17. September 2014

"Wir haben die Hives noch nie live gesehen"

Interview geführt von

Zweieinhalb Jahre nach ihrem Debüt-Überflieger "Mit K" legten Kraftklub dieser Tage mit ihrem zweiten Album nach. Wir sprechen mit Gitarrist Karl Schumann und Basser Till Kummer über "In Schwarz" und auch sonst noch dies und das.

Was war die Aufregung groß, als im Januar 2012 plötzlich fünf junge Chemnitzer mit ihrem Debütalbum "Mit K" vom nationalen Charts-Gipfel grüßten. Kraftklub hier, Kraftklub da, Kraftklub überall! Endlich hatten die Medien wieder eine junge, fast noch unbefleckte Combo am Wickel, der sie genüsslich den Band-einer-neuen-Generation-Button auf die Stirn kleben konnten.

Doch Kraftklub hatten gar keine Lust auf Schubladen. Immer wieder wehrten sich Felix Kummer (Gesang), Till Kummer (Bass), Steffen Israel (Gitarre), Max Marschk (Drums) und Karl Schumann (Gitarre) mit Händen und Füßen, sobald von der Kraftklub-Generation die Rede war. Man mache schließlich nur Musik, weil es Spaß macht. Nicht, um damit eine Jugendbewegung loszutreten, so die Band.

Das Business ist schnelllebig. So schnell, wie man hochgejubelt wird, so schnell wird man oft auch wieder fallen gelassen. Kraftklub haben glücklicherweise erfahrene Leute hinter sich, die genau wissen, wie man eine aufstrebende Band aus der Schusslinie bringt. Und so gehen die Chemnitzer erst einmal auf ausgedehnte Tour und ziehen sich im Anschluss mehr und mehr aus den Schlagzeilen zurück.

Erst im Mai 2014 meldet sich die Band wieder zurück – allerdings inkognito. Statt unter ihrem eigentlichen Bandnamen versetzen die fünf Ostdeutschen die hiesige Musiklandschaft unter dem Banner In Schwarz in helle Aufregung.

Tagelang rätselt die Republik: Wer sind diese vermummten fünf Proberaum-Rocker? Anfang Juni dann die Auflösung: Während eines TV-Auftritts lassen In Schwarz die Masken fallen. Und siehe da: Kraftklub sind wieder da. Natürlich haben die Jungs noch mehr im Gepäck als nur fünf schwarze Motorradmasken und einen neuen Song ("Hand In Hand"). Ein komplettes neues Album wartet bereits in den Startlöchern. Der Titel: "In Schwarz" – wie passend. Wir trafen uns eine Woche vor dem Release mit Karl und Till, um ein bisschen über Gestern, Heute und Morgen zu plaudern.

Hi, ihr Zwei. Nächste Woche geht es in die zweite Runde. Wie ist die Stimmung?

Karl: Alles bestens. So langsam steigt die Aufregung.

Fühlt es sich im Vergleich zum Debütalbum anders an?

Till: Naja, für uns eigentlich nicht so. Klar, man ist aufgeregt, aber das waren wir vor der Veröffentlichung unseres ersten Albums auch. Man merkt aber, dass diesmal ein ganz anderer Apparat dahinter sitzt. Die Leute im Hintergrund sind viel wuseliger als wir.

Karl: Die wollen natürlich alle, dass das neue Album ähnlich steil geht wie das erste, ist ja klar.

Ihr nicht?

Till: Doch, natürlich. Aber für uns würde keine Welt zusammenbrechen, wenn wir diesmal nicht auf der eins landen. Wir versuchen, da eher gelassen ranzugehen. Sonst macht man sich eh nur 'ne Platte und wird ganz kirre im Kopf.

Karl: Wir haben unsere Arbeit jetzt erledigt und sind einfach nur gespannt, ob es den Leuten da draußen genauso gut gefällt wie uns. Wir sind auf jeden Fall mächtig stolz aufs Album.

"Dann kriegst du auf einmal die volle Breitseite"

Nach "Hand In Hand" dachten viele Leute, dass das neue Album härter klingen wird. Ich habs jetzt vorhin zum ersten Mal komplett gehört und würde behaupten: Dem ist nicht so. Ich find' es sogar ein bisschen eingängiger, teilweise fast schon poppig. Wie seht ihr das?

Karl: Naja, wir haben uns jetzt nicht hingesetzt und über ein Sound-Konzept diskutiert. Ich meine, wir stehen ja noch ziemlich am Anfang. Da macht es meiner Meinung nach keinen Sinn, alles über den Haufen zu werfen und beim zweiten Album schon eine komplett andere Richtung zu fahren. Wir haben einfach geprobt, ein paar Demos gemacht und die Sache irgendwie laufen lassen. Ich finde, es klingt genauso nach Kraftklub wie das erste Album.

Till?

Till: Ich sehe das auch so. Natürlich haben wir ein bisschen rumexperimentiert und geguckt, was man hier und da noch feinschleifen kann. Aber ich war, ehrlich gesagt, ziemlich überrascht, als ich die ersten Reaktionen zu "Hand In Hand" mitbekommen habe. So hart finde ich den Song gar nicht. Rockt halt.

Seit Anfang August ist bereits die zweite Single "Unsere Fans" am Start. Darauf gab es doch sicher auch schon Reaktionen, oder?

Karl: Oh, ja. (lacht)

Du lachst?

Karl: Naja, es gab echt viele Fans, die uns wegen dem Song die Hölle heiß gemacht haben. Die haben irgendwie die Ironie nicht so ganz verstanden, die dahinter steckt.

