laut.de-Kritik
Tranciges aus den Archiven der Elektroniklegende.
Review von Toni HennigKlaus Schulze verstarb im April 2022 nach langer Krankheit. Schon zu Lebzeiten erschienen so einige Alben aus seinen Archiven, nun veröffentlicht sein Label SPV in Übereinstimmung mit den Hinterbliebenen mit "101, Milky Way" ein weiteres.
"101, Milky Way" orientiert sich an der Phase des Elektronikpioniers ab Mitte der 00er-Jahre, als er seine Ambient-Sounds mit Beats kombinierte. Die Musik hat er 2009 für den Dokumentarfilm "Hacker" eingespielt. Allerdings ließ Regisseur Alex Biedermann nur kleine Teile der Musik im Hintergrund verwenden, das komplette Album verschwand dagegen in der Schublade.
Auch mit dieser Platte geht Schulze wieder einmal sehr in die Breite. Für den Aufbau der fünf- bis zweiunddreißigminütigen Tracks lässt er sich sehr viel Zeit, was schon der Opener "Infinity" verdeutlicht, der mit warmen, auf- und abebbenden Ambienttönen beginnt und nach einer längeren, verspielten Sequenz in eine Phase übergeht, die mit ihren Sounds und Gesängen zeigt, dass er auch ein starkes weltmusikalisches Interesse besaß. In eine ähnliche Kerbe, nur ohne die weltmusikalischen Anleihen, schlägt "Alpha", das sich mit sanften Klängen wie eine warme Decke über den Hörer legt.
Ungleich düsterer und bedrohlicher startet "Multi". Nach ein paar Minuten gesellen sich rotierende, helle Synthieklänge dazu, die in die zweite Hälfte des Stückes überleiten, die mit perkussiven Rhythmen und trancigen Tönen eine hypnotische, fast schon ein wenig tanzbare Wirkung entfaltet. Auf jeden Fall hat die Nummer etwas sehr Fokussiertes. Die rund zweiunddreißig Minuten vergehen dadurch wie im Flug. Ganz klar das Highlight der Scheibe.
"Meta" bietet mit seinen tiefen Sequenzen und seinen subtilen Trancegrooves eine kurze Verschnaufpause bis zum nächsten Mammuttrack. Das fast zwanzigminütige "Uni" fängt recht schwebend und ambient an, baut jedoch nach einem etwas zu abrupten Break ab der vierten Minute bis zum Schluss eine minimalistische und kühle Atmosphäre auf. Dass der Berliner sich für so einige Filmarbeiten auszeichnet, macht sich in dem Stück deutlich bemerkbar.
"101, Milky Way" bezeugt, wie viel Kreativität und Produktivität Schulze zu Lebzeiten an den Tag legte. Wer ein klassisches Klaus Schulze-Album im Stile seiner letzten Studioplatte "Deus Arrakis" erhofft hat, dürfte eventuell ein wenig enttäuscht sein. Wer jedoch die eher trancigen Arbeiten wie "Moonlake" zu schätzen weiß, darf bedenkenlos zugreifen.
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