laut.de-Kritik
Spalt über Kopf in den einvernehmlichen Nahkampf.
Review von Dominik LippeVielleicht war sie einfach ein klein wenig zu früh dran. "Damals musstest du einfach ganz dünn sein. Bisschen Plus-Size gab's nicht in der Musikszene", erinnerte sich Kitty Kat neulich in der sehenswerten NDR-Dokumentation "Hip Hop - Made in Germany" an ihren Karrierebeginn. Aggro Berlin habe sie "drei Jahre versteckt gehalten" und ihr nahegelegt, "zehn Kilogramm abzunehmen". Vor allem männliche Fans hätten sich in der Zwischenzeit eine Pamela Anderson vorgestellt, anstelle einer "Boss Bitch" von 1,80 m. "Ich bin halt einfach nicht das typische Mädchen", sagte sie fast entschuldigend.
In dem sich immer weiter ausdifferenzierenden Rap-Genre dürfte sie heutzutage als Newcomerin wohl kein Politikum darstellen. Zumindest wäre es wünschenswert, dass sich die Kommentare zu ihrem Aussehen auf das Minenfeld der Kommentarspalten beschränkten. Es ist angesichts ihrer Erfahrungen um so erfreulicher zu sehen, dass die Berlinerin 18 Jahre nach ihren Auftritten auf Sidos "Ich" noch immer aktiv ist. "Wer hätte gedacht, dass ich hier noch stehe mit 40? Die haben gelacht, und mir gesagt, Kitty, das wird nichts", erfreut sie sich in "Zimmer" an der eigenen Ausdauer.
Der Jugend mag sie entwachsen sein, doch als Überzeugungstäterin weigert sich Kitty Kat, sich auf die Arbeit im Hintergrund zu konzentrieren. "Musik ist meine Therapie. Ich kann nicht ohne", beteuert sie, "Rap ist meine Droge. Mann, ich mach' es, weil ich's liebe und bestimmt nicht für die Kohle". Im selbst produzierten "Zimmer" herrscht Selbstzufriedenheit mit sich, seiner Profession und seinem Werdegang. Daran sollte sich die eine oder andere lamentierende Kollegin ein Beispiel nehmen. "Das war ein langer Weg und ich hab' oft daran gezweifelt, doch ich liebe mein' Beruf."
Doch nicht immer überträgt sich der Spaß auf die Hörerschaft. Vor allem die etwas zahnlosen Partysongs zünden kaum. "Reiss Den Club Ab" überzeugt weder mit der austauschbaren Produktion von Frederic Steeger noch mit dem konfusen Text. Da trinkt Liz genüsslich "Punani-Juice", während Kitty Kat verspricht, "Ich mach' dich zum Hetero". "Frauen" behandelt entgegen des Titels Männer sowie die Optik und Festigkeit ihres Phallus. "Ich häng' an dei'm Ding, la-la-la-la", frohlockt die Rapperin kindgerecht, als liefere sie die Begleitmusik für den Sexualkundeunterricht kichernder Viertklässler.
Deutlich besser schlägt sie sich, wenn sie gänzlich auf den Jugendschutz pfeift. "Booty Shake Contest" überzeugt bereits mit dem Instrumental von Mathias Grünheid und Marlon Brombach, die anstelle eines bemüht lautstarken Club-Sounds auf eine geheimnisvolle, leicht verruchte Atmosphäre setzen. Dazu stürzt sich Kitty Kat Spalt über Kopf in den einvernehmlichen Nahkampf: "Hab' die Beine um seinen Hals, Pussy in seinem Gesicht." Am Ende bleibt eigentlich nur die Frage bestehen, was der schläfrig nuschelnde Olexesh mit einem FSK-12-Part neben der Berlinerin zu suchen hat.
Den beachtenswerten Schlusspunkt setzt "Wuz Poppin". Back2Back kreiert eine ungeheuer einsame Atmosphäre, in der Kitty Kat mit zarter Stimme jemanden anfleht, sie aufzusuchen. "Straßen sind so leer, du hast freie Fahrt", beschwört sie und fügt wie zur Bestechung an: "Ich steh' auf alles, was du mit mir machst." Sie verkauft es derart bekümmert, als sähe sie die sexuelle Verfügbarkeit als einzigen Ausweg aus der Isolation. Zwischen Hingabe und Einsamkeitsgefühl, "Zimmer" und "Wuz Poppin" besteht noch immer das Potenzial für ein richtig gutes Album der Rapperin. Alles andere ist nur Party-Ablenkung.
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