Till: Das muss man sich mal vorstellen. Ich meine, wir haben ja schon auf unserem ersten Album viel mit Ironie und Sarkasmus gearbeitet. Das ist halt so ein Chemnitz-Ding, verstehst du? Man kommt aus der Provinz und macht sich über Dies und Das ein bisschen lustig. Fertig. Eigentlich keine große Sache. Das war ja auch das, was viele Leute an uns und unserer Musik so toll fanden.

Und dann schreibst du einen Song, der vor Ironie eigentlich nur so trieft, um den Ganzen ein kleines Krönchen aufzusetzen, und dann kriegst du auf einmal die volle Breitseite. Da haben wir uns ganz schön am Kopf gekratzt. Da kamen echt so Kommentare wie: Ihr Schweine, wie könnt ihr nur so mit euren Fans umgehen? Und: Ihr seid total arrogant und abgehoben. Da schluckt man zuerst ganz schön. Irgendwann lacht man aber nur noch drüber, ist ja klar.

Die Schattenseiten des Ruhms.

Karl: Ja, absolut (lacht).

Till: Ich hoffe nur, dass uns die Bauarbeiter jetzt nicht auch noch verklagen werden, die wir heimlich auf dem Album verewigt haben.

Stimmt, da war doch was. Ich habe übrigens kaum ein Wort verstanden.

Karl: Da wirst du wahrscheinlich nicht der Einzige sein (lacht).

"Einfach machen!"

Wie kam es denn überhaupt dazu?

Till: Nun, in unserem Proberaum wird seit geraumer Zeit gebaut. Da laufen halt jeden Tag 'ne Menge Leute rum, darunter auch einige sogenannte "Schrotter". Das sind so Typen, die die Kabel rausreißen, Schrott wegbringen und den ganzen Komplex so ein bisschen von Grund auf entkernen. Irgendwann sind die halt mal zu uns reingekommen und haben uns beim Proben zugehört. Die waren total perplex und begeistert. Die fanden das richtig cool, was sie da gehört haben. Und da wir das Aufnahmegerät die ganze Zeit am Start hatten, haben wir den lustigen Dialog einfach mit aufs Album genommen.

Scherzkekse.

Till: Ja, oder? Dieses ganze "In Schwarz"-Versteckspiel ist ja auch nur aus einem Jux heraus entstanden. Wir haben den Song ("Hand In Hand") halt geprobt und irgendwann festgestellt, dass er sich mit meinem bröseligen Punk-Gesang ein bisschen von dem anderen Zeugs abhebt. Naja, da kam dann halt eins zum anderen. Der ominöse Bandname, die Masken, die Veröffentlichung via Audiolith: Das Ganze hat dann so eine Eigendynamik entwickelt, die wir total cool fanden. Ich meine, so was ist ja total ausbaubar. Wir hatten auch kurzzeitig überlegt, ob wir nicht mit zwei Bands gleichzeitig an den Start gehen. Das war aber alles dann doch irgendwie zu viel. Also haben wir es dann irgendwann einfach aufgelöst.

Karl: Wie lange hast du denn an die Band In Schwarz geglaubt?

Naja, nicht sooooo lange, um ehrlich zu sein.

Karl: Siehste, das Gefühl hatten wir dann nämlich irgendwann auch. Uns war schon klar, dass wir das zeitnah wieder eintüten müssen, um den Ganzen nicht etwas Lächerliches anzuheften. Aber für den Moment war es 'ne richtig coole Sache.

Eine andere richtig coole Sache ist euer eigenes Festival (Kosmonauten-Festival, Chemnitz, Stausee Rabenstein), das ihr nun schon seit zwei Jahren an den Start bringt. Habt ihr irgendwie einen 28-Stunden-Tag?

Karl: Nein, natürlich nicht. Aber für tolle Ideen nimmt man sich einfach die Zeit. Da ist es dann auch egal, ob man nur noch halb so viel schläft, wie in den Jahren zuvor. Das ist eine richtig, richtig geile Sache, für die es sich lohnt, sich den Arsch aufzureißen.

Till: Auch da haben wir einfach gesagt: Ey, hier unten in Chemnitz müsste man mal ein richtig cooles Festival auf die Beine stellen. Dann haben wir mit ein paar Leuten gequatscht und angefangen, anzupacken. Wir wollen Musik lieber produzieren, als sie zu konsumieren. Das hat Felix vor ein paar Jahren mal in einem Interview gesagt, und das trifft den Nagel auf den Kopf. Einfach machen.

Euer Debütalbum landete ganz oben in den Charts, das zweite Album wird aller Wahrscheinlichkeit ähnlich große Spuren hinterlassen. Zudem habt ihr unzählige ausverkaufte Konzerte hinter euch, habt sogar eine Woche lang in Kolumbien für Furore gesorgt. Für die Club-Tour im Oktober gibt es nur noch vereinzelt Restkarten. Gibt es noch irgendeinen kleinen Schatten im Kraftklub-Universum?

Till: Nö, alles sauer. Überall scheint die Sonne (lacht).

Karl: Naja, einen Traum würde ich mir schon ganz gerne noch erfüllen.

Till: Ach? Welchen?

Karl: Ich würde gerne mal die Hives live sehen.

Till: Stimmt. Ich auch.

Ihr habt die Hives noch nie live spielen sehen?

Karl: Keiner von uns!

Nicht dein Ernst, oder?

Karl: Doch, wirklich. Wir sind totale Fans, aber irgendwie haben wir die noch nie live bewundern dürfen. Das ist echt eine Schande, finde ich.

Kosmonauten-Festival 2015! Steht das Billing schon?

Karl: Gute, sehr gute Idee. (lacht) Das sollten wir mal checken.

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