laut.de-Kritik
Sanfte Selbstmorde und wohltemperierter Eierlikör.
Review von Artur SchulzAch, die liebenswert-neurotische Kitty Hoff! Sie ergreift einen immer wieder; und zwar gerade dann, wenn man sie am Nötigsten hat. Lockte sie 2007 in eine Art hitchcocksches Manderley, bittet sie nun in tief hinein in ihr "Zuhause". Da ist sie wieder, die wohlfeile Agatha Christie-Mischung aus wohltemperiertem Eierlikör und kräftig hirnnebelndem Absinth. Und dann warten natürlich noch diese versteckten, sezierenden Messerklingen im Dunkel.
Da steht sie also zu Beginn als "Frau Auf der Brücke" und spinnt den Suizid-Faden des Songs "Blaue Stunde" aus dem Vorgänger-Album "Blick Ins Tal" elegant weiter. Nicht nur die "Gedanken aus der Manteltasche" möchte diese einsame Lady gern ins "Tiefe Blau" unter ihr entsorgen - doch am Ende verbleibt ihr das Leben, das einen vorwärtsschauenden Sieg davonträgt. Denn es warten schließlich heitere, Bossa Nova-getränkte "Riesenräder" auf die Überlebende (Süß & sinnlich: Der Duett-Part mit der aparten französischen Sängerin Coralie Clèment).
Mit "Sehr Weit Oben" tuscht Kitty ein wunderschönes, zartes Parallelwelt-Pastell unter den Anstrich vergessener Zirkuskuppel-Magie. Ist das Leben denn etwas anderes als der immerwährende Tanz in einer mal hier, mal dorthin wandernden Sehnsuchts-Menagerie? "Die Illusion wird aufgestellt," wispert die Sängerin, "und schminkt sich die Gesichter". Oft genug vergeblich, denn schlussendlich: "Die ganz große Zauberei / ist doch morgen schon vorbei".
Eingetaucht in sanfte, mit dezenten Piano-Akkorden applikierten, eleganten Hook-Momenten, tanzt Kitty hier auf jenem elenden, immerwährenden Daseins-Seil, denn "Irgendjemand zählt das Geld" - stets und immer; auch wenn du gar nichts hast, und kein Netz deinen freien Fall schützt. Da nützt kein "Send In The Clowns" in solchen Momenten, und doch bleibt die Hoffnung: Sie warten irgendwo, die "Schwerelosen Zeiten / ganz weit oben im Licht".
Musikalisch schnippt "Zuhause" als weitere charmante Fingerübung durch Kittys versteckte, nicht zu leicht zugängliche Nischen zwischen Pop und Jazz. Der Ragtime schaut vorbei in einer Nummer wie "Bad Mood". Und offenbart tiefes Verständnis für die gutsituierte Intellektuellen-Heerschar westlicher Cocktail-Revoluzzer vergangener und heutiger Tage.
Denn schließlich: "Eine Revolution, die braucht Zeit". Glänzendes "Mahagoni" wiegt sich in zarten Reggae-Klängen, während der "Papierkram" südseeschwangere Strandhoffnungen in seinem Bauche trägt. Die "Pension Fuchs" wildert geglückt im Schlager-Foxtrott der fünfziger Jahre. Die "Unterwelten" locken mit zunächst verhaltenen Klängen, bevor sie immer mehr Tempo aufnehmend mitreißende Dynamik entwickeln.
So bittet Deutschlands wohl wunderlichste Diseuse erneut zur verspielt-sinistren Cocktailstunde mit allerlei geheimen Pülverchen im Song-Tee. La Hoff so nebenbei hören, das geht nicht. Also gebt euch Mühe, nehmt guten Stoff, legt ein paar Mark mehr hin für die flüssige Begleitung beim Kitty Hoff-Hören. Ihre Kunst schmeckt dann garantiert noch besser. Und die Messer im Hintergrund verlieren für einen Augenblick ihren Schrecken.
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