laut.de-Kritik
Seit zwei Jahrzehnten der gleiche Witz.
Review von Raphael ChasséKollegahs weiße Weste ist befleckt wie die von kaum einem anderen deutschen Rapper. Antisemitismus-Vorwürfe, überteuerte Coachings, Ghostwriter und das Verbreiten von Verschwörungstheorien, der "Boss" hat sich in den letzten Jahren nicht gerade mit Ruhm bekleckert. Den Vogel abgeschossen wie ein Jäger hat er aber letztes Jahr mit "Free Spirit". Selbst von den harteingesessenen Kolle-Fans hagelte es in den Kommentarspalten zu den rund 20 Singles Kritik für die billigen Beats und den Schwurbel-Tiraden vom "Weltmonarchen".
Ich bin jetzt kein Marketing-Experte, bin mir aber sicher, dass die jüngsten Skandale nicht allzu gut fürs Geschäft sind. Aber der "Mac" ist ein gewiefter Business-Man und von ein paar Kratzern auf der Teflon-verzierten Brust lässt er sich nicht in die Knie zwingen. Wenn dein Ruf im Keller ist und dich niemand mehr ernst nimmt, mit Ausnahme von Hip-Hop-Connaisseur MarvinCalifornia und seiner grenzdebilen Bogota-Bubble, ist es eine allseits beliebte Taktik, sich die Gunst ehemaliger Hörer mit Sympathie und Witz zurückzuholen.
So fällt "La Deutsche Vita" deutlich humorvoller aus als vergangene Projekte und meidet weitestgehend provokante Zeilen. Etwas mehr Selbstironie wäre zwar schön, aber dann doch zu viel verlangt gewesen, da der "Boss" ungern über sich selbst lacht.
Grundsätzlich begrüße ich die Idee eines weniger ernsten Kollegah-Albums, aber selbst für einen guten Musiker wäre es schwer, ein NEUNZIG (!) Minuten langes Album zu tragen. Ich glaube, bei Kolle ist es so eine Ego-Sache, mindestens 20 Tracks auf seinen Alben zu haben. Würde er mal Qualität vor Quantität setzen, dann wäre nicht nur die Mucke besser, er hätte womöglich auch nicht auf Ghostwriter zurückgreifen müssen und sich einen weiteren Shitstorm erspart.
Fast schon bedauerlich, dass "La Deutsche Vita" als Gesamtwerk so wack ausfällt, vereinzelte Elemente gefallen mir nämlich wirklich gut. Die Bassline und das Instrumental nach dem Beat-Switch auf dem Opener "Laid Back", die Flöte auf "Auf Eine Zigarre", die von Asche gesungene Hook auf "Bosshaft Bleiben", das boom bapige "Treibjagd" und die großartige Disco-Funk-Hommage "Legacy Defender" sind nur einige Beispiele. Auch die eher unspektakulären Dipset-Type-Beats sind mir lieber als bulgarische Frauen-Chöre und melodramatische Streicher (die leider nach wie vor gelegentlich auftreten).
Zwar nicht wirklich gut, aber zumindest unterhaltsam und kreativ sind der Medieval-Dance-Music-artige Beat auf "Herr Von Blume" und der Hardbass-Break am Ende des Titeltracks. Ein großer Teil der Songs ist aber entweder vergessenswert wie "Lorbeerkranz" und "Lordaura" (da gibt es sicher noch einige mehr, aber die hab ich vergessen) oder peinlich und anstrengend wie das "The Final Countdown" samplende "Aufstehn Aufstehn" mit Majoe und diesem dort öfter vorkommenden furchtbaren Apple-Wecker, der körperliche Schmerzen auslöst.
Flowtechnisch solide und was Reime, Vergleiche, Punchlines etc. angeht überdurchschnittlich präsentiert Kollegah wie gewohnt seinen Vortrag. Da er aber schon so gut wie jede Mehrdeutigkeit, die die deutsche Sprache hergibt, bereits gerappt hat, bleiben die Aha-Momente aus. Vergleiche wie "Pustekuchen wie Geburtstagstorten" und "das Biz erzeugt nur abgewichste Schwänze wie Massagen-Happy-Ends" oder Spits wie "Science Fiction / Seins fickt schön" reißen wohl niemanden vom Hocker. Kollegah erzählt quasi seit fast zwei Jahrzehnten immer wieder den gleichen Witz und die Pointe langweilt von Jahr zu Jahr mehr. Versucht er sich doch an "deepen" Themen, dann ist es entweder kitschiges Motivations-Gelaber à la Kontra K oder schlichtweg gemeingefährlich.
"Die Reifen kriegen Burnout wie nach all den Jahr'n ich selbst" - merkt man dir an, Felix. Vielleicht wäre es gar keine so schlechte Idee, sich für einige Jahre zurückzuziehen, Geld haste ja genug. Nach drei Jahren oder so dann ein Comeback auf einer von Morlockko Plus produzierten LP, das hat zuletzt bei "Früher-war-er-mal-gut"-Kollege Samy Deluxe ja auch ganz gut geklappt.
35 Kommentare mit 148 Antworten
ganz ok irgendwie auch ganz egal. aber intro ballert sehr geil. flow immernoch holprig manchmal.
Lustig, dass gerade Kollegah auf "Laid Back" rappt: "es wird Zeit, wieder mal
Elegant über die Beats zu schlendern, als wär'n sie die Champs-Élysées"
Nur weil man keine Ahnung von Sub-Rhythmen hat, denkt man, dass da wer stolpert. Das ist wie Menschen, die mit punktierter Rhythmik nicht klarkommend stets falsch zum Beat rappen.
