laut.de-Kritik
...und jetzt: zum Sport.
Review von Yannik GölzKontra K zählt zu den erfolgreichsten Rappern Deutschlands. Er gehört aber auch zu denen, die nicht schwer zu haten sind. Seine Marke neoliberaler Glückskeks-Raps, stumpfer Samples und Macker-mit-Herz-Plattitüden, die muss man erst einmal vertragen. Aber man muss ja doch festhalten, dass seine Musik vielen Leuten in Deutschland etwas durchaus Positives gibt. Verdammt, die Nationalelf trainiert laut jüngster Medienberichte mit Kontra K auf der Playlist zwischen Freddie Mercury und den Red Hot Chili Peppers. Was ist es denn, das sich mir an seiner Musik so verschließt? Bin ich einfach zu beta für diesen Mann?
Ich tue also, was jeder vernünftige Journalist tun würde, und sperre mich einen ganzen Abend lang mit Notizblock in den McFit und versuche, den positiven Seiten des Phänomens Kontra K näher zu kommen. Das Ziel: Ich schalte mein nörglerisches Hirn aus, lasse mich auf Meister Motivation ein und werde mindestens 150 Prozent meines Pensums schaffen. Was hatte ich davon? Nun, ja: Muskelkater und ziemlich schlechte Laune.
Aufwärmen: 40 Minuten Cardio. Vielleicht methodisch nicht das Schlauste, die Monotonie dieser komischen Fahrradmaschinen schmiegt sich ganz wunderbar an die thematische Monotonie von Kontra K. Das stimmt nicht ganz: Objektiv geht es auf "Die Hoffnung Klaut Mir Niemand" um eine Menge Sachen. Um Liebe, um Schmerz und ums Durchhalten. So rein vom Ton ist es nur oft schwer, auseinanderzuhalten, was davon gerade dran ist. Kontra hat diese seltsame Eigenschaft, dass er fast alles in einer sehr ähnlichen Stimmlage und mit dem exakt gleichen Vokabular behandelt. Da gibt es immer eine vage, böse Entität (Leben, Staat, die Falschen, Frauen), die ihn unten halten will, und dagegen gilt es nur, durchzuhalten. Egal, wie groß oder nebulös das Böse auch sein mag.
Bevor wir das vertiefen, wechsele ich für meinen zweiten Hördurchgang an die Kraftmaschinen. Hier merke ich am meisten, dass es definitiv ein paar Songs gibt, die für mich positiv herausstechen. "Ein Schritt" und "Like Woo" reichen für mich am ehesten an den sagenumwobenen Motivations-Effekt heran. Vermutlich, weil die Gitarren-Samples und energischen Bässe und das erhöhte Tempo ein bisschen den Fokus von der Schwere und dem Kitsch nehmen und den Fakt ins Zentrum stellen, dass Kontra K schon rappen kann. Ich sitze also da, stemme meine nicht sehr beeindruckenden Gewichte, um mich herum trainieren Kanten und auf den Bildschirmen laufen diese McFit-Dauerwerbesendungen von irgendwelchen Schränken, die Klimmzüge machen. Man fühlt sich definitiv im richtigen Film mit Kontra K, der "Woo!" brüllt. Das hat Energie. Ich würds vielleicht nicht im Bus pumpen, aber es funktioniert.
Ferner gibt es zwei Balladen, die mich positiv überrascht haben: Einmal "Dein Schatten", weil ich ein unverbesserlicher Sucker für den Mama-Song bin. Ja, der ist cheesy, aber er kommt von Herzen und beschreibt, wie er plant, bis ans Ende für sie da zu sein. Am meisten gekriegt hat mich aber "Mann, Max", auf dem er tatsächlich einmal so etwas wie Selbstreflexion betreibt und sich fragt, warum er eigentlich so daran hängt, die Welt immer so schwarz zu malen ... und da passiert es: Man erhascht tatsächlich einmal einen kleinen Blick auf die Person hinter Kontra K. Für eine Sekunde habe ich das Gefühl, diesen Kerl ein bisschen besser zu verstehen. Warte, denke ich mir, habe ich nicht davor schon zwanzig anscheinend so tiefgründige Balladen gehört? Warum habe ich da genau nichts über ihn gelernt?!
Das ist der Moment, in dem das Album das zweite Mal durchläuft, ich ein bisschen ziellos durch den Raum irre, beschließe, noch ein Beintraining dranzuhängen, und mir zwei Dinge klar werden: Trotz all seinem Beharren auf dem Struggle und dem Schmerz habe ich in all der Zeit quasi nichts über diesen Mann gelernt. Und: Ich habe absolut keine Lust mehr, dieses Album noch einmal zu hören. Ich dümpele seit kaum mehr als eineinhalb Stunden an diesem Ort und es fühlt sich an, als sülze Kontra K mir schon einen halben Tag lang in die Ohren.
