setzen diesen Spaß irgendwie widerzuspiegeln. Kim Petras bewies bereits in der Vergangenheit lautstark, dass sie erstere Ansicht teilt, mit der zweiten dafür um so mehr zu kämpfen hat.

Schon die erste, 2022 erschiene "Slut Pop"-EP, die den Bettsport in den Mittelpunkt rückte und Petras in die Rolle einer Nymphomanin schlüpfen ließ, brachte dieses Konzept binnen sechs Tracks an seine Grenzen. Der Nachfolger entführt dasselbe Konzept nach Miami und sprengt mit doppelter Laufzeit komplett den Rahmen, respektive das Bettgestell.

Alleine durch den Titel liegt das Implementieren von einem ohnehin sexuell aufgeladenen Genre wie Miami Bass auf der Hand, müsste man meinen. Doch die Orgie könnte genauso gut in Vegas, Boston oder Detroit steigen, so identitätslos fallen die Grooves aus. Während sich der schon maue Vorgänger wenigstens noch wie ein etwas unbefriedigender Quickie anfühlte, gibt einem "Slut Pop Miami" das Gefühl, gelangweilt die Decke anzustarren, während der Partner daneben am Handy Pornos guckt.

Gerade im Vergleich zu Artists wie Ayesha Erotica, Chase Icon oder Slayyyter, die das Fundament ihrer Karrieren auf dieser Art der Hypersexualisierung bauten, wird offensichtlich, wie unglaublich wenig Charisma und Charme Petras am Mikrofon bringt, sowohl in Sachen Songwriting als auch stimmlich. Die Songs klingen nicht, als hätte sie eine Frau geschrieben, die gerne Sex hat, sondern jemand, der sieben Stunden am Tag auf Pornhub verbringt und seine Lieblingsvideos vertonen möchte.

Petras setzt Humor und Sexiness mit zugespitzter Vulgarität gleich, aber trägt diese so lustlos und nebensächlich vor, dass man auf Dauer eher davon abgeturnt als angezogen wird. Songs wie "Rim Job", "Gag On It" oder "Butt Slut" spannen den frivolen Bogen bis zum Erbrechen und gehen an die Grenze dessen, was man auf einem Pop-Album überhaupt sagen darf, ohne vom Label vor die Tür gesetzt zu werden - musikalisch machen sie daraus aber absolut nichts. Die Songs ruhen sich einzig auf ihre Obszönität aus. Nur weil Petras weiß, wie Urban Dictionary funktioniert und nicht davor zurückschreckt, einen Song über Rimjobs und Deepthroats zu machen, heißt das nicht, dass sie versteht, wie man derlei musikalisch anpackt.

Damit meine ich nicht mal die durchweg billigen Instrumentals, auch, wenn Dr. Lukes Involvement das Ergebnis diesbezüglich noch weiter nach unten schraubt, sondern vorrangig das fehlende Commitment zu diesen Ideen. Dass man dieses Projekt nicht mit dem gleichen Grad an Seriosität behandeln sollte wie Petras restlichen Output - geschenkt. Aber das entschuldigt nicht, dass nahezu jeder der zwölf Songs nach einem Demo klingt, in das keiner der geladenen Songwriter*innen mehr als sechzig Sekunden investiert hat.

Die Songs hauen mit ihren Porno-Konzepten auf die Zwölf und laufen einfach nur über eine Dauer von 90 bis 120 Sekunden aus. Nicht nur musikalisch, auch inhaltlich. Songs wie "Cubana" bestehen ungelogen aus genau zwei Sätzen. Erst bei den beiden finalen Songs kommt dann so etwas wie Humor oder Spaß auf - wenn man nicht schon weggenickt ist oder sich der Keuschheit verschrieben hat.

"Slut Pop Miami" fügt sich nahtlos in die vom Weg abgekommene und nun stetig abwärts taumelnde Karriere von Kim Petras ein und markiert deren bisherigen Tiefpunkt. Nachdem ihr Label bereits ihr (zweites) Debüt katastrophal in den Sand gesetzt hat, wringt es nun noch den letzten Mehrwert aus dieser artistischen Detour, die man spätestens jetzt als endgültig gescheitert bezeichnen muss.

Trackliste

  1. 1. Slut Pop Reprise
  2. 2. Gag On It
  3. 3. Fuckin This Fuckin That
  4. 4. Banana Boat
  5. 5. Get Fucked
  6. 6. Rim Job
  7. 7. Cockblocker
  8. 8. Butt Slut
  9. 9. Head Head Honcho
  10. 10. Cubana
  11. 11. Whale Cock
  12. 12. Can We Fuck?

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