"Subrhythmen" gibt es nicht, du meinst vermutlich Subdivisions.
Ebenso gibt es keine punktierte Rhythmik. Es gibt punktierte Noten.
Ich gebe dir Recht, dass es nicht punktierte „Rhythmik“ heißt, dennoch meinte ich „punktierte Rhythmen“ und nicht „punktierte Noten“. Allerdings gibt es Subrhythmen, wenn beispielsweise nur ein Teil eines Taktes Triplets oder einen anderen Groove haben soll. Subdivisions sind ja nur die Teile, die in einen Takt passen.
"dennoch meinte ich „punktierte Rhythmen“ und nicht „punktierte Noten“.
Tja nun, ist halt Schwachsinn.
"Allerdings gibt es Subrhythmen, wenn beispielsweise nur ein Teil eines Taktes Triplets oder einen anderen Groove haben soll. "
Das sind Subdivisions. Subdivisions sind alle Möglichkeiten, wie Zählzeiten aufgeteilt (dividiert) werden können. Niemand sagt "subrhythm".
Sehr seltsames Album mit sehr komischen Lyrics. Das mindestens genauso wirre Extrem zum Schwurbler-Kolle. Alles in allem unhörbar.
Schöne Headline. Für diese Erkenntnis hat es den Praktikanten gebraucht, weil Gölz, Maurer und Brandl ja bloss kein Monument besudeln wollten..
Ich hatte Angst das anzuhören. Zu viele Fails bei den letzten Alben und schon wieder mehrere Asche Features.
Aber was soll ich sagen? Das ist ein sehr stabiles Album geworden. Meiner Meinung nach das beste Kollegah Album seit Mitte der 2010er Jahre.
Sicherlich ist das Werk mit einigem Füllmaterial ausgestopft, wie das Werttransport-Paket, in dem der Grauhändler mir meine Datejust hat zukommen lassen. Aber selbst die Tracks sind besser als der Rest der Sprechgesangs-Paralympics „Deutschrap“.
Sehr viel Fanservice ist geboren: JBG, Kirmes-Techno Outros, Malle-Rap mit Majo, schon wieder Outro… Und wer so majestätische Streicher-Beats wie Sternenklare Nacht ablehnt, muss komplett auf diesem repetitiveness emotionsbefreiten Trap Müll hängengeblieben sein. Und Asche kann ja inzwischen tatsächlich auch ohne theatralisch gepresste Wut in der Stimme rappen.
Stellt sich nur noch die Frage, warum das Werk hier bei lauch.de so eine schlechte Bewertung bekommt. Da höre ich nochmal auf die Texte „du androgynes Schwein“, „tiefergelegter Benz der nicht für Klimakleber bremst“. Und schon ist alles klar. Braves Schreiberlein, das hast du ganz toll gemacht.
Lösch Dich bitte sofort.
OK, auch ich hatte Angst vor dem Reinhören und habe es mir deswegen sehr verspätet und mit sehr geringer Erwartungshaltung gegeben. Die schlimmsten Befürchtungen haben sich zum Glück nicht erfüllt, aber ein gutes Album ist es trotzdem nicht geworden. Die ersten drei Tracks haben mich kurz aufhorchen lassen, aber was danach kommt, schwankt dann doch zu sehr. Den ein oder anderen Ausreißer nach oben gibt es („Herr von Blume“ ), das werten das Ganze auch ein bisschen auf. Aber für eine 3/5 reicht es in meinen Augen trotzdem nicht. Fairerweise muss man aber zugeben, dass man auch schon Schlimmeres von ihm gehört hat. Wertung passt, Review ist auch sehr unterhaltsam geschrieben.
Deine biased-opinion juckt niemanden, du Feigenblatt-Alman.
Und Ahnung von Musik hast du halt auch nie gehabt, nur immer ein sehr großes Maul. Aber Favorite, ja, der hat Nullsieben schon abgeliefert, was.
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Wow, was ist denn da mal vorgefallen? Früher war der Typ hier doch trotz seiner anstrengenden Art (oder deshalb) komplett integriert.
Oder ist das ne Privatfehde?
Ich verstehe ehrlich gesagt auch nur Bahnhof. Mir wurden hier ja schon einige Fehden angedichtet, aber entgegen der allgemeinen Lesart hier habe ich weder mit Capsi noch mit Craze, Gleep oder sonst einem der Stammuser, mit denen ich im Laufe der Jahre das ein oder andere Mal aneinander geraten bin, ein Problem. In ganz schwachen Momenten hatte/habe ich ja sogar für lautuser was übrig. Dass der Ton hier manchmal rauer wird, ist ja nicht einmal meine Erfindung. Mit MeTOOlica hatte ich, soweit ich mich erinnern kann, in meiner laut-Laufbahn noch gar keine Berührungspunkte. Ich lese da momentan nur raus, dass er ein Problem mit meinem Musikgeschmack und meiner Herkunft zu haben scheint. Und dass ihn meine Meinung zum Kolle-Album nicht juckt. Und dass er mich deswegen gern in einem Gulag sehen würde. Mehr verrät er ja leider nicht
Gerade aufgefallen...hat Kolle den Albumtitel von JBO gebitet?
https://www.laut.de/J.B.O./Alben/Deutsche-…
Finde zumindest die Promo-Parodie-Battles aber wirklich gut, besonders Asche hat mich da positiv überrascht.