Versuchen wir, schnell abzuhandeln, was alles nicht funktioniert. Erstmal: Dieser Mann scheint körperlich nicht in der Lage zu sein, irgendetwas Konkretes zu sagen. Es zieht ihn beim Schreiben immer zum schwammigsten, abstraktesten Wort. Ich habe keine Ahnung, was ihm eigentlich den Schmerz bereitet, nicht die leiseste. Manchmal deutet er an, Stress mit der Polizei zu haben, auch hier habe ich keinen Schimmer, wieso. Sollte die seine Nazifreunde nicht grundsätzlich sympathisch finden? Da kommt dieses Gefühl der Phrasendrescherei her: Es ist offensichtlich so breit wie möglich aufgezogen, damit jeder seine eigenen Wehwehchen reinprojizieren kann, aber das macht es künstlerisch so uninteressant.
Uninteressanter sind nur Kontra K-Deutschpop-Balladen. Der gerade Bad Boy mit dem Herz aus Gold, das wäre er gerne, tatsächlich ist er eine Pappnase mit Nico Santos in der Hook. Ich weiß nicht, wem da draußen es so sehr im Leben an Kitsch und Klischees fehlt, dass er sich Bullshit wie "Die Sonne" anhören muss, aber wären diese Songs Mahlzeiten, dann wären sie 20 Prozent Zucker und 80 Prozent Ballaststoffe. Scheißt du sie dann wieder aus, guckt Mark Forster aus dem Klo zu dir empor. "Wenn Träume Bluten", "Narben", "Lüge", nein, genug! Dieses Album ist nicht motivierend, die meiste Zeit ist gleichförmiger, monotoner Radio-Schlog, der mir beim Sport eher im Weg steht.
Features kann der Mann auch überhaupt nicht. Ich habe noch nie zwei Menschen auf einem Track weniger Chemie zeigen hören als ihn und SSIO, die sich auf Krampf zwingen, ihren kleinsten gemeinsamen Nenner des Alpha-Mann-Geposes abzustecken. Es klingt absurd, als ob irgendwo eine Dimension gerissen sein müsse, dass diese beiden Typen überhaupt dieselbe Ebene der Existenz bewohnen. Luciano oder Samra (dessen Kippen-Sadboy-Stick an manchen Stellen dieser Platte eh ungünstig auf Kontra abfärbt) machen immerhin nur langweiligen Dienst nach Vorschrift.
Schlechter als das Featuren läuft nur das Samplen. Auch wenn keine Monstrosität wie "Follow" passiert ist, immer noch einer der schlechtesten Deutschrap-Songs aller Zeiten, weiß der Teufel, welche unheilige Zielgruppen-Analyse gesagt hat, Kontra K sollte Lana Del Rey verwenden. Seine Stimme über "Summertime Sadness" zu layern, das klingt einfach absurd ohne Ende, auch, wenn es romantisch sein soll. Dass er an anderer Stelle "Infinity" vom Guru Josh Project für einen Pumpersong verwurstet ("Energie"), macht nur Angst und Bange, dass auch auf kommenden Alben wirklich jeder Song, der 2011 auf Dorf-Fußballturnieren über Boxen gepumpt wurde, als Hit-Konserve wieder auftauchen wird. Düstere Zeiten, wenn Kontra K dann 2024 zusammen mit Ski Aggu ihren Take auf Klassiker wie "Mr. Saxobeat" auf die Eins bringen werden.
Nein, so komisch hat sich kein McFit-Aufenthalt mehr angefühlt seit diesem einen Mal, als mir in der Umkleide ein halbnackter MC Bogy entgegengekommen ist. Kontra K gibt mir so den Vibe eines unsympathischen Sportlehrers. Ehrlich gesagt, weiß ich gar nicht, was ich mir von diesem Projekt erhofft habe. "Die Hoffnung Klaut Mir Niemand" ist eben ein Kontra K-Album. Der Kerl ist ein kompetenter Rapper mit so etwas wie einer positiven Message (oder wie man "hardcore-neoliberale Lügen" sonst umschreiben möchte), und macht dieselben Songs jetzt schon seit vielen Jahren. Ja, es gibt ein paar okaye Momente dazwischen. Die hinterlassen aber nicht den bleibenden Eindruck von diesem Tape. Der sieht so aus, dass Kontra K eine abgeschlossene, zum Kulturpessimismus verleitende Marktanalyse deutscher Hörgewohnheiten ist: schmalzig, nichtssagend und unglaublich langweilig. Ich gehe nun in die Eistonne, und damit: zurück ins Studio.
15 Kommentare mit 8 Antworten
Dass er einer der erfolgreichsten ist, spricht so unglaublich für dieses Land.
Küsschen für die Forster Line.
Es ist wie immer großer Sport wenn Yannik sich aufmacht ein Deutschrap-Album in den Staub zu treten.
+1
Einzige Existenzberechtigung, die Deutschrap noch hat, ist von Yannik verrissen zu werden.
Verriss MC
Naise one!!
Dieser Kommentar wurde vor 11 Monaten durch den Autor entfernt.
Kontra K ist Musik für Leute die nichts gegen Ausländer haben, ABER...
Mark Forster in „cool“