laut.de-Kritik
Die Ulmer Hip Hopper gehen in Vorruhestand.
Review von David HilzendegenDie Kinderzimmer Productions nehmen endgültig Abschied. 15 Jahre sind vergangen, sechs Studioalben haben das Licht der Plattenregale erblickt, das Debüt nach Samplequerelen mit den Stranglers sogar in doppelter Ausführung. Nun ist das Projekt abgeschlossen.
Nachdem im Laufe des letzten Jahres bereits eine Wiederveröffentlichung der Single "Back" in der Originalversion erschienen war, die damals aufgrund des genannten, ungeklärten Stranglers-Sample vom Markt genommen werden musste, legt das Duo eine auf 1000 Exemplare limitierte Live-Aufnahme nach. Die Scheibe erscheint ausschließlich auf Vinyl mit beigelegtem Silberling und dokumentiert das semi-akustische Abschlusskonzert vom April 2008 im Konzerthaus Dortmund.
Es ist wohl eher ein Bonus für den Fan als der Versuch, kurz vor Schluss tatsächlich noch mal Kasse zu machen - was ohnehin lange nicht mehr geklappt zu haben scheint. Die wirtschaftliche Situation mit rückläufigen Plattenverkäufen und Konzertbesucherzahlen gehören zu den Gründen, wieso Textor das Mikrofon an den Nagel hängt und Quasi Modo seine Turntables ausstöpselt. Man hätte es ahnen können, schließlich sind die Charts "ein Spiel, das Dieter Bohlen gewinnt", wie Textor bereits 2002 richtigerweise feststellte.
Der primäre Grund jedoch sei die sich wandelnde Musik-Welt, in der andere die Definitionsgewalt über Hip Hop hätten. Dementsprechen habe er in eine Richtung entwickelt, mit der sie sich nicht mehr identifizieren könnten, so die beiden Ulmer anno 2007 gegenüber laut.de.
So schickt also Rapdeutschland mit "Over And Out" eine der polarisierendsten, innovativsten und raffiniertesten Kapellen in den Vorruhestand. Wenngleich sie zur ganz großen Nummer nie heranwuchsen, zu verschroben und sperrig waren sie, zu anspruchsvoll für die Masse, zu ungewöhnlich fürs Radio, menschlich zu gewöhnlich für MTV.
Als circa 92% fußgängerzonenkompatibel beschreibt Textor selbst den Versuch, den 700 Besuchern des Konzerthauses Dortmund einen wenigstens weitgehend unplugged gespielten Auftritt zu präsentieren. Die Setliste umfasst die komplette Diskografie, erstreckt sich von den Anfängen ("Back") über die Mitte ihrer Karriere (z.B. "Doobie", "Nie wieder gut") bis zu "Asphalt", der letzten Studioplatte ("Das T"). In "Mehr oder weniger" findet sich sogar ein unbekannterer Titel, der weiland die "Irgendwo zwischen"-EP schmückte.
Gar nicht so einfach, den Spaß weitgehend originalgetreu zu präsentieren. Besonders wenn es sich um eine Busta Rhymes-Anleihe aus "Woo-Hah!" handelt, die mangels Strom selbst eingerappt werden muss (wie etliche andere Samples übrigens auch) oder der Drumcomputer nicht zur Unterstützung Jürgen Schlachters bereit steht. Also muss ein zweites Drumset herhalten.
Daneben kommen Flügel, Cembalo, Melodica, Vibraphon und Marimbaphon ebenso zum Einsatz wie eine Chipstüte. An Innovation mangelt es also nicht, wohl aber stellenweise am Bumms einer sampler- und rechnergestützten Produktion, die sich eben nicht vollständig auf Instrumente übertragen lässt. Somit wird auch aus "Over And Out" kein Meilenstein der Rapgeschichte, wohl aber ein Zeitdokument für den wirklichen Fan. Denn der darf sich die Live-Platte ganz sicher nicht entgehen lassen.
11 Kommentare
Hätte mir für die Review n bissl weniger Geschichtsschwelgerei und mehr Fokus auf die Songs und Umsetzungen im Detail gewünscht, der Rest gehört mehr in den Bereich Vor.Laut...
Nun gut, was soll man machen? Im Endeffekt geht damit mal wieder ein weiterer Funken Eigenheit von der Deutsch-Rap-Bühne ab ohne gebührend Applaus zu bekommen. Ich war nie ein riesen Fan, habe allerdings Respekt vor dem Weg den KP eingeschlagen hatten.
Bleiben mir also nur noch Entourage und Co um eigenständige Mucke zu beziehen.
Schade, Kinderzimmer Productions waren genial
Über "Geh Kaputt" lach ich mich heute noch kaputt
KP waren wirklich genial. Supergute Jungs! Alles Gute für die Zukunft!
Die Versionen von Quasimodo lost control und Wir sind da wo oben ist sind göttlich.
Ich hoffe doch, ihr LP-Käufer seid auch alle echte Turntableisten...
Erster Eindruck: Sehr gut. Irgendwo zwischen, Nie wieder gut... gibt einige Tracks denen das Unpluggedgewand sehr gut steht. Gute Konzert Atmosphäre und doch gute Aufnahme. Gefällt, werd die deutschrap Highlights dieses Jahr wohl nochmal umstellen müssen.
schade um die kizis. find die rezension hier eher mager. hätte mir auch zu einigen stücken längere beschreibungen gewünscht.
wird halt leider ein wenig unter den tisch gekehrt, was hier eigentlich abgeliefert wird.
nun ja, ich finds auf jeden fall auch eine spitzenplatte und dass die samples (teilweise) selbst eingesungen werden find ich viel spannender, ausserdem verleiht es dem ganzen charm.
20 euro für doppel lp und cd find ich ganz und gar nicht überteuert, btw.
hätte mir noch eine dvd dazugewünscht, aber man kann ja nicht alles haben